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Der Trend ist klar: Öffentliche Hände ziehen sich aus der Kulturförderung zurück - schließlich gibt es ja private Sponsoren, deren kulturelle Bildung sich oft genug auf die Einflüsterungen zeitgenössischen Event-Marketings beschränkt. Name-Dropping und Image-Transfer sind dann die Kriterien, nach denen mal eben Justus Frantz, mal eben nicht die Junge Deutsche Philharmonie gefördert werden. Theo Geißler fragte für die nmz den Geschäftsführer der Jungen Deutschen Philharmonie, Ulf Werner, nach Überlebens-Strategien.
nmz: Justus Frantz fährt mit seiner ,,Philharmonie der Nationen" für eine Million Steuermark nach China. Claudio Abbado schnippt mit dem Finger und bekommt für das Gustav-Mahler-Jugendorchester die Grundfinanzierung opulent durch die Ernst-von-Siemens-Stiftung garantiert. Die Junge Deutsche Philharmonie darbt. Was macht Ihr falsch beim Fund-Raising?
Werner: Vielleicht haben wir zu spät angefangen, uns um professionelles Fund-Raising, um Sponsoren, Spender zu kümmern. Wir haben dann sehr schnell feststellen können, daß die überwiegende Zahl der von uns angesprochenen potentiellen Förderer zwar die Junge Deutsche Philharmonie dem Namen nach kannten, allerdings nur eine ungenaue Vorstellung von unserer modellhaften Arbeitsweise hatten. So war ihnen z.B. (und ist es vielen anderen wohl bis heute) unbekannt, daß wir ohne öffentliche Gelder auskommen müssen. Wir erhalten bisher eine Förderung durch die Stadt Frankfurt, die uns Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Seit dem Gewinn des Karajan-Wettbewerbs 1976 in Berlin, werden wir durch das Land Berlin via die Hochschule der Künste gefördert. Diese Förderung wird aber nun drastisch gekürzt (bis zum Jahr 1999 um 50%) und ab dem Jahr 2000 ist eine weitere Unterstützung sehr fraglich. Wir versuchen aber nun, verschiedene neue Wege zu beschreiten, um das Überleben dieses Ausnahmeorchesters zu sichern. Wir werden uns dabei nicht auf die Hilfe Kommunaler-, Landes- oder Bundesmittel verlassen können. Darum sind wir dabei, „Instrumente" zu entwickeln, die genauso innovativ und phantasievoll sind, wie unsere musikalischen Aktivitäten. Ich bin fest davon überzeugt, daß es ein Bürgerengagement für ein „Zukunfts-Budget" geben wird, „das neben das Staatsbudget treten muß - jenes Staatsbudget, das ohnmächtig und unfähig ist, die Prioritäten seiner Aufgaben nach den Kriterien der Nachhaltigkeit, des Überlebens zu ordnen" (Carl Amery¹). Dazu entwickeln wir gerade in Zusammenarbeit mit der GLS Gemeinschaftsbank eG in Bochum ein neues Produkt, welches sich an Mitbürgerinnen und Mitbürger wendet, die gezielt und verantwortlich mit ihrem „freien" Geld umgehen möchten um es z.B. der Jungen Deutschen Philharmonie teilweise zur Verfügung zu stellen.
Wichtig ist aber vor allem die inhaltliche Arbeit, die in der Jungen Deutschen Philharmonie geleistet wird. Das unterscheidet uns ja besonders von Orchestern wie der „Philharmonie der Nationen" (mit tollen Musikern!), die unter der Willkürherrschaft eines Justus Frantz zu leiden hat. Unsere Musikerinnen und Musiker entscheiden in allen Belangen mit, über Programme, die Dirigenten- und Solistenwahl bis hin zur Einstellung des Geschäftsführers. Diese demokratische Struktur hat natürlich auch Grenzen, da wir von den Gesetzen des Marktes ja nicht gänzlich unabhängig sind. Ich sehe aber immer wieder, daß sich unsere Mitglieder durch die Übernahme von Verantwortung Kriterien zur Beurteilung ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Situation aneignen, die ihnen ein Potential von alternativen Möglichkeiten für die Gestaltung ihres Lebens an die Hand geben. Nicht ohne Grund haben sich aus diesem Orchester immer wieder führende Ensembles gebildet (Ensemble Modern, Deutsche Kammerphilharmonie, Freiburger Barockorchester, Ensemble Resonanz etc.). Wir nutzen unsere Musiker nicht aus, sondern bieten ihnen Freiräume, die zu gestalten ihre originäre Aufgabe ist. Natürlich aber betrübt es mich, wenn Millionen Steuergelder in ein Orchester wie die „Philharmonie der Nationen" fließen, das hauptsächlich der Reputation und Selbstdarstellung eines zweifelhaften Dirigenten dient. Da fehlen uns vielleicht noch die richtigen Förderer auf politischer Ebene.
nmz: Veranstalter zucken vor Euch zurück. Ist Euer Programm-Angebot zu avantgardelastig? Seid Ihr ein kommerzielles Sicherheitsrisiko?
Werner: Es besteht eine große Unsicherheit auf dem Markt. Es ist ja nicht neu, daß wir uns in einer fatalen Entwicklung befinden, die immer mehr in Richtung „Großevents" läuft. Schneller-höher-weiter: Drei Tenöre (U- oder E-Musik?), rührselige Walzerklänge, Carmina Burana-Spektakel ohne Ende, Arena di Verona allerorten. Eine Reizüberflutung, die mir vorkommt, als wolle man dem Medium Fernsehen und den mittlerweile unzähligen und austauschbaren Kabelprogrammen Konkurrenz machen. Und, wie im richtigen Leben, versucht jeder einen großen Teil der Einschaltquoten auf seine (Konzert-)Programme zu vereinen. Davon ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ja auch nicht mehr frei. Es existiert kein Vertrauen in die eigenen originären Leistungen und Inhalte, im Gegenteil, ein blindes Nacheifern der privaten Anbieter greift um sich. Man braucht sich ja nur einmal die Programme der meisten unserer Rundfunkklangkörper anzusehen; hier ist die Katastrophe doch schon in vollem Gange. Und dann kommt die Junge Deutsche Philharmonie und erlaubt sich auch Werke von Eötvös, Holliger, Boulez, Lachenmann, Dutilleux, Maderna, Blacher, Goldschmidt, Zender etc. anzubieten (übrigens ja auch immer eine Entscheidung unserer jungen Musikerinnen und Musiker!). Ich bin es wirklich leid, den Verhinderer zu spielen und dem Orchester Programme zu empfehlen, die ich leichter an den „Mann" bringen kann. Wenn ein Orchester wie die Junge Deutsche Philharmonie dem Markt nicht mehr zumutbar ist, dann sollten wir es doch einfach abwickeln. Ich bitte aber, nicht zu vergessen, daß wir uns auch mit Beethoven, Mozart, Haydn, Mahler, Strauss, etc. beschäftigen, Werkstattkonzerte selber finanzieren, Kinderopern veranstalten, Diskussionen und vermittelnde Konzertformen anbieten, Kammermusikkurse durchführen usw. Nur reicht dies alles nicht, solange nicht auch der Musikmarkt in dieses Zukunftspotential investiert.
nmz: Ihr seid derzeit nicht einmal in der Lage, Eure eigentlich recht spektakuläre Sommer-Europatournee stabil zu finanzieren...
Werner: ...ja, unsere Sommertournee hört sich von den Konzertorten natürlich fantastisch an: Amsterdam, Helsinki, Kuopio, St. Petersburg, Moskau (im Rahmen der 850-Jahrfeier), Berlin, Gütersloh, Stuttgart und Frankfurt. Gefördert werden wir durch das Auswärtige Amt und den Deutschen Musikrat, die Stadt Frankfurt unterstützt das Konzert zur 850-Jahrfeier in Moskau und unser langjähriger Sponsor Mobil Oil gibt etwas dazu. Trotzdem fehlen uns noch ca. 60 000 DM. Ich mußte schon den teilnehmenden Musikerinnen und Musikern dieser Tournee, die ja keine Honorare erhalten, einen Eigenanteil zur Finanzierung androhen, sollte nicht noch ein Wunder geschehen. Und dabei spielen wir die „Vier letzten Lieder" von Richard Strauss, die 5. Sinfonie von Gustav Mahler und das Violinkonzert von Boris Blacher. Also wahrlich kein kommerzielles Sicherheitsrisiko, zumal uns als Dirigent Rudolf Barschai, sowie die Solisten Pamela Coburn, Melanie Diener und Kolja Blacher zur Seite stehen! Alle die die Junge Deutsche Philharmonie bisher noch nicht live hören konnten, sollten sich bei einem unserer Konzerte ein Bild dieses Klangkörpers machen. Unsere Konzerte in London (BBC-Proms) und Paris (Festival d’ Automne) wurden vom Publikum gefeiert, und das Orchester von der Presse als „Weltklasse-Ensemble" betitelt. Naja, vielleicht etwas übertrieben, doch macht es deutlich, wie angesehen unser professioneller Nachwuchs wenigstens im Ausland ist.
nmz: Was hat die Junge Deutsche Philharmonie mit ihrem Sponsor und Formel-1-Förderer Mobil-Oil gemeinsam?
Werner: Es verbindet uns eine bereits 18 Jahre andauernde fruchtbare Zusammenarbeit. Das Mobil Pegasus Programm fördert seit 1980 unser Frühjahrskonzert in Hamburg. Kein Veranstalter sieht sich in dieser Stadt in der Lage, unsere Konzerte durchzuführen, also treten wir dort halt selber als Veranstalter auf. Ich weiß das Engagement von Mobil-Oil sehr zu schätzen. Eine solche Kontinuität trifft man nur selten und wir sind dafür sehr dankbar, auch, weil unsere Programme für die Gäste von Mobil-Oil nicht immer leicht zu goutieren waren...
nmz: Ihr wollt, mobil wie ihr seid - ausgerechnet zusammen mit einer Öko-Bank - einen Philharmonischen Spar- und Förderbrief ausgeben. Was ist denn das für ein Feigenblatt?
Werner: Warum ausgerechnet mit einer „Öko-Bank"? Da reicht Ihre Phantasie wieder nicht, um solche Zusammenhänge erklären zu können!? Die Junge Deutsche Philharmonie hat eine Geschichte, die eng mit der Studentenbewegung und deren Inhalten und Zielen verknüpft ist: Aufbrechen von verkrusteten Strukturen und falsch verstandenden Traditionen (dieser Meinung war übrigens auch schon Gustav Mahler...). Also ist es doch nur konsequent, wenn eine innovative Bank und ein innovatives Orchester sich zusammentun, um für die Zukunft Finanzierungsmodelle zu entwickeln, die den Bürger aktiv in die Verantwortung nehmen. Wir planen also folgendes:
In Zusammenarbeit mit der GLS Gemeinschaftsbank eG werden wir den „PhilharmonieFörder-Sparbrief" auflegen. Die Zinsen der Anlagen werden der Jungen Deutschen Philharmonie gespendet (gegen Spendenbescheinigung), das angelegte Geld wird von der Bank an zukunftsträchtige Initiativen in den Bereichen Energie, Bildung, Entwicklungsghilfe, Kultur, Landwirtschaft etc. ausgeliehen. Das besondere an der Bank ist, daß sie nicht gewinnmaximierend in die eigene Tasche wirtschaftet. Die Entscheidung, für welchen der oben genannten Bereiche das angelegte Geld zur Verfügung gestellt wird, trifft der Sparer.
Dazu noch einmal Carl Amery: „...Ist erst einmal die Gründung dieses Budgets (s.o., gemeint ist das Zukunfts-Budget), die Einrichtung einer vertrauenswürdigen Instanz gelungen, dann wird jede Summe und jeder Beiträger willkommen sein. Der Beitrag mag kommen vom Sparbuch der Rentnerin, aus Nachlässen, von den Konten der Gewissenhaften, vielleicht sogar von den Konten der Sport- und Medienstars, die sich dauerhafteren Ruhm erträumen als den, der von kräftigen Waden, einer geschulten Rückhand, dem sonoren Vortrag von Witzen über Gummibärchen ausgeht". Also kein Feigenblatt, sondern die Überzeugung, daß wir uns nur selber und mit Hilfe eines bewußten Bürgerengagements in die glückliche Lage versetzen können, Zeichen zu setzen für die Lebbarkeit heutiger und zukünftiger Generationen. „Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal" (Roman Herzog²). Wir versuchen jedenfalls, unseren bescheidenen Anteil daran auch weiterhin in die Tat umzusetzen. Unterstützung jederzeit höchst willkommen!
¹ Carl Amery, aus: Bankspiegel 4/1996
² Roman Herzog, aus: „Berliner Rede" 4/97