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Es wird wieder getanzt - Ballett nach dem Corona-Lockdown

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Gera/Köln - Der Corona-Lockdown hat das Tanztheater ins Herz getroffen. Für die Tänzer war das tägliche Training wochenlang nur sehr eingeschränkt zu Hause möglich. Nun wird vielerorts wieder in Gruppen aber mit Abstand getanzt. Es entstehen neue Ballettkreationen.

Nach wochenlanger Corona-Abstinenz sind die Tänzer des Thüringer Staatsballetts auf die Bühne zurückgekehrt. Allerdings nur für eine Stunde tägliches Training sowie erste kurze Proben. Und schon das stellt die Compagnie vor immense Herausforderungen. Nur je vier Tänzer können gleichzeitig auf einer der beiden Bühnen des Geraer Theaters und im Ballettsaal für gut eine Stunde trainieren; weiße Linien auf dem Boden weisen jedem strikt seine Fläche zu, um genug Abstand zu wahren.

Ballettdirektorin Silvana Schröder und ihre Tänzer sind dennoch froh über diesen Schritt zurück ans Theater. «Das bietet uns wieder ein Stück Annäherung», betont sie. Wegen des Lockdowns hatte von Mitte März bis Ende Mai nur jeder für sich daheim tanzen können. «Unsere Ballettmeister haben ein tägliches Online-Training angeboten.»

Die Pandemie hat vielen Bereichen der Kunst arg zugesetzt - nicht nur Chören und Orchestern. «Die darstellenden Künste sind durch Corona im Herzen getroffen, weil künstlerische Produktion Nähe erfordert», sagt der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Marc Grandmontagne. Das betreffe besonders den Tanz, der «schwerst gebeutelt» sei.

In der Zeit des Lockdowns haben viele Compagnien so wie in Gera versucht, sich mit Online-Trainings zu behelfen. «Das ging wegen des fehlenden Platzes zu Hause aber nur mit angezogener Handbremse», berichtet Tänzer Vinícius Leme. Er habe kurzerhand einen Stuhl zur Ballettstange umfunktioniert, Sprünge und ausgreifende Drehungen seien in seiner kleinen Wohnung kaum möglich gewesen, berichtet der 23-jährige Brasilianer, der seit 2016 zum Thüringer Ensemble gehört.

Nun kehren inzwischen immer mehr Compagnien in den Trainings- und Probenbetrieb vor Ort zurück. Das Staatsballett Berlin etwa trainiert wieder täglich in kleinen Gruppen von sechs bis neun Tänzern über den Tag verteilt. In Hamburg gibt es seit Ende April täglich Balletttrainings in Kleingruppen. Beim Tanztheater Wuppertal finden die Einheiten dagegen weiter nur digital statt.

Denn der Aufwand zum Infektionsschutz ist immens. Fürs Ballett werden vom Verein für Tanzmedizin teils Abstände von mindestens 6 Metern empfohlen. «Training im Windschatten von Vorderfrau oder Vordermann ist zu vermeiden.» Es soll zudem in festen Gruppen abhängig von der Raumgröße stattfinden. Ballettstangen und Tanzböden müssen nach jedem Training gereinigt und die Räume regelmäßig gelüftet werden. «Auf Pirouetten und raumgreifende Sprünge (allegro, grand allegro) soll aufgrund der vermehrten Luftverwirbelung verzichtet werden.»

An ein normales Repertoire sei unter diesen Bedingungen im Ballett nicht zu denken, räumt Grandmontagne ein. Und auch Ballettdirektorin Schröder spricht von enormen Einschränkungen bei der Entwicklung neuer Choreographien: «Gruppenszenen und Pas de deux können nicht mehr stattfinden, außer die Tänzer sind ein Paar oder wohnen zusammen in einer WG.»

Dennoch bereiten die Compagnien bereits neue Aufführungen und Kleinformate unter Corona-Bedingungen vor - so auch in Thüringen. John Neumeier hat für seine Compagnie in Hamburg eine Choreographie unter dem Titel «Ghost Light» ersonnen. Es soll das Abstandsgebot nicht nur respektieren, sondern zur Grundlage der Struktur machen, heißt es. In Berlin ist das Projekt «LAB_WORKS COVID_19» entstanden und setzt das Staatsballett auf Galaabende. Deren Programm soll aus Soli oder Pas de deux von Wohngemeinschaften bestehen, erklärt eine Sprecherin. Zu sehen werden die aber erst in der neuen Spielzeit Ende August sein.

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