Dresden - Die Dresdner Theaterszene erhält an diesem Freitag auf einen Schlag vier neue Bühnen. Das frühere Kraftwerk Mitte wurde mit rund 100 Millionen Euro als Musentempel hergerichtet. Künftig residieren dort die Staatsoperette und das Theater Junge Generation (TJG). Für beide Einrichtungen endet damit ein Provisorium, das bis in ihre Anfänge in der Nachkriegszeit zurückreicht.
Die Staatsoperette spielte unter schwierigen Bedingungen in einer früheren Gaststätte im Osten der Stadt und befand sich genauso in einer Randlage wie das TJG in Dresden-Cotta.
Operetten-Intendant Wolfgang Schaller versprach dem Publikum, das Ensemble nun neu entdecken zu können: «Endlich sind wir befreit von den beiden schlimmsten Hindernissen für unsere Kunst im Nachkriegsprovisorium, der viel zu kleinen Bühne und der schädlichen Akustik. Endlich ist die Bühne groß genug, um unsere Solisten, Chormitglieder und Tänzer mit ihrer überwältigenden Ausstrahlung und in ihren opulenten Kostümen zur Geltung zu bringen.» Das TJG kündigte zur Eröffnung seiner drei Spielstätten im Kraftwerk (Kleine, Große und Studiobühne) sieben Premieren an und ist froh, endlich ins Zentrum der Stadt umziehen zu können.
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«Endlich sind wir befreit» - moderne Bühnen für Dresden
Jörg Schurig, dpa
Das Image Dresdens lässt sich derzeit je nach Betrachtungsweise auf wenige Schlagwörter verkürzen. Für die einen macht die Stadt Schlagzeilen mit fremdenfeindlichen Übergriffen, brüllenden Wutbürgern und deren peinlichen Ausfällen zur zentralen Feier am Tag der Deutschen Einheit. Doch für viele bleibt Dresden ein Sehnsuchtsort, eine barocke Schönheit mit ausgeprägtem Sinn für Kultur und Feingeist. All jenen liefert «Elbflorenz» jetzt neue Argumente.
Am Freitag öffnet in der sächsischen Landeshauptstadt eine fast 100 Millionen Euro teure neue Kulturstätte ihre Türen. Das frühere Kraftwerk Mitte wird ein Musentempel für die Staatsoperette und das Theater Junge Generation (TJG) - Deutschlands größtes Kinder- und Jugendtheater mit gleich drei Spielstätten.
Parallel dazu stemmt Dresden ein weiteres kulturelles Vorhaben gleichen Umfangs: Der zu DDR-Zeiten eröffnete Kulturpalast im Stadtzentrum wird umgebaut. Es soll ein erstklassiger Saal für die Philharmonie entstehen, zudem ein Domizil für die Stadtbibliothek und das Kabarett «Die Herkuleskeule». Die Eröffnung ist für April 2017 geplant.
Sechs moderne Bühnen bekommt die Stadt damit auf einen Streich. In Zeiten knapper kommunaler Kassen grenzt das fast an ein Wunder. Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) bleibt dennoch bescheiden und verweist darauf, dass Dresden damit ein Stück Normalität herstellt: «Denn es gab bei der Staatsoperette und dem TJG einen extremen Sanierungsstau. Die Stadt musste handeln.» Tatsächlich waren die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Häuser am Stadtrand unter schlechten Bedingungen lange zum Improvisieren gezwungen.
Gleiches lässt sich für die Philharmonie im 1969 eröffneten Kulturpalast sagen. Im Sommer 2012 lief hier die Betriebsgenehmigung aus. Im März 2007 war der Bau wegen Brandschutzmängeln schon einmal geschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der frühere Chefdirigent Marek Janowski die Stadt schon lange verlassen - aus Frust über den immer wieder aufgeschobenen Umbau des Saales. Seit 2012 spielt das Orchester mit seinem jetzigen Chef, Michael Sanderling, in Interimspielstätten.
In der Staatsoperette und im TJG ist das Aufatmen spürbar. Das Kinder- und Jugendtheater sei endlich im Zentrum angekommen, sagt TJG-Intendantin Felicitas Loewe und verspricht, sich fortan mit ihren Mitarbeitern gesellschaftlich noch stärker einzumischen. «Endlich sind wir befreit von den beiden schlimmsten Hindernissen für unsere Kunst im Nachkriegsprovisorium, der viel zu kleinen Bühne und der schädlichen Akustik», sagt Operetten-Intendant Wolfgang Schaller. Endlich sei die Bühne groß genug, um das Ensemble mit seiner Ausstrahlung und den opulenten Kostümen zur Geltung zu bringen.
Die Kulturbürgermeisterin spricht von einem Bekenntnis der Stadt zu ihren kulturellen Institutionen. Dabei sei Dresden noch lange nicht am Ende seiner Wünsche angelangt: «Als Kulturbürgermeisterin habe ich noch viele weitere Baustellen.»
In Dresden gibt es Pläne für eine Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025. Auch bei ihren Museen muss die Stadt nachlegen. Kurz vor Eröffnung des Kraftwerkes Mitte sind auch Misstöne zu vernehmen. Mitte November wurde bekannt, dass sich die Baukosten für beide Großprojekte um insgesamt zehn Millionen Euro verteuern. Und als der Stadtrat unlängst den Philharmonie-Etat um 250 000 Euro pro Jahr kürzte, kündigte Dirigent Sanderling seinen Abgang für das Jahr 2019 an. Die CDU-Opposition im Stadtrat warf dem rot-rot-grünen Bündnis eine «Mehrheit ohne Verstand» vor. Klepsch hofft darauf, dass sich die Wogen noch glätten lassen.