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Flächenbrand Bürgerschaftliches Engagement

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Wie Feuer und Wasser – Das Bürgerschaftliche Engagement und der Staat · von Olaf Zimmermann
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Der Kulturbereich spielt in der Debatte um die Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements eine bedeutende Rolle. Die Diskussion um die Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts war ein Lehrstück, wie mit dem positiven Image der Kultur einem Gesetzesvorhaben Kontur gegeben werden kann. Dass mit dem „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen“ ein Erfolg errungen wurde, der auf das stetige und nicht nachlassende Engagement der Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker im Deutschen Bundestag und in den Kulturverbänden zurückzuführen ist, darf nicht außer Acht gelassen werden. Ohne dieses kontinuierliche Engagement wäre es kaum gelungen, das Thema Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts über einen so langen Zeitraum in der öffentlichen Diskussion zu präsentieren und zu einem so erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Jetzt wird es darauf ankommen, den Atem für den zweiten Schritt, die Reform des Stiftungszivilrechts, zu behalten. Hier sind zähe Verhandlungen mit den Ländern zu erwarten, geht es zum guten Teil bei diesem Reformvorhaben doch darum, dass der Staat Macht abgibt. Ein wesentlicher Bestandteil des Reformvorhabens besteht darin, dass sich die Stiftungsaufsichtsbehörden verändern von hoheitlich handelnden Genehmigungsbehörden zu Beratungsinstitutionen. Sie sollen künftig den Stifterinnen und Stiftern bei der Verwirklichung ihres Stiftungsvorhabens zur Seite stehen. Unter anderem sollen sie in der Zukunft auch die notwendige Abstimmung mit den Finanzbehörden übernehmen.

Bei der Reform des Stiftungszivilrechts wird sich auch erweisen, wie ernst es der Politik, der Verwaltung aber auch den Verbänden mit dem Bürgerschaftlichen Engagement tatsächlich ist. Soll die Spende von Geld oder/und von Zeit ein zusätzliches Sahnehäubchen in der Kulturfinanzierung sein, wie es bislang beim Sponsoring ist, oder sollen Potenziale für eine dauerhafte Finanzierung von Einrichtungen, Förderinstitutionen und Projekten entwickelt werden.

Gegen das Kultursponsoring wurde in den vergangenen Jahren angeführt, dass die Sponsoren Vorgaben machen und die Förderung unzuverlässig ist. Verkannt wurde dabei, dass Sponsoring eben nichts mit Mäzenatentum zu tun hat, sondern eine Werbeleistung eingekauft wird. Gegenüber dem Sponsoring schien die öffentliche Förderung ein sicherer Hafen zu sein. Eine inhaltliche Einmischung wurde nicht vermutet und das Geld schien zumindest zur Absicherung der finanziellen Grundlast sicher zu sein. Dieses ist heute nicht mehr der Fall. Auch im Hafen der öffentlichen Kulturfinanzierung wehen andere Winde und viele Einrichtungen sind in ihrer Grundsubstanz gefährdet oder werden geschlossen.

Fesseln des Haushaltsrechts

Die schwierige finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte macht es immer aufwendiger, Mittel für freiwillige Leistungen bereitzustellen. Da Kultur zu den freiwilligen Aufgaben gehört, ist es schwer hierfür Mittel in die Haushalte einzustellen. Besonders gefährdet sind die Etats für die freie Kulturarbeit und die Förderung von Projekten. Hiermit sind keine festen Zusagen oder Personalstellen verbunden, daher können Kürzungen und Streichungen leichter durchgeführt werden.

Mit der Krise der öffentlichen Haushalte werden auch die Schwierigkeiten, die mit der öffentlichen Kulturfinanzierung verbunden sind, offensichtlicher. Mit zunehmender Knappheit der finanziellen Ressourcen werden auch die Vorschriften der Haushaltsgesetzgebung restriktiver ausgelegt.

Es wurden in der Bundeshaushaltsordnung sowie den Landeshaushalten Instrumente geschaffen, die einen flexibleren Umgang mit öffentlichen Mitteln erlauben, diese Instrumente werden teilweise aber noch nicht ausgeschöpft. Ein wichtiges Instrument geförderten Einrichtungen eine flexiblere Mittelbewirtschaftung zu ermöglichen, sind die Selbstbewirtschaftungsmittel. Haushaltstitel, die mit dem Vermerk „zur Selbstbewirtschaftung freigegeben“ versehen werden, können in das folgende Haushaltsjahr übertragen werden. Damit soll das berühmte „Dezemberfieber“ eingedämmt werden. Das „Dezemberfieber“ führt ansonsten dazu, dass zum Jahresschluss noch Einkäufe getätigt werden, um eine Rückzahlung nicht verbrauchter Mittel zu vermeiden.

Leider werden die positiven Ansätze in der Bundeshaushaltsordnung wie die Selbstbewirtschaftungsmittel bislang zu selten gewährt. Ein Hemmschuh ist hierbei weniger das Parlament als viel mehr die Verwaltung. Ihr Einfluss auf geförderte Einrichtungen würde bei einer Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten innerhalb des Haushaltsrechts abnehmen. Dieser Machtverlust wird oft nicht hingenommen.

Dabei hat auch die Verwaltung selbst mit dem von ihr geschaffenen Haushaltsrecht Probleme. Ein bekanntes Beispiel sind hierfür die Worte von Staatsminister Naumann, der von den „Fesseln des Haushaltsrechts“ spricht. Er tritt mit den von seinem Haus geförderten Einrichtungen vielfach die Flucht in andere Rechtsformen an oder empfiehlt sie. Die Errichtung einer Stiftung ist scheinbar das probate Mittel, wie sich die Kulturverwaltung eines Problems entledigen kann. Der schwarze Peter der Unzulänglichkeiten des öffentlichen Haushaltsrechts wird nun den verantwortlichen Gremien und der Geschäftsführung der Stiftung zugeschoben. Nach wie vor steuert aber die Verwaltung über die jährlichen Zuwendungen die Stiftung.

Dies ist meines Erachtens nicht nur ein falscher Weg, den Zwängen des Haushaltsrechts zu entkommen, es ist sogar der Missbrauch der Institution Stiftung. Eine Stiftung sollte gerade für Unabhängigkeit stehen. Eine Stiftung muss ihre Zwecke aus den Erträgen ihres Vermögens erfüllen können.

Sie darf nicht von jährlichen öffentlichen Zuweisungen abhängig sein. Eine Stiftung darf vom Staat weder inhaltlich über die Gremien noch über den Geldzufluss dominiert werden. Davon ausgenommen, ist die übliche Aufsicht über die Erfüllung der satzungsgemäßen Zwecke einer Stiftung, die von den Stiftungsaufsichtsbehörden ausgeübt wird.

Dieser Stiftungsaufsicht unterliegen alle Stiftungen. Sie bietet Stifterinnen und Stiftern die Gewähr, dass auch Jahrzehnte nach der Stiftungserrichtung und dem Tod der Stifterinnen und Stifter weiterhin die beabsichtigten satzungsgemäßen Zwecke verfolgt werden.

Bedenklich bei der Gründung von Stiftungen der öffentlichen Hand ist über das bereits Gesagte hinaus, wenn von einem Ressorts die Mittel zur Unterhaltung der laufenden Geschäfte einer Stiftung gewährt werden und Vertreter genau dieses Hauses in den Aufsichtsgremien der Stiftung sitzen.

Ferner erschweren die Schattenhaushalte, die durch die Gründung von Stiftungen der öffentlichen Hand entstehen, dem Parlament die Kontrolle über das Haushaltsgebaren einzelner Ministerien oder Ressorts.

Erfolgsstory Bürgerschaftliches Engagements

Sind Stiftungen also keine Lösung aus dem Problem der Kulturfinanzierung? Ich denke doch; wenn richtige Stiftungen gegründet werden; wenn sich der Staat nach Gründung tatsächlich zurückzieht; wenn die Stiftung Teil des Dritten Sektors ist.

Denn der Dritte Sektor, also die Vereine, Stiftungen, Genossenschaften etc., ist ein eigener Bereich neben dem Markt und dem Staat. Der Dritte Sektor kann vom Staat, dem Markt und den Privaten Haushalten klar abgegrenzt werden.

Das bedeutet auch, dass der Staat den Dritten Sektor weder organisieren kann noch sollte. Die „Erfolgsstory“ Bürgerschaftliches Engagements führt derzeit zu der Entwicklung, dass sich die Landesregierungen aufgerufen fühlen, eigene Stellen zum Ehrenamt oder zum Bürgerschaftlichen Engagement einzurichten. So gibt es kaum ein Bundesland, in dem sich nicht mindestens ein Referat in einem Ministerium, sei es das Jugendministerium, das Innenministerium, die Staatskanzlei oder ein anderes Haus, eingerichtet wurde, das sich mit der Förderung des ehrenamtlichen oder allgemeiner des Bürgerschaftlichen Engagements befasst. Und auch auf Bundesebene gibt es verschiedene Ressorts, die mit der Fragestellung betraut sind. Solange diese Referate sich in erster Linie mit der praktischen Umsetzung verbesserter Rahmenbedingungen befassen, erfüllen sie die Aufgaben der Verwaltung. Die Verwaltung meint aber mitunter, am besten zu wissen, „wie das Ehrenamt zu funktionieren habe“. Sie glaubt teilweise, das Ehrenamt oder das Bürgerschaftliche Engagement organisieren zu können. Eine solche Einstellung beachtet die Trennung der Sektoren nicht. Die Entwicklung der Zivilgesellschaft wird dadurch eher behindert als gefördert.

Bürgerschaftliches Engagements wird in diesem Zusammenhang oft verkürzt auf das Ehrenamt. Bürgerschaftliches Engagements ist aber mehr. Es beinhaltet sowohl die Spende von Zeit – also das Ehrenamt – als auch die Spende von Geld.

Chancen und Grenzen des Bürgerschaftlichen Engagements

Die Diskussion um die Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements bietet die Chance, grundlegend zu debattieren, welche Aufgaben der Staat, welche die Wirtschaft, welche die Organisationen des Dritten Sektors und welche die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen sollen. Dazu gehört neben den Potenzialen des ehrenamtlichen Engagements auch von den Grenzen dieser freiwilligen Tätigkeiten zu sprechen. Darüber nachzudenken, ab welchem Punkt es geradezu kontraproduktiv für die Einrichtungen, den Verein oder die Allgemeinheit ist, wenn Aufgaben ehrenamtlich wahrgenommen werden. Ebenso muss ohne Vorurteile darüber debattiert werden, in welchen Einrichtungen gerade das ehrenamtliche Engagement wenig Erfolg haben wird. Ich denke in diesem Zusammenhang an Theater, die sowohl in Hinblick auf ihre Verwaltung, als auch die Technik und erst recht mit Blick auf ihre künstlerischen Produktionen voll professionalisiert sind und in denen ehrenamtlich Aktive allenfalls so „befriedigende“ Aufgaben wie den Garderobendienst finden. Für solche Einrichtungen manifestiert sich Bürgerschaftliches Engagements nicht so sehr im Ehrenamt in den Häusern sondern viel eher als Engagements in Fördervereinen oder Förderkreisen, die durch die Sammlung von Geld für Einrichtungsgegenstände oder auch Inszenierungen sehr wirkungsvoll ihr Engagement für ihr Theater unter Beweis stellen können.

Damit dieses Engagements seine Wirkung entfalten kann, muss das Haushaltsrecht geändert werden. Die derzeitigen Festlegungen einer Institutionellen Förderung schreiben fest, dass hinzutretende Mittel den Förderbetrag der öffentlichen Hand senken. D.h. private Mittel wie beispielsweise Spenden für eine Inszenierung führen dazu, dass um genau den gespendeten Betrag die Förderung gekürzt wird. Die Einrichtung steht am Ende genau so arm wie vorher da.

Da teilweise auch bei Projektförderungen so verfahren wird, dass zusätzlich hinzugewonnene Mittel auf die Förderung angerechnet werden, bedeutet auch die Umstellung von Institutioneller auf Projektförderung keine Lösung des Problems.

Die vollständige Anrechnung von Spenden auf die Förderung der öffentlichen Hand lässt das Interesse der Einrichtungen erlahmen, sich um andere Geldquellen zu bemühen, da sie über den finanziellen Status Quo nicht hinauskommen. Darüber hinaus ist es unmöglich private Geldgeber zu finden, wenn die Spende dazu führt, dass die öffentliche Förderung gekürzt wird. Also überhaupt keinen finanziellen Effekt erreicht. Wenn die Akquirierung privater Mittel zu einem solchen finanziellen Nullsummenspiel wird, sinken auch die Anreize für Vereine und auch für spendenbereite Bürgerinnen und Bürger auf Null.

Zusätzlich ist zu bedenken, dass der Kulturbereich nicht der erste Bereich ist, der auf dem privaten Spendenmarkt auftritt. Bei der Gewinnung von Spenden handelt es sich um einen Markt mit einem starkem Konkurrenzdruck. Die Wohlfahrtsverbände und einige Umweltschutzorganisationen haben einen festen Platz im Spendenmarkt. Sie verfügen über professionelle Fundraising-Abteilung oder arbeiten mit Agenturen zusammen, die auf diesen Markt spezialisiert sind. Im Kulturbereich ist das Wissen um Methoden des Fundraising vielfach nicht vorhanden.

Ein wichtiges Arbeitsfeld für Organisationen des Dritten Sektors wird demnach im Kulturbereich in den nächsten Jahren die Professionalisierung in der Mittelbeschaffung sein. Der Staat wird teilweise aufgrund der schwierigen Haushaltslage nicht mehr der einzige Ansprechpartner zur Finanzierung von Vorhaben sein können. Teilweise erscheinen den Organisationen aber auch andere private Geldquellen als geeigneter, weil die Mittel flexibler verwendet werden können.

Doch können sich gemeinnützige Kulturorganisationen nicht allein darauf verlassen, mit Hilfe von privaten Spenden ihre Haushaltslöcher zu stopfen. Sie müssen auch die vorhandenen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung nutzen. Dabei darf keine Gewinnerzielungsabsicht als solche verfolgt werden, sondern es geht darum, dass erzielte Einnahmen dem gemeinnützigen Bereich wieder zugeführt werden. Nur wenn dies gewährleistet ist, sind die Steuervorteile von gemeinnützigen Organisationen zu rechtfertigen.

Die Erwirtschaftung von Eigenmitteln ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Organisation die Mittel auch behalten darf. Wenn die Erwirtschaftung von Eigenmitteln dazu führt, dass die öffentliche Förderung gekürzt wird oder aber dass die erwirtschafteten Mittel dem Staat überwiesen werden müssen, tritt der oben beschriebene Effekt des „Nullanreizes“ ein.

Der Ball liegt bei der Politik

Der 14. Deutsche Bundestag hat zu Beginn dieses Jahres eine Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ eingesetzt. Aufgabe dieser Enquete-Kommission ist es, Gesetzesvorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagements zu erarbeiten. Als erste Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags hat sie darüber hinaus den Auftrag, die laufende Gesetzgebung zu begleiten.

Der Enquete-Kommission gehören 22 Mitglieder an. Sie setzt sich aus 11 Abgeordneten und 11 Sachverständigen zusammen. Die 11 Abgeordneten haben wiederum Stellvertreter. Als Sachverständige wurden Wissenschaftler und Vertreter aus Verbänden vom Bundestagspräsidenten berufen. Die Sachverständigen sollen unter anderem den Praxisbezug der Gesetzgebungsvorschläge gewährleisten.

Eine der zentralen Aufgaben der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ wird sein, die vorhandenen Hemmnisse zur Entwicklung von Bürgerschaftlichen Engagements zu untersuchen und daraus gesetzgeberische Vorschläge abzuleiten. Die Enquete-Kommission wird sich in diesem Zusammenhang mit dem Verhältnis Staat, Bürger, Markt und Dritter Sektor befassen müssen.

Eine wichtige Aufgabe der Enquete-Kommission muss daher auch das Bundeshaushaltsrecht sein. Das Bundeshaushaltsrecht ist eine der wichtigen Stellschrauben für mehr Eigenständigkeit von Einrichtungen und für mehr Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Werden die Schrauben gelockert und modernen Anforderungen angepasst, kann sich der Staat zurücknehmen.

Bürgerschaftliches Engagements und Staat sind wie Feuer und Wasser: Es muss darum gehen, dass das aufflammende Bürgerschaftliche Engagement nicht durch den regulierenden Staat gelöscht wird

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