Ausgerechnet ein Vokalensemble ruft während des Gesprächs an. Freundlich vertröstet Klaus Wenk die Anruferin und bittet darum, sich erst in einem halben Jahr wieder zu melden! Bis vor einem Jahr stand er selbst noch als hoher Tenor mit Singer Pur auf internationalen Konzertbühnen, nun ist er als Leiter für das Programm und den Betrieb eines neu gebauten Kultur- und Begegnungszentrums zuständig.
Die unmittelbar an die Stadt Regensburg angrenzende Marktgemeinde Lappersdorf kann sich das vollständig mit kupfergolden glänzenden Platten verkleidete Gebäude namens „Aurelium“ durchaus leisten, doch war das Projekt nach einer kommunalpolitisch komplizierten Genese und einem Machtwechsel im Gemeinderat nicht unumstritten. Klaus Wenk will nun auch die Skeptiker überzeugen und mit eigenen Ideen die Zukunft eines Hauses gestalten, das über einen durchaus beachtlichen Konzertsaal mit bis zu 600 Plätzen verfügen wird.
Vor einem Jahr war er als Leiter verpflichtet worden; offenbar konnte er mit seiner künstlerisch geprägten Vita, in Kombination mit Erfahrungen als Kulturorganisator (unter anderem als Mitbegründer des Festivals Stimmwercktage) gegenüber Mitwerbern mit betriebswirtschaftlichem oder Kulturmanagement-Hintergrund punkten. „Ich habe ganz klar gesagt, wo ich herkomme, welche Erfahrungen ich für diese Aufgabe mitbringe und welche nicht, dass ich mir aber durchaus zutraue, auch mal eine Gewerbeschau zu organisieren.“ Denn das Aurelium wird neben der Nutzung als Konzert- und Veranstaltungsort sowie als Bürgerzentrum, in dem örtliche Vereine und Gruppen Hausrecht haben, auch für Firmenveranstaltungen und ähnliche Vermietungen offen sein, um einen Teil der laufenden Kosten zu decken.
Bei der eigenen Programmplanung will Klaus Wenk einerseits Akzente im Bereich der klassischen Musik setzen, wobei die Saal- und Bühnengröße vom Liederabend bis hin zu einem größer besetzten Kammerorchester einen weiten Spielraum zulässt. Andererseits muss und will er auch die Bereiche Jazz, Pop und Folk (aus Bayern und anderswo) bedienen, wobei ihn vor allem die Grenzbereiche zwischen den Genres interessieren. „Ich will hier kein elitäres, abgehobenes Programm aufziehen, aber ein niveauvolles“, sagt Wenk und markiert diesen Anspruch mit dem Eröffnungskonzert des Georgischen Kammerorchesters am 17. April. Es folgen Ensembles wie das Modern String Quartet, die Unterbiberger Hofmusik, Quadro Nuevo, das Lorenz Kellhuber Trio oder das Aris Quartett.
Schuberts „Winterreise“ mit Thomas Bauer und Siegfried Mauser wiederum steht für die angestrebte Achse in Richtung Bayerischer Wald, wo das Konzerthaus Blaibach sich seit seinem Bestehen einen überregionalen Ruf erarbeitet hat. Weitere Kooperationen bahnen sich an – so steuert die Regensburger Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik eine Aufführung der Orff’schen „Carmina Burana“ in der Fassung für zwei Klaviere und Schlagzeug bei.
Mit seinem Hochschul-Lehrauftrag und seiner Mitwirkung beim Vokalensemble Stimmwerck hält Klaus Wenk Kontakt zu seinem früheren Leben, das über 20 Jahre lang von der Arbeit mit Singer Pur geprägt war. Vor gro-ßer Abschieds-Sentimentalität hat ihn im vergangenen Sommer die koreanische Komponistin Younghi Pagh-Paan bewahrt. Ausgerechnet bei seinem letzten Auftritt mit Singer Pur stand in Schwäbisch Gmünd die Uraufführung ihres Stücks „In deinem Licht sehen wir: das Licht“ an. „Das ist ein Zehn-Minuten-Hammer, wahnsinnig komplexe Musik“, erinnert sich Klaus Wenk. „Diese Anspannung lag über dem ganzen Konzert, so dass mir auch die Stücke des Programms, die ich besonders liebe, nichts anhaben konnten.“ Ein besonderer Moment sei es dann aber gewesen, das Ensemble in seiner neuen Besetzung im Konzert zu hören. „Wenn man den Hintergrund kennt, mit den Stücken vertraut ist und weiß, wie schwer es ist, diesen gemeinsamen Klang zu finden, hört man das ganz anders. Bewundert habe ich dabei meinen Nachfolger Rüdiger Ballhorn und mich gefragt, wie ich so lange da oben, in dieser hohen Lage habe singen können …“
Die Vokalszene beobachtet er nach wie vor mit großem Interesse und freut sich über die vielen jungen Gruppen, die dem Trend zum A-cappella-Pop trotzend pur und unverstärkt singen wollen. Besonders liegt ihm dabei die zeitgenössische Musik („sehr lehrreich, sie putzt das Gehör“) und die Vokalpolyphonie am Herzen: „Homophone Klänge, zum Beispiel der Romantik, sauber zu singen, ist relativ einfach, wenn man ein Gehör dafür entwickelt hat. Aber eine Phrase, ein soggetto eines polyphonen Satzes zu gestalten, darauf zu hören, wie es der andere vorgesungen hat und es dann nachzumachen, das ist die große Kunst. Wer Polyphonie singen kann, hat’s verstanden.“ Vielleicht auch das passende Motto angesichts der Vielstimmigkeit von Kulturpolitik und Musikveranstaltungsbetrieb.