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Dakar/Bangui - Wieder versinkt in Afrika ein Land in Grauen und Gewalt. Muslime und Christen begehen in Zentralafrika schlimmste Massaker aneinander. Jetzt wollen afrikanische Musikstars die Welt aufschrecken und die Täter zum Frieden mahnen. Was kann «One Africa» bewirken?
Musikalische Unternehmungen mit dem Ziel, die Weltgemeinschaft aufzurütteln, sind nicht neu. Unvergessen bleibt Bob Geldofs «Do They Know It's Christmas», das der Ire 1984 mit einer Gruppe von internationalen Superstars einspielte, um auf die Hungersnot in Äthiopien aufmerksam zu machen. Ein Jahr später kam das von Michael Jackson und Lionel Richie geschriebene «We Are The World» auf den Markt - wiederum ein Aufruf, den Dürreopfern in Afrika zu helfen.
Jetzt hat der senegalesische Musikstar Youssou N'Dour (54)zusammen mit der zentralafrikanischen Sängerin Idylle Mamba das Lied «One Africa» aufgenommen. Neu ist, dass es dieses Mal Afrikaner selbst sind, die aufrütteln wollen. Und es geht dabei nicht um Hunger, sondern um einen brutalen Konflikt der Religionen.
In der Zentralafrikanischen Republik, einem trotz reicher Diamantvorkommen bitterarmen Land, bekämpfen sich seit knapp einem Jahr Christen und Muslime. Die Brutalität, mit der beide Seiten dabei vorgehen, kennt keine Grenzen mehr. Nur wegen ihrer Religionszugehörigkeit werden Bürger niedergemetzelt, in Stücke gehackt und auf offener Straße verbrannt. Truppen der Afrikanischen Union und aus der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich entsandte Soldaten scheinen machtlos gegen derart blutrünstigen Hass. Aber kann Musik etwas ändern?
«Youssou N'Dour setzt sich für eine bessere Zukunft Afrikas ein», teilte das Management des Grammy-Gewinners nach der Veröffentlichung des auf Französisch gesungenen Songs mit. «Deshalb hat der das Lied aufgenommen: Er will die Internationale Gemeinschaft dazu aufrufen, den Konflikt in Zentralafrika zu beenden und dort langfristigen Frieden zu sichern.» Deshalb hat sich der Muslim N'Dour («Seven Seconds») die Christin Idylle Mamba - die als «goldene Stimme» Zentralafrikas bekannt ist - als Partnerin für das Duett ausgesucht.
«Unser Ziel ist es, dass die Menschen in Zentralafrika das Lied hören», sagte der Sänger in einem Interview mit dem Sender «Banguiwood». «Die Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen und Religionen sollten kein Hindernis sein, sondern vielmehr eine Bereicherung.» Der Weltmusiker, der seit 2012 zeitweise Kulturminister im Senegal war, ist heute ein enger Berater von Präsident Macky Sall.
«Im Senegal sind 95 Prozent aller Bürger Muslime, und wir leben in Harmonie mit den Christen», betonte N'Dour beim französischen TV-Sender «Le Parisien». Sein Land sei ein Beispiel dafür, was in Afrika alles möglich sei. «Die Bilder, die uns aus Zentralafrika erreichen, sind eine Katastrophe für unseren Kontinent», sagte er. «Ich habe dieses Lied für ganz Afrika aufgenommen. Es ist ein Aufruf an die Menschen, der sagt: "Hört auf! Afrika muss nach vorne blicken."»
In dem Friedenslied singen N'Dour und Mamba unter anderem: «Senegal und Zentralafrika, gemeinsam beten wir für ein vereintes Afrika», und weiter: «Christen und Muslime sind von gleichem Blut». Das Video, das die beiden dazu gedreht haben, zeigt gleichzeitig Hoffnung und Verderben: Immer wieder taucht das Wort «Paix» - Frieden - auf Schriftbannern auf, christliche Geistliche und Imame umarmen sich freundschaftlich, Kinder lachen, Menschen tanzen. Aber dann gibt es auch Bilder von Flüchtlingen, Kindern, die den Tod ihrer Eltern beklagen, Gewalt und abgebrannten Häusern.
Im Internet feierten Fans den Song. Youssou N'Dour sei der «Botschafter der Schwarzen», kommentierte ein Mann aus Zentralafrika und ein Landsmann meinte: «Ich fordere alle meine Mitbürger dazu auf, sich dieses Lied anzuhören.»
Ob das dazu beitragen kann, dass muslimische Rebellen oder christliche Bürgermilizen ihre Macheten niederlegen, bleibt aber fraglich. Denn das Morden in dem Land im Herzen Afrikas geht unvermindert weiter. Lieder haben selten die Welt verändert, Hunger gestillt oder Frieden geschaffen. Aber einen Versuch ist es wert - und allemal besser als die Menschen in Zentralafrika resigniert ihrem Schicksal zu überlassen. Deshalb ist «One Africa» nicht nur eine schöne Illusion, sondern ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Carola Frentzen