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Endlosaufgaben eines Staatsinstituts

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Seit 25 Jahren ist das Orff-Zentrum München die zentrale Anlaufstelle in Sachen Carl Orff
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Einrichtungen, die sich dem Werk eines einzelnen Komponisten widmen, gibt es in Deutschland einige. Und doch ist das Orff-Zentrum München eine besondere Institution, vor allem, weil es ein Staatsinstitut und eine reine Forschungseinrichtung ist. Zu verdanken hat es Carl Orff posthum zunächst sich selbst, hatte er doch sein Erbe mit der Carl Orff-Stiftung testamentarisch geregelt. Die vierte und letzte Ehefrau an der Seite des Komponisten, Liselotte Orff, konnte so mit einem soliden Hintergrund in die Verhandlungen, zunächst mit der Landeshauptstadt München, dann mit dem Freistaat Bayern gehen.

Der Bayerische Kultusminister Hans Maier trieb das Vorhaben voran, Generalintendant August Everding wollte das Institut gar im Prinzregententheater untergebracht sehen. Mit dem Segen des Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß konnte 1990 das Orff-Zentrum (so benannt, um vom Orff-Institut am Mozarteum Salzburg unterschieden zu werden) als ausschließlich dem Bayerischen Kultusministerium unterstelltes Staatsinstitut seinen Sitz in der Kaulbachstraße 16 beziehen. Konzerte, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Filmvorführungen, Symposien und Ausstellungen gehören seither neben der Forschungsarbeit zu den Aktivitäten der Institution.

Es war ein Zufall, dass das nach Kriegszerstörungen restaurierte Gebäude von 1936 bis 1944 die pädagogische Wirkungsstätte Orffs, die Günther-Schule war. Seit 1990 beherbergt es alarmgesichert den künstlerisch-dokumentarischen Nachlass des Komponisten als Dauerleihgabe der Carl Orff-Stiftung.

Direktor der Einrichtung ist heute der Musikwissenschaftler Thomas Rösch, der das Zepter 2002 vom Gründungsdirektor Hans Jörg Jans übernahm. Der Interessensschwerpunkt seines Vorgängers sei die Antike im Musiktheater des 20. Jahrhunderts gewesen, resümiert Rösch. Aus den Aktivitäten Jans’ sei vor allem die internationale Tagung der Komponisteninstitute 2000 hervorzuheben.

Zu den größten Projekten jüngster Zeit unter Rösch gehört die interne Schutzdigitalisierung des Nachlasses, die einen einfacheren Zugriff auf das Material ermöglichen soll. Anschließend ging Rösch sogleich eine Endlosaufgabe an: die Erfassung aller relevanten Datensätze in den Rundfunkarchiven. Als Pilotprojekt begann die Arbeit beim Bayerischen Rundfunk.

Orff sei zwischen Richard Strauss und Hans Werner Henze der wichtigste deutsche Musiktheaterkomponist. „Daran muss man wieder erinnern“, benennt Rösch eines seiner Hauptziele.

Zu hoffen bleibt, dass Theater vor Inszenierungen auf das Wissen sowie das historische Dokumentationsmaterial des Orff-Zentrums zurückgreifen. Ärgerlich findet es Rösch, dass Andechs die Chance verspielt hat, sich mit den Carl Orff-Festspielen neben Bayreuth und Garmisch als Festspielort zu etablieren. Vehemente Eingriffe in die Werksubstanz waren aber aus Sicht der Rechteinhaber nicht weiter hinnehmbar. (Siehe hierzu den Artikel oben auf dieser Seite.)

Orffs Werk der Nachkriegsjahre ist wenig erforscht. Eine gute Komplettbiographie steht daher noch aus. Erfreut zeigt sich Rösch, dass der Wiener Historiker Oliver Rathkolb eine gründliche Aufarbeitung der Haltung Orffs im Dritten Reich in Angriff genommen hat. Endlich werde von unabhängiger und fachlich kompetenter Seite her eine wissenschaftlich fundierte Darstellung für Klarheit sorgen.

Ein kompletter Abriss der Arbeit des Zentrums findet sich in der frisch herausgebrachten Chronik „25 Jahre Orff-Zentrum München“.

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