Hamburg - Noch genau ein Jahr bis zu einer Eröffnung, an die manchmal fast niemand mehr geglaubt hat: Am 11. Januar 2017 soll in der Elbphilharmonie in Hamburg das Auftaktkonzert erklingen. Nach einer Ouvertüre, in der aus dem Prestigeprojekt der Superlative eines der Skandale wurde. Nach Disharmonien, die zwischen Stadt, Baukonzern und Architekten zu Dauerstreit und Stillstand auf Deutschlands größter Kulturbaustelle führten.
Das Richtfest für seine Elbphilharmonie hatte Hamburg schon 2010 gefeiert. Nach jahrelangen Verzögerungen steuert das Prestigeprojekt im Hamburger Hafen nun auf die Eröffnung zu. Nach Kostenexplosionen, die aus 77 Millionen Euro für den Steuerzahler 789 Millionen machten. 2010 schon feierte das spektakuläre Konzerthaus der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron im Hafen Richtfest. Alles laufe nun nach Plan, betonen die Verantwortlichen. Die wichtigsten Etappen der zwölf Monate bis zur geplanten Eröffnung:
Bis Ende JANUAR wird die berühmte «weiße Haut» eingebaut - der «letzte wichtige Zwischenschritt», wie Dirk Rehaag, Geschäftsführer von Hochtief Building betont. Sie soll das «Herzstück» der Elbphilharmonie werden. Die vom japanischen Akustiker Yasuhisa Toyota ersonnene Innenverkleidung des großen Konzertsaales besteht aus 10 000 Gipsfaserplatten, alle individuell zugeschnitten und unterschiedlich in Form und Größe, Gewicht und Oberflächenstruktur. Die «weiße Haut» soll den Schall optimal reflektieren und die Elbphilharmonie zu einem der zehn besten Konzerthäuser der Welt machen.
Im APRIL will Generalintendant Christoph Lieben-Seutter - seit 2007 ist er bereits in diesem Amt - das Programm für das erste Halbjahr 2017 vorstellen.
Im JUNI beginnt der Ticketverkauf für die einzelnen Konzerte. «Manches wird vermutlich besonders gefragt sein, aber es kommen sehr viele Eintrittskarten auf den Markt, man muss also keine Angst haben», betont Lieben-Seutter. Auch Pop- und Jazzkonzerte werde es künftig in der Elbphilharmone geben, etwa 20 Prozent des Programms mache die Nicht-Klassik aus. Die Architektur des Saals sei aber nicht für alles geeignet. «Also wenn etwa eine Adele dort mit Klavier, Bass und Schlagzeug auftreten würde - wunderbar. Aber gigantische Videotechnik wäre fehl am Platze.»
Ebenfalls im JUNI steht die Fertigstellung des großen Saals an. «Dann lernen wir den Saal in seiner gesamten Pracht, mit allen eingebauten Sitzen und der Beleuchtung, kennen - zu einem Zeitpunkt, wo wir schon Karten verkaufen», betont der Generalintendant. «Das hat natürlich auch eine gewisse Spannung.» Ende des Monats ist die Gebäudefertigstellung vorgesehen.
Im SPÄTSOMMER soll es die erste Orchesterprobe im großen Saal geben - für den Generalintendanten «einer der aufregendsten Termine».
Für den 31. OKTOBER ist die Schlüsselübergabe geplant. «Dann sind wir Herr im Haus», sagt Lieben-Seutter.
«Ab NOVEMBER starten wir in eine Art öffentliche Probephase: die öffentlichen Bereiche - Plaza, Hotel und Gastronomie - nehmen ihren Betrieb auf.» Die sogenannte Plaza ist der öffentliche Bereich zwischen dem historischen und dem neuen Teil des Gebäudes. Die Aussichtsplattform erstreckt sich auf dem Dach des alten Kaispeichers fast über die gesamte Grundfläche der Elbphilharmonie und ist damit beinahe so groß wie der Hamburger Rathausmarkt.
Am 11. und 12. JANUAR 2017 spielt das NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Thomas Hengelbrock das Eröffnungskonzert, wie die Kulturbehörde ankündigte. Der große Saal mit 2100 Plätzen folgt dem Weinberg-Prinzip: Die Bühne liegt in der Mitte, wie Terrassen eines Weinbergs steigen die Zuschauerränge ringsherum auf. Die Elbphilharmonie soll «ein Haus für alle» werden, erklärt Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) und betont: «Bei den Eröffnungskonzerten wollen wir neben den geladenen Gästen auch möglichst vielen Hamburgern und Gästen aus dem In- und Ausland die Möglichkeit geben, das Konzerthaus kennenzulernen.»
Ein großes Fest mit tollem Konzert und weltweiter Bedeutung erhofft sich auch Lieben-Seutter von der Eröffnung. «Aber das Ganze ist eine lange Reise, die längst begonnen hat und mit der Eröffnung nicht zu Ende ist.» Und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist sich sicher: «Die Hamburgerinnen und Hamburger werden ihre Elbphilharmonie adoptieren.»
Interview mit Christoph Lieben-Seutter
Dorit Koch, dpa
Hamburg - Wenn die Hamburger Elbphilharmonie im Januar 2017 wie jetzt geplant Eröffnung feiert, ist Christoph Lieben-Seutter bereits seit mehr als neun Jahren ihr Generalintendant. Helm und Jacke für Baustellenbesuche sind aus seinem Büro in der Laeiszhalle, die er ebenfalls leitet, nicht mehr wegzudenken. Etwa alle zwei Wochen sei er in der Elbphilharmonie, berichtet der 51-jährige Österreicher. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur spricht er über die nun näher rückende erste Spielzeit und Reaktionen im Ausland.
Das Programm für das erste Halbjahr der Elbphilharmonie soll im April vorgestellt werden. Wie viel davon steht bereits fest?
«Über mangelndes Interesse können wir uns nicht beklagen, Orchester und Künstler aus dem In- und Ausland wollen dabei sein. Das Programm für das Eröffnungshalbjahr steht zu 95 Prozent. Es wird sehr international, aber auch sehr lokal, weil die Elbphilharmonie eben auch beide Aufgaben hat: Sie wird ein Konzerthaus von internationalem Rang sein, aber sie ist in Hamburg gebaut, von Hamburger Steuergeldern, und will und muss von den Hamburgern akzeptiert werden, wenn sie erfolgreich sein soll. Es wird Gastspiele der besten Orchester der Welt und umjubelter Stars ebenso geben wie die Angebote einheimischer Orchester. Und allein im Bereich der Musikvermittlung, angefangen beim Vorschulkind, planen wir mehr als 1000 Veranstaltungen pro Jahr.»
Wie wollen Sie die Skeptiker in Sachen Elbphilharmonie gewinnen und auch jene überzeugen, die sich bislang nicht für klassische Musik interessieren?
«Um die Auslastung am Anfang machen wir uns gar keine Sorgen. Wir gehen davon aus, dass jeder die Elbphilharmonie erleben will, ob Musikfreund oder Bauskeptiker. Unsere entscheidende Aufgabe wird sein, dass die Besucher immer wiederkommen wollen, weil das, was sie bei uns erleben, einfach so gut ist. Wir wollen günstige Preise und Programmformate bieten, die sich speziell an Leute richten, die glauben, die Elbphilharmonie sei nichts für sie, nach dem Motto: «Die hat so viel Geld gekostet, das kann ich mir eh nicht leisten.» Zwischen den Baukosten und unseren Ticketpreisen gibt es gar keinen Zusammenhang. Zum Preis einer Kinokarte ist man bei uns dabei.»
Die jahrelangen Verzögerungen und die massiv gestiegenen Kosten beim Bau der Elbphilharmonie sind auch im Ausland wahrgenommen worden. Auf welche Reaktionen treffen Sie da jetzt, ein Jahr vor der Eröffnung?
«Seit sie erfunden wurde, ist die Elbphilharmonie auch im Ausland von Anfang an ein Topthema gewesen. Auch in der ersten Phase der Verzögerung, als hier bereits von einem Baudesaster gesprochen wurde, durfte ich mich auf Auslandsreisen noch fühlen wie der König. Inzwischen ist es genau andersrum. Jetzt steht man in Hamburg wieder hinter dem Projekt, sind Themen wie Kosten und Bauverzögerungen fast vergessen, aber international - das merken wir auch im Gespräch mit Sponsoren - herrscht vorsichtiges Abwarten: Wird es jetzt nun ein Skandal oder ein Weltwunder? Aber bekannt ist die Elbphilharmonie wie ein bunter Hund.»