120.000 Demonstranten fanden sich am 19. Februar auf dem Heldenplatz zum Protest gegen Haider ein. Unter den zahlreichen Rednern aus dem Kulturbereich meldete sich – sozusagen für die Musiker – die Komponistin Olga Neuwirth zu Wort. Ihre Rede druckt die nmz leicht gekürzt nach. Inzwischen ist Haider als Chef der FPÖ zurückgetreten, vermutlich nur ein strategischer Rückzug. Vielleicht hat aber auch das „andere“ Österreich einen ersten Erfolg errungen. Welche Auswirkungen die weiterhin regierende schwarz-blaue Koalition auf Österreichs Kulturpolitik haben wird, ist noch nicht abzusehen. Die neue musikzeitung befragte Komponisten nach ihrer Einschätzung. Und auf Seite 59 räumt die nmz-Redaktion der Unterschriftenaktion „Nicht mit uns“, einer privaten Initiative österreichischer Musiker, eine kostenfreie Anzeige ein.
Nicht wegjodeln lassen
Als Künstler-Vertreterin einer jüngeren Generation stehe ich jetzt hier oben und zwar als eine doppelt getroffene: Es gibt kein Kunst- und kein Frauenministerium mehr. Beide in den 70er-Jahren schwer erkämpften Ministerien wurden in kürzester Zeit abgeschafft. Wohl ein Zeichen dafür, wie wenig der politischen Klasse diese beiden Bereiche bedeuten. Kann ich als Komponistin auf meinem Terrain, mit Musik protestieren? Dennoch will ich dort, wo gehandelt wird, nicht schweigen. In einer Zeit, die Kunst und Künstler verleugnet, sie als nutzlos, als Kuriosität wahrnimmt, macht der Künstler das, was er muss, und spricht so von dem, was nichts nützt. Dies ist die einzige Art von Reaktion, die ihm in Momenten der Krise, des Chaos, der Verletzung von Menschenrechten, Intoleranz und Zeiten der Unsicherheiten bleibt. Die Fähigkeit in den Mitteln des Mitreißens, der Spannung, der bewussten Anwendung von Prinzipien des Ausdrucks und des Baus sowie die Bewusstmachung des schöpferischen Akts, ist des Künstlers einzige Möglichkeit des Reagierens. Obwohl uns Komponisten das Wort fehlt – um mit Schönbergs Opernfigur Moses zu sprechen: „Oh Wort, du Wort, das mir fehlt“ – können wir mit rein musikalischen Mitteln vielleicht auch Protest demonstrieren. So war für mich das Konzertprogramm mit Bergs Drei Orchesterstücken und Mahlers Sechster Symphonie im Konzerthaus Wien am 4.2., dem Tag der Regierungsangelobung, ein solcher – ein denkwürdiges Konzert.[1] Es erinnerte daran, dass vor sechzig Jahren die Musik der österreichischen Komponisten Berg und Mahler noch als „entartete Kunst“ galt. Das österreichische Problem ist nicht Schuld, sondern der Glaube, sich um das Eingeständnis der Schuld und des Schuldig-Geworden-Seins herumdrücken zu können. Der Glaube, dass es da eine Hintertür gibt, war immer da, und jetzt will er wieder herrschen. Für mich als Komponistin kann der Sinn von Musik nicht darin liegen, Menschen mit Verheißungen einer alle Grenzen überbrückenden Gemeinsamkeit einzulullen und gefügig zu machen. Ich kann die Wirklichkeit nicht besser machen als sie ist. Ich möchte bewusst denkende Menschen, Selberdenker als Zuhörer haben, die in der Musik und in der Kunst überhaupt die Widerspiegelung des suchenden Menschen sehen, der entschlossen ist, das Gewohnte zu begreifen, das Herrschende zu überwinden und ins Unbekannte vorzustoßen – der daher seiner Umgebung gegenüber offener und toleranter ist.
Ich WILL mich NICHT wegjodeln lassen, auch wenn auf der Gerlitzen keine „Weltkatzenmusik“ erwünscht ist![2] Was ich von der „entarteten Kunst“ lernen konnte, ist wachsam bleiben und nochmals wachsam bleiben. Daher möchte ich nun mit einem Ausschnitt aus einem Lied von Hanns Eisler, der auch als „entarteter Künstler“ galt, enden: „Vorwärts und nicht vergessen, die Solidarität!“
Rede von Olga Neuwirth bei der Großdemonstration in Wien vom 19.2.2000 gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ
Anmerkungen
[1] In diesem Konzert dirigierte Pierre Boulez neben Berg und Mahler auch Clinamen/Nodus, das neue Werk für Streicher, Schlagzeug und Celesta von Olga Neuwirth.
[2] Gerlitzen ist der Ort, wo der umstrittene Führer der Freiheitlichen Partei seinen 50. Geburtstag feierte und den hier zitierten Ausspruch machte.
Bitterer Ehrgeiz
wie man sieht, beginnt sich die regierung in österreich bereits von innen aufzulösen... ein minister krüger, der saufgelage nicht von medienauftritten unterscheiden kann, muss gehen, andere streiten immer noch um ihre gage ... bei den bitter ehrgeizigen övp-protagonisten wird es vermutlich noch etwas länger dauern ... ein haufen von sprücheklopfern? ... die künstler, die emsig auf den medienzug aufspringen, nicht weniger?... das internationale getue? ... amerika, ein land mit todesstrafe! ... na ja ... für die interne österreichische diskussion ist es gut ... zum beispiel, die schreibkultur fast aller österreichischen medien ist (vorläufig) deutlich differenzierter geworden ... in diesem punkt ein herzliches dankeschön an die EU ...
Wolfgang Mitterer
Musikleben mit Haider
Nein, die sogenannte FPÖ ist keine Partei, die „Populismus“ so definiert, dass sie alles, aber auch ganz und gar alles tun würde, nur um an die Macht zu gelangen. Wer dies behauptet, lügt sich selbst in die Tasche. Diese – nach Eigendefinition – „Bewegung“ hat ein klar formuliertes politisches Konzept: Die sozialen Gegensätze zu verschärfen und jenen Menschen, deren finanzielle Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeschränkt wurden, dann als Ersatz dafür nationalistische Emotionen zu vermitteln. In Plakaten hat diese sogenannte „FPÖ“ unmissverständlich gesagt, was sie will:
– Hetze gegen jene Menschen, die in Österreich leben und eine andere Sprache sprechen, eine andere Kultur haben, eine andere Religion ausüben – was sie ihnen antun will, hat sie allerdings nie öffentlich gesagt.
– Einmischung in künstlerische Belange, an-den-Pranger-stellen willkürlich herausgegriffener einzelner künstlerischer Persönlichkeiten – bis jetzt sind es Jelinek und Peymann gewesen, wer der oder die nächste sein wird, wissen wir noch nicht.
Die Exponenten dieser sogenannten „FPÖ“ warnen vor der „Umvolkung“ Österreichs und sprechen von der „anständigen Gesinnung“ jener Waffen-SS-Angehörigen, die heute noch auf das stolz sind, was sie damals getan haben. „Bewegungen“ wie diese sogenannte „FPÖ“ hat es (auch nach 1945) immer wieder gegeben. Sie waren, solange sie eine kleine Minderheit von Ewiggestrigen bildeten, eine zwar widerwärtige, aber letztlich ungefährliche rechtsextreme Randerscheinung.
Dass diese Randerscheinung in Österreich immer mächtiger wurde – dank tatkräftiger Mithilfe eines De-facto-Medienmonopols („Kronen-Zeitung“) und einer rot-schwarzen Koalition, die in vorauseilendem Gehorsam versucht hatte, die „FPÖ“ rechts zu überholen – und jetzt durch die Unterstützung einer ehemals christlich-sozialen Partei an die Regierung gelangt ist, empfinde ich als den Beginn einer Katastrophe. Die Präsenz dieser Katastrophe drängt sich in meine Arbeit, immer mehr stelle ich mir die Frage, wozu ich Musik mache, wofür und gegen was ich ansinge...
Die Tatsache, dass die Zeiten staatlicher Unterstützung der Kompositionstätigkeit endgültig vorbei sind, die Erfahrung, dass Vereinbarungen mit kleineren und alternativen musikalischen Veranstaltungen auf Grund ihrer finanziellen Aushungerung nicht eingehalten werden können, machen sich im Vergleich dazu geradezu lächerlich unbedeutend aus.
Georg F. Haas
Tragische Situation
In den letzten Wochen wurde bereits soviel gesagt, geschrieben und durch die Medien aufbereitet, dass sich Zweifel einstellen, ob eine weitere Stellungnahme „zur Lage der österreichischen Nation“ tatsächlich einen Mehrwert an Information, Proteststärke oder Einsicht erbringen kann. Dies umso mehr, als praktisch jede Wortmeldung des nunmehr weltbekannten Kärntner Landeshauptmanns jahrelang von den Medien dankbar aufgenommen und kommentiert wurde, was ja nicht unerheblich an der Konstruktion des Phänomens J. H. mitgewirkt hat. Damit soll nicht jenen das Wort geredet werden, die eindeutig zurückzuweisende Äußerungen bagatellisieren oder verschweigen wollen, aber es stellt sich doch die Frage, ob man der Rolle des vielzitierten Politikers nicht eher dadurch gerecht wird, ihn – um mit Karl Kraus zu sprechen – nicht einmal zu ignorieren. Mittlerweile befinden wir uns – theatralisch gesprochen – in der „tragisch“ anmutenden Situation, von zwei Möglichkeiten immer nur die falsche wählen zu können. Sowohl Ausgrenzung als auch Einbindung der FPÖ führen in dieser aufgeheizten Atmosphäre zu Widerspruch, Protest und Beifall.
Was Reaktionen meiner Kollegen/-innen anbetrifft, so halte ich sowohl jene von Elfriede Jelinek als auch jene von Franz Xaver Kroetz für richtig und gut. Unterschiedliche, vielleicht sogar gegensätzliche Haltungen stellen nicht zwangsläufig Widersprüche dar, sondern sind Ausdruck einer wünschenswerten Differenzierung.
Als Künstler versucht man, ganz allgemein zur Sensibilisierung der u uWahrnehmung beizutragen, als Komponist bedient man sich dazu vor allem abstrakter Mittel, die sich nicht unmittelbar in wirklichkeitsnahe Bilder, Geschichten oder konkrete Anschauungen übertragen lassen. Gerade deshalb scheint mir Präzision unabdingbar, aber nicht nur in der Kunst! Es beunruhigt mich zutiefst, wenn Politiker mit Ungenauigkeiten, Halbwahrheiten, Vorurteilen arbeiten (oder spielen?) und damit ein emotionalisiertes Klima schaffen, das das Auge blind und das Ohr taub macht.
Gerd Kühr
Gefährliche Wirtshauspolitik
Diese Haidersache ist störend. Aber der Druck vom Ausland ist nicht richtig. Haider sagt ja heute nichts anderes wie früher, die Leute haben das leider nicht ernst genug genommen. Der Schüssel war und ist ein sehr ehrgeiziger Bursch’, der hat einfach mit der falschen Partei koaliert. Kürzlich sagte ich bei einem Auftritt im österreichischen Fernsehen: „Wenn wir weiter ein Teil Welt, ein Teil der Weltwirtschaft bleiben wollen, dann müssen wir etwas ändern. Wollen wir uns aber abschließen von allen und uns als Land isolieren, dann sind wir jetzt auf dem richtigen Weg.“ Das Gefährliche an Haider ist, dass er ein Stammtischpolitiker ist. Auch das Hitlerregime kam aus dem Wirtshaus. In New York, wo ich wohne, ist das Ganze nicht so ein Thema zur Zeit. Österreich ist ein demokratisches Land, letztlich ist auch diese Regierung demokratisch legitimiert. Ich persönlich bin total gegen dieses Regime. Was aber kann man machen? Wir haben demonstriert, vor dem Bundeskanzleramt finden regelmäßig Demonstrationen statt. Der Bundeskanzler und seine Mitarbeiter müssen in der Nacht durch den Kellerdurchgang nach Hause gehen, weil die Leute draußen schreien.
Joe Zawinul