Sevilla/Dresden - Das Dresdner Elbtal ist von der Welterbeliste der UNESCO gestrichen worden. Das Welterbekomitee entschied auf seiner 33. Sitzung im spanischen Sevilla, den vor fünf Jahren verliehenen Titel wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke wieder abzuerkennen. Das teilte ein Sprecher der Deutschen UNESCO am Donnerstag mit. Es ist erst das zweite Mal, dass die UNESCO eine Welterbestätte von der Liste streicht. Seit 2006 stand das Dresdner Elbtal bereits auf der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten.
Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Kulturstaatssekretärs Joachim Hofmann-Göttig (SPD) wurde in geheimer Abstimmung über den Antrag auf sofortigen Entzug des Welterbestatus für das Dresdner Elbtal entschieden. Für diesen Antrag habe es nach den UNESCO-Statuten einer Zwei-Drittel-Mehrheit mit 14 Stimmen bedurft, teilte er mit. Der Antrag wurde dann mit 14 Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und fünf Nein-Stimmen angenommen. Nach der Entscheidung erklärte die Präsidentin des UN-Gremiums, María Jesús San Segundo: "Das ist für niemanden in der Welt ein schöner Moment. Wir teilen den Schmerz Deutschlands."
Zuvor hatten die 21 Komiteemitglieder - derzeit ist kein Deutscher unter ihnen - einen Antrag abgelehnt, Dresden auf der Roten Liste zu belassen und im kommenden Jahr über die Aberkennung des Welterbestatus zu entscheiden. Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) hatte zuvor dafür geworben und zu den Delegierten gesprochen.
Das Dresdner Elbtal wurde bereits 2006 auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbe-Stätten gesetzt. 2007 und 2008 gab es Gnadenfristen, zuletzt forderte die UNESCO einen Tunnelbau als Alternative. Der Bau der Brücke hatte Ende 2007 begonnen. 2011 soll die Flussquerung befahrbar sein. Der Stadt Dresden liegen bereits mehrere Bauanträge für die weitere Bebauung der nunmehr ehemaligen Weltkulturerbestätte vor....
Chronologie eines Brücken-Dilemmas
28. Januar 1994: Der Dresdner Stadtrat beschließt ein Verkehrskonzept, das zusätzlich zu den vorhandenen Elbbrücken eine weitere Flussquerung vorsieht.
15. August 1996: In der Amtszeit von Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) beschließt der Stadtrat den Bau einer weiteren Elbbrücke. Sie soll am Dresdner Waldschlößchen entstehen.
29. November 2000: Erster Spatenstich, mit dabei Dresdens OB Heribert Wagner (CDU) und Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU).
2. Juli 2004: Die UNESCO erklärt das Dresdner Elbtal auf seiner Sitzung im chinesischen Suzhou zum Weltkulturerbe.
20. Juli 2004: Der ADAC Sachsen startet gemeinsam mit Brückenbefürwortern im Stadtrat ein Bürgerbegehren.
7. September 2004: Der im Juni neu gewählte Stadtrat stoppt die Gelder für das Brückenprojekt. Erklärte Gegner des Großprojektes am Waldschlößchen sind die Bündnisgrünen, SPD, PDS und die Bürgerfraktion. Mit dem Stopp sind Kürzung von Fördergeldern verbunden.
27. Februar 2005: Beim Dresdner Bürgerentscheid sprechen sich 67,9 Prozent für den Bau der Brücke aus.
9. November 2005: Es stellt sich heraus, dass das Expertengutachten für die Aufnahme des Dresdner Elbtals in das UNESCO-Weltkulturerbe fehlerhaft ist. Die für das Gutachten zuständige Organisation Icomos räumt ein, die Lage der Brücke sei falsch angegeben worden.
11. Juli 2006: Das UNESCO-Welterbekomitee setzt das Elbtal bei seiner Sitzung in der litauischen Hauptstadt Vilnius auf die Rote Liste der gefährdeten Weltkulturgüter.
13. März 2007: Das Oberverwaltungsgericht Bautzen (OVG) gibt einer Beschwerde des Regierungspräsidiums Dresden statt. Demnach muss die Brücke gebaut und der Bürgerentscheid umgesetzt werden.
18. April 2007: Die Naturschutzverbände Grüne Liga, Bund und Nabu reichen beim Verwaltungsgericht Dresden einen Eilantrag gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Elbquerung ein, um einen Baustart zu verhindern. Zur Begründung führen sie auch fehlte Untersuchungen zur Gefährdung geschützter Vogelarten und von Fledermäusen wie der seltenen kleinen Hufeisennase an.
25. Juni 2007: Auf ihrer Sitzung im neuseeländischen Christchurch entscheidet die UNESCO, das Elbtal auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbestätten zu belassen.
9. August 2007: Das Verwaltungsgericht Dresden verhängt auf Eilantrag von Naturschutzverbänden einen vorläufigen Baustopp zum Schutz der Fledermausart Kleine Hufeisennase.
14. August 2007: Nachdem der Stadtrat angesichts der drohenden Aberkennung des Welterbetitels gegen den Brückenbau gestimmt hatte, ordnet das Regierungspräsidium an, mit dem Bau zu beginnen. Die Aufsichtsbehörde verweist darauf, dass der Volksentscheid für die Brücke bindend sei. Es folgt ein langer Rechtsstreit.
14. November 2007: Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hebt den vorläufigen Baustopp auf.
19. November 2007: Unter Protest hunderter Dresdner beginnen die Bauarbeiten für die Waldschlößchenbrücke im Elbtal.
14. Januar 2008: Brückengegner starten ein neues Bürgerbegehren «Welterbe erhalten - Elbtunnel bauen». Die legendäre Baumbesetzung einer gefährdeten Rotbuche durch Umweltaktivisten von „Robin Wood“ beginnt.
15. Januar 2008: Der Deutsche Kulturrat fordert ein Ende des umstrittenen Brückenbaus im Unesco-Welterbe Dresdner Elbtal. In einer Erklärung bedauert das Spitzengremium der Bundeskulturverbände, dass Sachsen unbeirrt am Kurs festhalte, die Waldschlößchenbrücke zu bauen.
28. Januar 2008: Ein überarbeiteter Entwurf der Brücke wird veröffentlicht, der den Welterbetitel retten soll. Der ehemalige Baudirektor der Frauenkirche, Eberhard Burger, und Brückenarchitekt Henry Ripke stellen die Umplanungen vor.
11. März 2008: Vertreter der Tunnel-Initiative reichen das Bürgerbegehren für einen Tunnelbau offiziell ein.
17. April 2008: "Robin Wood" besetzen auf der Baustelle der umstrittenen Waldschlößchenbrücke einen Baukran. Motto: „Politik für Menschen statt für Autos“
12. Juni 2008: Das Regierungspräsidium Dresden lehnt das Tunnelbegehren ab und erklärt einen Stadtratsbeschluss zugunsten des Bürgerbegehrens für unzulässig.
19. Juni 2008: Das Verwaltungsgericht Dresden befasst sich im Hauptsacheverfahren mit der Klage von Naturschutzverbänden. Es geht erneut um die Kleine Hufeisennase und weitere geschützte Tierarten wie den Käfer Eremit und die Libelle Grüne Keiljungfer.
30. Juni 2008: Das Kuratorium Unesco-Welterbe Dresdner Elbtal beschließt auf seiner 12. Sitzung einstimmig, vom Amt zurückzutreten. Die ihm übertragene Aufgabe sei „unerfüllbar geworden“, der „Gedanke des Welterbes nicht mehr vermittelbar“, heißt es in einer Erklärung.
3./4. Juli 2008: Das Welterbekomitee der UNESCO entscheidet auf seiner Sitzung im kanadischen Quebec, das Dresdner Elbtal zunächst auf der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten zu belassen.
16. September 2008: Das Verwaltungsgericht Dresden lehnt den von Naturschutzverbänden beantragten sofortigen Baustopp der Waldschlößchenbrücke ab.
8. Oktober 2008: Das OVG in Bautzen bestätigt die Ablehnung eines Eilantrags durch das Verwaltungsgericht Dresden vom 20. Mai auf vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens.
30. Oktober 2008: Das Verwaltungsgericht Dresden lehnt die Klage der Naturschutzverbände ab. Das Urteil: „Die Tunnellösung ist keine vorzugswürdige Variante.“ Die unterirdische Querung sei teurer als die Brücke. Der Bau gefährde die Umwelt.
26. März 2009: Die Naturschutzverbände legen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung beim Oberverwaltungsgericht Bautzen ein.
19. Juni 2009: Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz reist nach Sevilla, um bei der Tagung des Welterbekomitees der Unesco ihre Position zu verdeutlichen. Ihr Ziel ist es, beim entscheidenden Tagesordnungspunkt an diesem Dienstag eine Aufschub der Entscheidung zu erreichen. Mit Blick auf den drohenden Verlust des Welterbe-Titels sagte sie vor dem Abflug, wenn die Brücke fertig sei, werde sich zeigen, dass sie auf die „Blickkomposition nicht störend“ wirke.
25. Juni 2009: Das UNESCO-Welterbekomitee streicht das Elbtal im spanischen Sevilla endgültig von der Welterbeliste.