Der im doppelten Sinne schwergewichtige Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ befasst sich in zwei Kapiteln auch ausführlich mit dem Urheberrecht und dem Recht der Verwertungsgesellschaften. Der Blick von der Warte der Kulturpolitik tut dem Thema ausgesprochen gut – stehen doch allzu oft bei Behandlung des Urheberrechts industriepolitische oder Verbraucherschutz-Gesichtspunkte im Vordergrund.
Beide Kapitel beginnen mit einer ebenso gründlichen wie sorgfältigen Bestandsanalyse. So wird – zu Recht – festgestellt, dass das 2002 verabschiedete Urhebervertragsrecht zwar gut gemeint war, aber bislang jedenfalls keine Verbesserung der finanziellen Situation von Autoren und ausübenden Künstlern bewirkte. Die Enquete-Kommission empfiehlt deshalb eine erneute Überprüfung des Urhebervertragsrechts.
Die zweite Empfehlung der Enquete-Kommission zum Urheberrecht ist besonders aktuell. Danach soll das Urheberrecht Autoren „die ihnen verfassungsmäßig garantierte angemessene Vergütung ermöglichen“, und dieses Recht dürfe „durch die Interessen von anderen Wirtschaftszweigen, wie der Geräteindustrie, nicht außer Kraft gesetzt werden“. Genau dies aber ist mit der als „2. Korb“ bekannt gewordenen Urheberrechtsnovelle, die am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, geschehen. Da seither die Höhe der Urheberrechtsvergütungen für das private Kopieren nicht mehr im Gesetz festgelegt sind, gestalten sich die Verhandlungen mit der Industrie, also den Importeuren von Aufnahmegeräten und Trägermedien mühsam und schleppend. Es ist nicht absehbar, wann auf der Basis des neuen Gesetzes wieder angemessene Vergütungen für das private Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke bezahlt werden. Während die Enquete-Kommission zum Urheberrecht nur drei Handlungsempfehlungen abgibt, formuliert sie 14 Handlungsempfehlungen zum Recht der Verwertungsgesellschaften. Mit vielen davon rennt sie allerdings offene Türen ein, wenn sie etwa mehr Transparenz und Binnendemokratie der Verwertungsgesellschaften anmahnt. Besonders zu begrüßen aber ist, dass die Enquete-Kommission dem wettbewerbsorientierten EU-Modell von Verwertungsgesellschaften eine deutliche Absage erteilt. Die Enquete-Kommission betont, dass Verwertungsgesellschaften eben nicht ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgen, sondern nach dem Leitbild des deutschen Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes wichtige kulturelle und soziale Aufgabe erfüllen. Sie betont darüber hinaus, dass die nationalen Verwertungsgesellschaften ein wichtiges Element „zur Sicherung der kulturellen Vielfalt“ darstellen. Entgegen den Intentionen der EU-Kommission solle deshalb auch die europaweite Lizenzierung von Online-Musik nicht zentral, sondern durch das bewährte Netz von Gegenseitigkeitsverträgen nationaler Verwertungsgesellschaften ermöglicht werden. Es würde dies nicht nur den von den Nutzern erwünschten one stop shop garantieren, sondern auch eine sich anbahnende Zweiklassengesellschaft verhindern (hier die großen musikalischen Verwertungsgesellschaften, dort die kleinen). Ausführlich befasst sich der Schlussbericht der Enquete-Kommission mit der Kraft Gesetzes vom Deutschen Patent- und Markenamt ausgeübten Kontrolle über die Verwertungsgesellschaften. Gewiss zu Recht fordert die Enquete-Kommission „eine Stärkung der Ausstattung und Finanzierung der staatlichen Aufsichtstätigkeit“. Sie geht aber einen Schritt weiter und empfiehlt, die Aufsicht anstelle des Patentamtes einer „Regulierungsbehörde des Bundes“ zu übertragen.
Solche Regulierungsbehörden gibt es bereits in monopolgeneigten Bereichen wie der Post oder der Energieversorgung. Für Verwertungsgesellschaften freilich würde dies einen Paradigmenwechsel bedeuten. Bislang prüft das Patentamt nur nachträglich, ob allgemeine (z.B. Verteilungspläne) oder einzelne Maßnahmen von Verwertungsgesellschaften rechtmäßig sind. Eine Regulierungsbehörde könnte dagegen präventiv kontrollierend einschreiten. Sie müsste dann beispielsweise Tarife von Verwertungsgesellschaften vorab genehmigen (wie dies in der Schweiz durch die eidgenössische Tarif-Schiedskommission der Fall ist). Ein durchaus diskussionswürdiges Modell, das allerdings im Zeitalter allgemeiner Privatisierungstendenzen kaum Erfolgsaussicht haben wird.
Insgesamt bleibt auch für die beiden Kapitel über Urheberrecht und Verwertungsgesellschaften festzuhalten, was für den gesamten Schlussbericht der Enquete-Kommission gilt: Er ist ein bewundernswertes fakten- und anregungsreiches Kompendium zur „Kultur in Deutschland“. Dass er nun in nutzerfreundlicher gedruckter Ausgabe (samt DVD-ROM) vorliegt, ist deshalb umso wichtiger. Da sich die meisten der Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber richten, also an den Bundestag selbst, bleibt nur zu hoffen, dass dieser sich ihrer annimmt. Der Kultur in Deutschland und dem Schutz der schöpferischen Menschen hier würde es gut tun.