Magdeburg - Mehrere Monate sind der Kultur in der Corona-Pandemie in diesem Jahr verloren gegangen. Unterdessen wurde für die freien Theater aber auch eine Förderreform auf den Weg gebracht. Erstmals entscheidet eine Fachjury mit. Und Selbstausbeutung von Künstlern soll ein Ende haben.
Eine Fachjury und passgenauere Unterstützung: Sachsen-Anhalt hat einen neuen Weg bei der Förderung der freien Theaterszene eingeschlagen. Diese erhofft sich von der Reform einen Entwicklungsschub. Bislang gab es eine einjährige Projektförderung, über die das Landesverwaltungsamt und das Kulturministerium entschieden haben. Künftig kommen eine Einstiegsförderung von bis zu 5000 Euro, ein Stipendium von bis zu 3000 Euro und eine zweijährige Basisförderung etwa für etablierte Ensembles und Häuser hinzu.
«Für Sachsen-Anhalt ist das ein riesiger Quantensprung», sagte der Vorsitzende des Landeszentrums Freies Theater Sachsen-Anhalt (Lanze), Janek Liebetruth.
Sachsen-Anhalt folgt dem Beispiel anderer Bundesländer und setzt zum 1. Januar 2021 eine Fachjury für Förderungsempfehlungen ein. Sie entscheide nach fachlichen Kriterien darüber, ob Künstlerinnen und Künstler, Ensembles oder Häuser gefördert werden und mit wie viel Geld. Das letzte Wort hat weiter das Kulturministerium. Im Laufe des Jahres soll es die ersten Jurysitzungen geben, ab 2022 fließen die ersten Gelder.
Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU) hatte kürzlich in einer Regierungserklärung im Landtag gesagt, er erhoffe sich von der neuen Förderung Qualitätssteigerungen und Wachstum in der Szene. «Es wird auch deutlich mehr Geld für die freie Szene bereitgestellt.» Für 2021 seien die Haushaltsmittel für freie Theaterprojekte von 150 000 auf 300 000 Euro verdoppelt worden, sagte Liebetruth. 2022 kämen für die Basisförderung weitere 150 000 Euro drauf. Ein zusätzlicher Anteil kommt jedes Jahr aus Haushaltsresten und aus Lotto-Fördermitteln.
Landesweit gibt es nach einer Erhebung des Landesverbands rund 85 freie Theater. Dort arbeiten Künstler, die ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Kunst bestreiten, dabei aber auf Förderung angewiesen sind. Während die kommunalen Theater Fünf-Jahres-Verträge haben, müssten die Freien jedes Jahr aufs Neue Fördermittel beantragen.
Liebetruth sagte, bislang seien die Förderentscheidungen oft nicht nachvollziehbar gewesen. Es habe «kaum Feedback» zu Entscheidungen oder Kriterien gegeben. Von der künstlerisch diversen Jury, deren fünf Mitglieder allesamt nicht selbst antragsberechtigt sind, verspricht er sich mehr Transparenz. Es seien auch Vertreter aus Thüringen und Sachsen dabei. Jährlich werde es einen Bericht zur Arbeit geben.
Maria Gebhardt, Geschäftsführerin vom Verein Landeszentrum Freies Theater Sachsen-Anhalt, erwartet sich wie Liebetruth eine Fortbildung und weitere Professionalisierung der Szene. Denn mit der Förderung etwa für Quereinsteiger verpflichteten sich diese, an Seminaren teilzunehmen. Die neue Förderung könne auch ein Impuls für Künstlerinnen und Künstler sein, in Sachsen-Anhalt zu bleiben, sagte Gebhardt. Der Verband Lanze wolle sie begleiten. Liebetruth und Gebhardt hoben zudem die als Voraussetzung zur Landesförderung vorgegebene Honoraruntergrenze hervor. Mindestens 2600 Euro müsse nun eine Künstlerin pro Monat der Projektumsetzung verdienen, ansonsten gebe es keine Fördergelder vom Land. Das gebe es per Erlass bindend in keinem anderen Bundesland.
Bisher sei die Förderung längerfristiger Projekte eingeschränkt gewesen, sagte Gebhardt. Die künftig mögliche Basisförderung mit maximal 75 000 Euro pro Jahr sei ein guter Schritt. Als bundesweit einzigartig bezeichnete die Geschäftsführerin, dass auch Prozesse der Theaterpädagogik gefördert würden, selbst wenn es in dem Zusammenhang zu keiner Aufführung eines Stückes komme. Bisher hätten immer Aufführungen nachgewiesen werden müssen. Die seien aber nicht immer Ergebnis, wenn Theaterpädagoginnen etwa in Schulen mit Kindern arbeiteten.