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«Echte Menschen, ist das schön» - Berliner Bühnen wagen ein Pilotprojekt

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Berlin (dpa) - Manche Bilder wirken wie aus fernen Zeiten. Eine Warteschlange vor dem Theater, ein Saal voller Menschen. Nach monatelanger Pause spielt in Berlin die erste Bühne wieder vor Publikum. Das Berliner Ensemble hat am Freitagabend für eine Testvorstellung von «Panikherz» geöffnet. Aber was wird da eigentlich getestet? Und ob man noch weiß, was das ist, so ein Theater?

Viele Menschen haben sich in den vergangenen Monaten ans Sofa gewöhnen müssen. An das Zappen durchs Fernsehprogramm und die Programmvorschau von Netflix. Etliche Theater stellten Aufzeichnungen online oder zeigten Premieren live im Netz. Klar, das war dann schon Pandemieprogramm zum Angeben.

Aber mit einem wirklichen Theaterbesuch hat das wenig gemein. Seit rund fünf Monaten sind Kinos, Theater, Konzertsäle und Opernhäuser wieder geschlossen. In Berlin wagen nun mehrere große Häuser einen Probelauf. Sie wollen prüfen, wie aufwendig es zum Beispiel wäre, das Publikum vorab auf das Coronavirus testen zu lassen.

Der Theaterbesuch beginnt also diesmal nicht mit Small Talk an der Garderobe, sondern Stunden vorher in einem externen Testzentrum. Während im Hintergrund leise Musik dudelt, arbeitet sich eine Mitarbeiterin mit einem Stäbchen das Nasenloch hoch.

Das Ergebnis kommt aufs Handy. Man muss es mit Ticket und Ausweis am Theater vorzeigen. Am Einlass bilden sich lange Schlangen. «Die wollen zu McDonald's», scherzt einer. Es ist einer dieser eisigen Abende in Berlin. In den Kneipen am Spreeufer bleibt es dunkel.

Dass mit Schnelltests wieder mehr Leben möglich ist, darauf hoffen viele. Tübingen will mit einem «Tagesticket» manches möglich machen. Auch bei den Bayreuther Festspielen könnten Schnelltests in diesem Jahr eine wichtige Rolle spielen, wie Bayerns Kunstminister Bernd Sibler dem «Nordbayerischen Kurier» sagte. Allerdings dürften wohl trotzdem weniger Menschen in den Saal.

Auch im Berliner Ensemble bleibt jeder zweite Platz gesperrt. «Schachbrettmuster» heißt das. Für das Berliner Pilotprojekt haben sich mehrere Kultureinrichtungen zusammengetan. Bis Anfang April sind insgesamt neun Veranstaltungen geplant. Der Theaterabend kostet Besucher 20 Euro, inklusive SARS-CoV-2-Antigen-Test.

In der Berliner Philharmonie ist an diesem Samstag ein Konzert vor rund 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern geplant. Chefdirigent Kirill Petrenko und sein Orchester spielen das erste Mal seit einem Jahr wieder vor so großem Publikum. Die Tickets für das Testkonzert und die beiden Theatervorstellungen von «Panikherz» an diesem Wochenende waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft.

Bevor der Einlass am Berliner Ensemble beginnt, gehen wieder Eilmeldungen über die Nachrichtenticker. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) macht deutlich, dass Lockerungen zurückgenommen werden sollten. Die Politik achtet dabei unter anderem auf die bundesweiten Infektionszahlen - und die sind zuletzt deutlich gestiegen.

Theatermacher Oliver Reese findet, eine Öffnung der Kultur sei auch ohne Festhalten an Inzidenzen möglich. Als Intendant des Berliner Ensembles verweist er auf bestehende Konzepte. Mit dem Ticket werden Kontaktdaten erfasst, es muss Mund-Nasen-Schutz getragen und Abstand gehalten werden. Die Tests seien ein zusätzliches Sicherheitsnetz.

Ähnlich argumentieren Kinobetreiber. Die Kinos hätten in Sicherheitskonzepte investiert - beim Impfen und Testen sei der Staat in der Pflicht. «Es muss flächendeckend kostenlose Tests geben», sagt Christian Bräuer vom Branchenverband AG Kino - Gilde. Wichtig sei, dass man unkompliziert etwa in der Apotheke um die Ecke einen kostenlosen Test machen könne. Dann könne das helfen.

Solche Schnelltests schlagen vor allem bei Infizierten in der hochansteckenden Phase recht zuverlässig an. Aber das Testergebnis zeigt nur eine Momentaufnahme und kann auch falsch sein. Ein weiteres Argument im Lockdown: Selbst wenn in einem Theater Hygieneregeln gelten, müssen die Menschen erst einmal dorthin kommen. Vielleicht fahren sie U-Bahn. Sie bewegen sich mehr und haben automatisch mehr Kontakte.

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte betont, für ihn sei das Projekt eine Blaupause um zu testen, wie Kulturveranstaltungen sicher funktionieren könnten. Die Ergebnisse sollen ausgewertet und anderen zur Verfügung gestellt werden. Lederers Senatsverwaltung hält an dem Projekt fest. Unklar ist aber, wann Bühnen wieder regulär öffnen.

Am Berliner Ensemble jedenfalls tut sich mal wieder etwas. Einer der Schauspieler ruft während der Vorstellung, wie schön es sei, wieder Theater zu spielen. Aufgeführt wird «Panikherz». Autor Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt darin von Musik, Kokainsucht, Essstörungen. Nach der Vorstellung steht er plötzlich selbst auf der Bühne. Er guckt ins Publikum und sagt: «Echte Menschen, ist das schön.»

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