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Ehrfurcht und Stolz: Semperoper feiert Wiedereröffnung vor 30 Jahren

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Dresden - Es war so etwas wie ein vorweggenommener Mauerfall. Als am 13. Februar 1985, dem 40. Jahrestag ihrer Zerstörung, die Dresdner Semperoper wiedereröffnet wurde, saßen im Publikum Ost und West harmonisch vereint. Ex-Kanzler Helmut Schmidt (SPD) war genauso angereist wie Niedersachsens Regierungschef Ernst Albrecht (CDU). Die Nationalhymne der DDR diente als Ouvertüre.

Danach hob sich der Vorhang für Carl Maria von Webers «Freischütz». Regisseur Joachim Herz hatte das Werk im Dreißigjährigen Krieg angesiedelt. Das Fernsehpublikum bekam eine Aufzeichnung zu sehen. Kein Zwischenfall oder Misstöne sollten das Ereignis trüben.

Für Sänger Rolf Wollrad hat sich das Datum für immer ins Gedächtnis gebrannt. «Wir hatten große Ehrfurcht vor diesem Haus mit seiner reichen Geschichte - und wussten nicht, ob wir alle darin bestehen könnten. Das Gefühl der Demut überwog», erinnert sich der Bass. Wollrad, Jahrgang 1938, war damals schon eine Institution an der Oper. Später sollte er als Operndirektor und Stellvertreter des Intendanten die Geschicke des Hauses maßgeblich mitprägen. Der Wiederaufbau der Semperoper, die wie viele Gebäude bei der Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 zerstört wurde, sei eine Glanzleistung gewesen, sagt der Künstler.

Tatsächlich nötigt das Projekt Respekt ab. Rund 225 Millionen DDR- Mark flossen in den Bau. Weiteres Geld kam Werkstätten und drei Neubauten hinter der Oper zugute. Bis auf ein wenig Blattgold war alles «Made in GDR». Die Dresdner Einwohner nahmen regen Anteil an dem Vorhaben. Zur Eröffnung strömten Tausende bei klirrender Kälte zu einer Kundgebung auf den Theaterplatz. Hans Modrow, vorletzter Ministerpräsident der DDR und in den 1980er Jahren SED-Chef im Bezirk Dresden, ist sich heute noch sicher, dass die Leute freiwillig kamen.

Mit der Wiedereröffnung des Opernhauses verbesserten sich auch die Bedingungen für die Mitarbeiter der Staatsoper. Bis dato hatte man sich die Bühne mit den Mimen im Großen Haus des Staatsschauspiels teilen müssen. Als dann nach der Wende in der DDR mehr und mehr namhafte Sängerinnen und Sänger aus dem In- und Ausland an die Semperoper kamen, stimmte auch die Balance zwischen Orchestergraben und Bühne. Bis dahin hatte meist nur die Staatskapelle Dresden für Glanz gesorgt. «Ich weiß noch wie Musiker zu mir sagten: Endlich klingt das mal so richtig gut von oben», erzählt Wollrad.

Der Umbruch in der DDR leitete eine neue Phase für die Oper ein. Der erste Intendant dieser Zeit wurde noch demokratisch von den Mitarbeitern gewählt. Mehr als ein Dutzend Kandidaten hatten sich beworben. Am Ende machte einer das Rennen, der seinen Hut gar nicht in den Ring geworfen hatte: Christoph Albrecht kam vom Ballett aus Hamburg und musste die Semperoper zunächst durch unruhiges Fahrwasser manövrieren. Er brachte Sänger an die Oper, die hiesige Fans bislang nur von Platten oder aus dem Fernsehen kannten.

Dass der Orchestergraben zu klein ausgefallen war, blieb ein Schönheitsfehler der wiedererrichteten Oper. Anfang der 1990er Jahre wurde Abhilfe geschaffen und so auch eine Aufführung von Richard Wagners «Ring des Nibelungen» möglich. Die Werbekampagne einer sächsischen Brauerei machte das Bauwerk von Architekt Gottfried Semper (1803-1879) allabendlich zur Primetime auch bei Leuten bekannt, die mit Oper sonst nicht viel am Hut haben. Der spätere Intendant Gerd Uecker sah in der Kampagne allerdings nicht nur einen Glücksfall, war doch bei manchen der Eindruck entstanden, in dem Gebäude werde Bier gebraut.

Drei Jahrzehnte nach ihrer Wiedereröffnung steht die Semperoper weniger wegen Inszenierungen im Fokus. Personalquerelen um den designierten und noch vor seinem Amtsantritt wieder entlassenen Intendanten Serge Dorny brachten das Haus vor einem Jahr in die Schlagzeilen.

Seit Sommer 2012, als Intendantin Ulrike Hessler (57) starb, ist die Semperoper ohne Chef und wird vom Kaufmännischen Direktor Wolfgang Rothe interimsmäßig geleitet. Wollrad wünscht sich, dass Dresden wieder mehr mit guter Regie und sängerischen Leistungen von sich reden macht. In einem Punkt ist man an der Elbe freilich spitze: Seit 30 Jahren liegt die Auslastung oberhalb von 90 Prozent. 

Jörg Schurig



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