Hauptrubrik
Banner Full-Size

Föderalismusreform: Antwort auf den Offenen Brief von Monika Griefahn, MdB

Publikationsdatum
Body

Frau Monika Griefahn, MdB
Kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Berlin, den 30.06.2006

Antwort auf den Offenen Brief an den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrat e.V. vom 29.06.2006

Sehr geehrte Frau Griefahn,
für Ihren Offenen Brief an mich vom 29.06.2006 danke ich Ihnen.
Mir scheint, dass Ihre Auslegung des Änderungsantrags der CDU/CSU-und der SPD-Bundestagsfraktion zur neuen Formulierung des Art. 104 b GG, der sich in der Beschlussvorlage des Rechtsausschusses vom 29.06.2006 (Drucksache 16/2010) so wiederfindet, und meine Interpretation dieses Grundgesetzartikels zumindest eines ganz klar offenbart:

Die Föderalismusreform mag in einigen Bereichen eine klarere Kompetenzverteilung erbringen, für die Kulturförderung des Bundes gilt dieses offensichtlich nicht.
Die Unklarheit offenbart sich bereits aus dem Begriffswirrwarr, welches um den Begriff der Kulturhoheit der Länder entstanden ist. Die Länder formulierten im Eckpunktepapier zur Systematisierung der Kulturförderung von Bund und Länder aus dem Jahr 2003: „Die Kulturhoheit liegt grundsätzlich bei den Ländern. Sie ist ihr verfassungsrechtlicher Auftrag und Kernstück der Eigenstaatlichkeit.“ Staatsrat a.D. Prof. Dr. Reinhard Hoffmann schreibt in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung von Bundestag und Bundesrat zur Föderalismusreform am 02.06.2006: „In der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung ist primär die grundsätzliche Kulturhoheit der Länder, die zu dem bedeutendsten Kompetenzbereich der Länder gehört: sie ist ihr verfassungsrechtlicher Auftrag und Kernstück ihrer Eigenstaatlichkeit. – Demgegenüber hat der Bund aufgrund expliziter Normierung einzelne – punktuelle – Kompetenzen, z.B. in den neuen Ländern (s. Art. 35 Abs. 4 und 7 Einigungsvertrag, in letzterem Fall nur „übergangsweise“); er trägt zudem aufgrund vielfältiger sonstiger Gesetzgebungskompetenzen eine erhebliche Verantwortung für die Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur.“ So weit die Länderseite.

Auf der Bundesseite erklärten der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Wolfgang Börnsen, MdB und die Obfrau im Ausschuss für Kultur und Medien der CDU/CSU-Fraktion Prof. Monika Grütters, MdB am 28.06.2006 in einer Pressemitteilung: „Es gibt keine Kulturhoheit der Länder als solche. Es hat sie bisher nicht gegeben und die Föderalismusreform ändert an diesem Grundsatz nichts“. Sie schreiben als Sprecherin der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Fraktion in ihrem offenen Brief vom 29.06.2006 an mich von der Kulturhoheit des Bundes, von der bislang noch nicht die Rede war. Sie werden verstehen, dass diese geradezu gegensätzlichen Aussagen von Bundes- und von Länderseite zumindest eines zeigen, eine Klärung hinsichtlich der Kulturhoheit und daraus folgend der Kompetenzen des Bundes und der Kompetenzen der Länder in Fragen der Kulturförderung wurde bislang nicht erzielt.

Ähnlich unterschiedlich wird die von Ihnen erwähnte Förderkompetenz des Bundes „aus der Natur der Sache“ interpretiert. Im erwähnten Eckpunktepapier steht in Bezug auf den Bund hierzu: „Der Bund nimmt im Kulturbereich ungeschriebene Kompetenzen „kraft Natur der Sache“ und damit eine mehr oder weniger umfassende eigene Zuständigkeit für kulturelle Aufgaben von nationaler oder internationaler, überregionaler oder landesübergreifender Bedeutung sowie in Bezug auf die generelle nationale Repräsentation des Gesamtstaats auch im Inland für sich in Anspruch.“ Jedoch wird von den Ländern im selben Papier entgegengehalten: „Demgegenüber sind die Länder der Auffassung, dass eine ungeschriebene Kompetenz des Bundes mit Blick auf die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder als Ausnahme einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Eine Kompetenz des Bundes kraft „Natur der Sache“ lässt sich demnach weder allein durch die Überregionalität einer Aufgabe, noch allein durch deren gesamtstaatliche oder nationale Bedeutung, noch allein durch deren Auslandsbezug oder einen internationalen Kontext rechtfertigen. Insbesondere begründet die Tatsache, dass eine Aufgabe nur von mehreren oder allen Ländern gemeinsam oder koordiniert sinnvoll erfüllt werden kann, für sich keine Zuständigkeit des Bundes.“

Gerade weil hinsichtlich der Kulturförderaufgaben des Bundes aus der Natur der Sache zwischen Bund und Länder ein Dissens besteht, drohte beispielsweise in der letzten Legislaturperiode das Land Baden-Württemberg mit einer Verfassungsklage als der Bund die Förderung der Akademie der Künste ganz übernahm, obwohl zwei Länder, Berlin und Brandenburg, die mit dem Bund getroffene Lösung wollten. Unter Verweis auf die Kulturhoheit der Länder, und damit deren alleinige Kompetenz, wurde in der letzten Legislaturperiode vom Bundesrat die Errichtung der Bundesstiftung Baukultur verhindert.

Hinsichtlich Ihres Verweises auf Artikel 70 GG ist es zutreffend, dass der neue Artikel 104 b GG in Anlehnung zu diesem Grundgesetzartikel verfasst wurde. Jedoch bezieht sich Art. 70, Abs. 1 GG auf die Gesetzgebung der Länder und nicht die des Bundes, wenn dort steht: „Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungskompetenzen verleiht“. In Satz 2 ist formuliert: „Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.“ Mit Blick auf die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung wird im Zuge der Föderalismus Klarheit hinsichtlich der Zuständigkeit für den Schutz von deutschem Kulturgut vor der Abwanderung in das Ausland erzielt. Die allgemeine Kulturförderung ist davon nicht berührt. Ebenso werden im neuen Art. 104 b GG eben nicht die Gesetzgebungskompetenzen der Länder (Art. 70, Abs. 1 GG), sondern die Finanzhilfen des Bundes geregelt, für die zumindest nach dem Wortlaut der Beschlussvorlage des Rechtsausschusses das Grundgesetz ihm (dem Bund) eine Gesetzgebungskompetenz verleihen muss.

Wenn Deutscher Bundestag und Bundesrat in einem Entschließungsantrag, wie Sie ankündigen, einvernehmlich formulieren wollen, dass die gemeinsame Kulturförderung von Bund und Ländern einschließlich der im Einigungsvertrag enthaltenen Bestimmungen über die Mitfinanzierung von kulturellen Maßnahmen und Einrichtungen durch den Bund unberührt bleiben sollen, hätte dieses auch im Grundgesetz formuliert werden können. Nichts anderes beinhaltet die Forderung des Deutschen Kulturrates.

Ziel muss es meiner Ansicht nach sein, dass auch in der Zukunft der Bund direkt und unmittelbar die Kultureinrichtungen und Kulturinstitutionen in Deutschland fördern darf. Hierfür wird besonders der Artikel 104a, Abs. 1 GG heranzuziehen sein. Der Artikel 104 b, Abs. 1 GG (Finanzhilfen des Bundes an die Länder) beschreibt nicht den Lösungsweg für eine Bundesfinanzierung. Deshalb ist es richtig, dass die Regierungsfraktionen in der Begründung zu dem Artikel 104 b neu den Satz „Die gemeinsame Kulturförderung von Bund und Länder bleibt davon unberührt“ eingefügt haben. Uns geht es um nicht mehr und nicht weniger als darum, dass dieser Satz, der bereits in der Gesetzesbegründung formuliert ist, in den Gesetzestext von Art. 104 b GG, der die Eingrenzung der Finanzhilfen des Bundes formuliert, aufgenommen wird und nicht nur in der Begründung steht. Denn dass wissen Sie als erfahrene Politikerin auf Landes- und auf Bundesebene genauso wie ich, am Ende zählt der Text des Gesetzes, besonders wenn es das Grundgesetz ist, und keine Gesetzesbegründung und schon gar nicht ein Entschließungsantrag bei der Verabschiedung des Gesetzes. Letzteres ist, sollte es so kommen, wie Sie andeuten, uneingeschränkt zu begrüßen.

Durch die erst vor wenigen Tagen eingefügte Erweiterung des Artikel 104 b GG wird klar und unmissverständlichfestgelegt, dass eine Finanzhilfe des Bundes z.B. im Bereich der Kulturförderung nicht zulässig ist, weil es keine im Grundgesetz verliehene Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für Kulturförderung gibt. Das ist für mich eine nochmalige klare und eindeutige Verschlechterung der Situation für die Kultur.


Mit freundlichen Grüßen

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer


· Der Offene Brief der Sprecherin der AG Kultur und Medien der SPD-Fraktion Monika Griefahn, MdB vom 29.06.2006 ist nachzulesen unter:
http://www.kulturrat.de/dokumente/offener-brief-griefahn.pdf

· Die Pressemitteilung des Deutschen Kulturrates Föderalismusreform: Nochmalige Verschärfung bei der Bundeskulturförderung vom 28.06.2006 ist nachzulesen unter:
http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=793&rubrik=2