Dortmund - Wer Kriegspropaganda verbreitet, hat auf der Bühne nichts verloren - das stellt das Konzerthaus Dortmund klar. Forderungen an russische Künstler, sich von Putin zu distanzieren, sieht Intendant von Hoensbroech aber mit Sorge.
Dirigent Teodor Currentzis und sein russisches Ensemble MusicAeterna sollen im Konzerthaus Dortmund am Freitag ohne mehrere Musiker auftreten, die wegen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine suspendiert worden sind. «Wir haben immer gesagt: Wer sich eindeutig pro Krieg oder pro Kreml äußert, kann bei uns keine Bühne bekommen», sagte Intendant Raphael von Hoensbroech.
Die Suspendierungen seien gemeinsam mit dem Management des Ensembles besprochen worden, man sei sich darüber «völlig einig» gewesen. Er betonte aber auch, man dürfe russische Künstlerinnen und Künstler nicht in Sippen- oder Gesinnungshaft nehmen. Zuvor hatte das Klassik-Magazin «Crescendo» berichtet. Eine Sprecherin von MusicAeterna war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Konkret geht es um pro-russische oder polemische anti-westliche Äußerungen von vier Ensemblemitgliedern etwa in Sozialen Medien. Darunter ist der Fall eines Tenors, der kürzlich im sozialen Netzwerk VKontakte ein Lied zur Unterstützung russischer Soldaten an der Front veröffentlicht hatte. Darin heißt es: «Wieder brennt die Heimat. Ich stehe auf, ich gehe. Betet für mich. Der Faschismus stürzt wieder auf uns zu. Wie kann man da unbeteiligt bleiben? Es ist Zeit, die Heimat zu retten.»
Ein anderes Mitglied postete Medienberichten zufolge ein Video, in dem er die Heizung voll aufdrehte. Dazu schrieb er, er zerstöre die deutsche Wirtschaft. Später entschuldigte sich der Musiker dafür.
Von Hoensbroech sagte, ein unangemessenes polemisches Video sei anders zu bewerten als prorussische Äußerungen, die den Krieg befürworteten. Es brauche aber eine klar nachvollziehbare Linie gegenüber Musikern. «Wir waren uns einig, dass wir eher hart durchgreifen», sagte er. «Das Tragische ist eigentlich, dass die russische Propaganda offenbar funktioniert.»
Dass geplante Auftritte des griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis auch durchgezogen werden, ist seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht mehr selbstverständlich. Der berühmte Dirigent äußert sich nicht öffentlich zum Krieg. Die Kölner Philharmonie etwa sagte zuletzt ein für Januar 2023 geplantes Konzert des von ihm dirigierten SWR-Symphonieorchesters ab: «Über ein halbes Jahr nach Kriegsausbruch sollte doch eine Haltung zu der politischen Lage erkennbar sein», hieß es zur Begründung.
Von Hoensbroech sagte: «Wir können nicht von jedem Künstler verlangen, dass er sich zum Märtyrer macht.» Kritische Äußerungen würden in Russland als hartes Signal verstanden. «Er würde im Rest Europas als Held gefeiert, hätte aber den Schaden in Russland zu bezahlen», sagte er. Dabei habe er auch Verantwortung für das von ihm gegründete und geleitete Ensemble. «Da stehen echt Existenzen auf dem Spiel», sagte er.
«Wenn Sie 200 Leute in einem Ensemble haben, sind da immer auch Leute mit ganz kruden Gedanken darunter», sagte er. Wenn diese öffentlich würden, könne so jemand nicht in Dortmund auftreten. «Aber wir können nicht alle anderen einer Gesinnungsprüfung unterziehen. Ich glaube, da kommen wir gesellschaftlich in Situationen, die wir alle nicht wollen.» Einzelfälle müssten als solche betrachtet werden. Diese zeigten gerade, dass ein Austausch weiter stattfinden müsse. «Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir in der Kultur die Brücken nicht alle mit einreißen», sagte er.
Das Ensemble MusicAeterna wird mit Geld aus Russland finanziert, etwa von der von Sanktionen betroffenen VTB Bank. «Ich persönlich halte das für kritisch, weiß aber auch aus vielen Gesprächen, dass das nicht so schnell änderbar ist», sagte von Hoensbroech. «Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn kann ich von dem Ensemble nicht verlangen, dieses Problem bereits gelöst zu haben.» Das Konzert am Freitag sei bereits lange vor dem russischen Angriff im Februar geplant worden. MusicAeterna werde aufgrund dieser Finanzierung aber vorerst nicht eingeladen, weitere Konzerte in Dortmund seien im Moment nicht geplant.