Nürnberg - Es ist die letzte Spielzeit von Star-Dirigentin Joana Mallwitz in Nürnberg. Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren von Corona überschattet. Den Kulturbetrieb sieht sie danach vor einer großen Aufgabe. Trotz der steigenden Lebenshaltungskosten sollten Konzertbesuche nach Ansicht der gefeierten Dirigentin und Nürnberger Generalmusikdirektorin für alle Menschen erschwinglich sein.
«Ich glaube, das ist eine der großen Fragen, über die wir jetzt insgesamt im Musikbetrieb und auch zusammen mit der Politik nachdenken müssen: Wie können wir das rein finanziell noch niedrigschwelliger machen? Es muss einfach für alle Gruppen entsprechende, auch finanziell leistbare Tickets geben.»
Mit einer Festwoche feiert die Staatsphilharmonie Nürnberg ab Sonntag ihr 100-jähriges Bestehen. Das Eröffnungskonzert am Montag wird allerdings die Junge Staatsphilharmonie mit Richard Wagners Ouvertüre zu «Die Meistersinger von Nürnberg» spielen - und setzt damit auch ein Zeichen. Das Jugendorchester war im vergangenen Jahr auf Initiative von Joana Mallwitz gegründet worden. Diese wechselt im kommenden Jahr als Chefdirigentin ans Konzerthaus Berlin.
«Die Idee dazu ist im ersten Corona-Sommer entstanden - in einer Zeit, wo junge Menschen nicht mehr zusammen musizieren, Konzerte oder Theater erleben konnten», sagte Mallwitz. Dabei sei es vor allem darum gegangen, den jungen Leuten eine Möglichkeit zu geben, eine Leidenschaft für Musik zu entwickeln. «Ich glaube, als junger Mensch, der gerne Musik macht, braucht man dieses Miteinander. Man braucht diese Erfahrung, auf der Bühne zu stehen und etwas unter Lampenfieber zusammen aufzuführen.»
Menschen für klassische Musik und Theater zu begeistern, das ist nach zweieinhalb Jahren Corona-Krise nach Ansicht von Mallwitz umso wichtiger. «Jemand, der als Kind oder junger Mensch nie im Theater oder in einem Konzertsaal war, der weiß gar nicht, was er verpasst. Deshalb müssen wir die jungen Menschen abholen. Jeder Mensch, der hier hinkommt und einen Abend erlebt, wo der Funke überspringt, der wird das wieder suchen.»
Die Folgen der Pandemie sind im Kultur-Betrieb nach Aussagen von Mallwitz immer noch spürbar. «Ich bin überzeugt, dass der Durst der Menschen nach Kultur, Konzerten und Theater noch groß ist und dass sich das auch wieder in den Zahlen niederschlagen wird. Aber es braucht halt ein bisschen Zeit. Die Verunsicherung ist, glaube ich, einfach auch noch groß», sagte sie.
Das größte Problem sei allerdings der Personalmangel und der hohe Krankenstand. Eine Vorstellung am Theater könne nur stattfinden, wenn alle im Orchester und auf der Bühne da seien und außerdem alle Bühnenbild-Techniker, Tontechniker, Kostümbildner und Maskenbildner mit ihrer Arbeit fertig geworden seien, erläuterte Mallwitz. «Aushilfen zu finden, wenn jemand ausfällt, ist auch eine Riesenaufgabe, denn auch in anderen Orchestern sind viele krank.»
Mallwitz hofft, dass die Nürnberger Staatsphilharmonie auch in 100 Jahren noch in dieser Form existiert. «Ein Orchester ist auch ein lebendiges Gedächtnis - also, was in den letzten 100 Jahren gespielt wurde, wer hier mitgewirkt hat, wie sich der Klang entwickelt hat», sagte Mallwitz. Denn ein Orchester habe auch die Aufgabe, die großen Meisterwerke der Vergangenheit lebendig zu halten. «Man kann in ein Museum gehen und sich die Mona Lisa angucken, aber eine Beethoven-Symphonie muss man live erleben können.»