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Wie machen es die anderen? Akademiedirektoren aus ganz Deutschland besichtigen die Musikbildungsstätte Ochsenhausen. Foto: Jörg Lohner
Wie machen es die anderen? Akademiedirektoren aus ganz Deutschland besichtigen die Musikbildungsstätte Ochsenhausen. Foto: Jörg Lohner
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Essenzen aus dem Fishbowl

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Arbeitskreis der Musikbildungsstätten wird Verband
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Eine kleine Gruppe von Kennern lauscht im Bibliothekssaal des Klosters Ochsenhausen einem Trio. Man fühlt sich in die Zeit eines Privatkonzertes zurückversetzt, wie es die Äbte in barocken Zeiten pflegten. Nur dass keine Gamben und Geigen zu hören sind, sondern das „Brenner Trio“, das knapp zwei Dutzend Akademiedirektoren in eine Jazz-Klangwelt entführt, die nicht nur von Standards wie „Someday my Prince will come“ oder „Stella by Starlight“ inspiriert ist, sondern vor allem durch die Eigenkompositionen des jungen Pianisten Lukas Brenner.

Der Anlass für das exklusive Konzert im edlen Ambiente war ein doppelter: Der Arbeitskreis der Musikbildungsstätten in Deutschland feierte am 27. Januar sein 30-jähriges Bestehen sowie die Neugründung eines Verbands der Bundes- und Landesakademien. Mit dem neuen Verband will man nicht länger nur ein Arbeitskreis sein, der in erster Linie nach innen wirkt, sondern die unterschiedlichen Kompetenzen der Bundes-, Landes und Verbandsakademien nach außen hin sichtbar werden lassen. Um den Übergang von Arbeitskreis zu Verband möglichst reibungsfrei zu vollziehen, wurden die beiden bisherigen Vorsitzenden des Arbeitskreises der Musikbildungsstätten, Kerstin Hädrich, Programmleiterin der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel, sowie Lothar R. Behounek, Geschäftsführender Direktor der LMA Hessen, über den normalen zweijährigen Turnus hinaus noch für ein drittes Jahr im Amt bestätigt.

Das Schwerpunktjahresthema des neu gegründeten Verbandes der Bundes- und Landesmusikakademien in Deutschland heißt 2015 Interkulturelle Bildung.

Antje Valentin, Direktorin der Landesmusikakademie NRW Heek, initiierte eine AG, die sich mit interkultureller Bildung auseinandersetzen wird und aus folgenden Mitgliedern besteht: Berlin, Ochsenhausen, BA Trossingen, Kürnbach, Heek, BA Wolfenbüttel, BA Remscheid. Mit dieser Themensetzung wollen die Akademien nach eigener Aussage ihren gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen, Sachverhalte für sich nach innen klären und dann Lösungsvorschläge über den Verband nach außen geben.

Neben der Gründungsversammlung sowie dem festlichen Gründungskonzert mit anschließender Gründungstafel lag ein Schwerpunkt des dreitägigen Treffens im inhaltlichen Austausch mit zwei Gastakademien aus dem benachbarten Ausland sowie in einer Zukunftswerkstatt.

Aus den Niederlanden waren die Akademieleiter des Akoesticum in Ede gekommen, Harold Lenselink und Victor van Haeren. Sie sind die Gründungsväter der ersten holländischen Musikakademie und berichteten über ihr Projekt, das erst vor wenigen Tagen seine Eröffnung gefeiert hatte.

Das Akoesticum ist in einer Kaserne (Baujahr 1906) untergebracht, besitzt nach dem Umbau ein großes Auditorium, zwei große Räume (je 200 m²) und acht kleinere Räume mit entsprechender Ausstattung. Zur Unterbringung der Gäste stehen 56 Schlafzimmer (max. 148 Betten) und eine eigene Küche (für 200 Personen) zur Verfügung.

Auch wenn es außer Frage stand, dass die deutschen Akademien Pate gestanden hatten, gab es doch einige strukturelle Unterschiede, für die sich die deutschen Kollegen lebhaft interessierten. Das Akoesticum erhält keinen Zuschuss, die Gebäude werden von der Stadt an die Akademieträger vermietet. Bis in zwei Jahren sollte der Betrieb nach Aussage von Harold Lenselink wirtschaftlich sein.

Aktuell betragen die Preise pro Bett 30 Euro, mit Verpflegung etwa 50 Euro. Die Gruppen bezahlen zusätzlich entsprechende Gebühren für die in Anspruch genommenen Proben- und Konzerträume pro Teilnehmer. Es gibt einen Fonds (Privatspenden) für begabte Kinder und Jugendliche.

Aus Österreich war Marion Rothschopf angereist, die Geschäftsführerin und Leiterin der Carinthischen Musikakademie in Ossiach und Knappenberg (CMA). Auch in Österreich gibt es keine weiteren Akademien. Die Musikakademie wurde vom Land Kärnten initiiert und ist seit 2007 in Betrieb. Der jährliche Abgang wird somit vom Land getragen, wobei der klare Auftrag des Landes an die CMA ist, die eigenerwirtschafteten Mittel kontinuierlich zu erhöhen.

Die Positionierung als ergänzende Institution zu den musikalischen Einrichtungen soll weiter präzisiert werden, und es soll eine Ausweitung des Kundenkreises geben. Beide Akademien wurden auf der Verbandsvollversammlung einstimmig kooptiert und zu den künftigen Jahrestreffen eingeladen.

Im Zentrum der Ochsenhausener Tagung stand eine Zukunftswerkstatt, in der man sich, moderiert von Jochen Kloff, über zwei zentrale Themen beriet:

  • Wer sind die Nutzer der Akademien und wie stellen sich die Bedarfe in der Zukunft dar?
  • Welche Erwartungen tragen Vertreter aus Politik und Kultur an die Akademien künftig heran?

Innerhalb der Arbeitsgruppen diskutierte man angeregt zu Stich- und Reizworten wie Marktöffnung und Mitbewerber, Stadt- und Landstandorte, Musik im Ganztag, Digitalisierung, Interkulturelle Musikentwicklung, politische Trends, aber auch die künstlerischen Stärken der Akademien, ihre Akzeptanz und Bekanntheit und nicht zuletzt ihre Rolle als regionaler Veranstaltungsbetrieb.

In einem Fishbowl mit Anne Kankainen, Joachim Litty, Kerstin Hädrich, Joachim Kloff und Antje Valentin versuchte man abschließend, die Essenzen aus den Ergebnissen der vier Gruppen herauszufiltern. Es kristallisierten sich unter anderem folgende Arbeitsfelder heraus: Austausch, voneinander Lernen, Qualitäts-Standard-Entwicklung, E-Learning, interkulturelle Musikentwicklung, Akademie Organisation und Mitarbeiter. Die Agenda des neuen Verbandes ist damit erst einmal abgesteckt, inwieweit seine Stimme im Konzert der Kulturlobbyisten wahrnehmbar sein wird, bleibt abzuwarten.

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