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Damals war die SWR-Welt noch in Ordnung: Posieren für das Pressefoto. Foto: SWR/ W. Lamparter
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Folgsame Abnickmarionetten auf Spesenbasis

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Ein abschließender Kommentar zur Fusion der SWR-Rundfunksinfonieorchester
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Am Ende wird es nur Verlierer geben: die beiden Rundfunksinfonieorchester des Südwestrundfunks (SWR) werden nach dem derzeitigen Stand der Dinge im Jahre 2016 fusioniert sein. Alle bisherigen Versuche, eine andere Lösung zu finden, sind mehr oder weniger gescheitert. Höchstens noch die Hoffnung stirbt zuletzt. Nur Österreicher hätten es in einer solchen Situation, wie gegen Ende des Ersten Weltkrieges, gut, weil sie die Lage als hoffnungslos, aber nicht ernst bezeichnen könnten.

Bei den Verlierern muss zwischen zwei Gruppen unterschieden werden: den echten und den gedankenlosen, zu Letzteren gehören die Dummköpfe. Echte Verlierer sind alle 102 Musiker des Stuttgarter Orchesters und die 98 des Baden-Baden/Freiburger Orchesters. Sie büßen ihre Orchester-Heimat ein. Deren Tradition, Verdienste, unveränderte Bedeutung für die Musik, auch und besonders für die Neue Musik und ihre Komponisten, ist fortan nichts mehr wert. Die Zusammenlegung beider Orchester zu einem Großorchester produziert zunächst einmal nur einen Musikerpool ohne Geschichte, ohne Gesicht, ohne künstlerische Perspektive, denn die beiden Orchester besitzen jedes ein äußerst individuelles Profil, das sich schwer auf einen Nenner bringen lässt, es sei denn, man senkt das Spielniveau insgesamt weit hinab.

Verlierer sind auch und vor allem die vielen Musikfreunde im badischen Teil des Landes Baden-Württemberg, die fortan kein A-Orchester mehr in ihrer Region präsent wissen. Ein aufgelegtes Konzertabonnement des neuen Stuttgarter SWR-Großorchesters in Freiburg darf man als notwendige Pflichtübung betrachten – mit Begeisterung dürfte keiner der Musiker, vor allem nicht aus dem dann ehemaligen Freiburger Orchester dabei mitwirken.

Verlierer sind ferner, und das wiegt umso schwerer, die vielen Jugendlichen und Schüler im badischen Landesteil, die bisher von der Existenz des SWR-Freiburg-Orchesters wichtige Anregungen und Unterweisungen für die eigene Beschäftigung mit Musik erhalten haben. Von Stuttgart aus lässt sich eine so enge (auch geografische) Verbindung zwischen Lehrer und Schüler kaum aufrechterhalten – das wird sogar von den Fusionisten so gesehen. Es wird einfach mal so in Kauf genommen.

Ein Verlierer ist auch der Rechtswissenschaftler Friedrich Schoch, der seit zwei, drei Jahren Tag für Tag versucht, eine alternative Lösung für die Fusion, besonders für die Weiterexis­tenz des SWR-Orchesters Baden-Baden/Freiburg zu finden. Er bewegte das Orchester, auf gewisse Privilegien zu verzichten – Einsparung circa 480.000 Euro. Er sprach Politiker an, die sich plötzlich sogar für die Angelegenheit zu interessieren schienen.Letzten Endes alles umsonst. Plötzlich verstummten die vornehmlich Grünen Politiker, anscheinend wurden sie von ihren Parteioberen zur Ordnung gerufen, sich nicht in Rundfunkangelegenheiten einzumischen. Friedrich Schoch ist bei allem die einzig aufrechte, sachlich kompetente Figur in dem unwürdigen Fusionsspiel.

Die anderen Verlierer

Wenn der SWR-Intendant Peter Boudgoust glaubt, er hätte nun die lange Schlacht um die Fusion der Orchester gewonnen, so möchte man ihm entschieden widersprechen. Er hat dabei endgültig sein Gesicht verloren, das er meinte zu verlieren, wenn er die Fusion absagen würde. Das Gegenteil wäre der Fall gewesen: er hätte das persönliche Format gewonnen, das man von einem Intendanten einer großen Rundfunkanstalt erwarten darf. Und natürlich auch mehr Kenntnisse von den Dingen selbst, über die man entscheidet. Wenn 160 Dirigenten und 148 Komponisten einen offenen Brief an den Intendanten Boudgoust schreiben, in dem sie ihre Bedenken gegen die Fusion äußern, wenn 30.000 Musik-Bürger per Klick oder E-Mail Protest anmelden, wenn die Berliner Philharmoniker ihre Kompetenz in einem Brief an die Intendanz einbringen, in dem sie darauf hinweisen, dass noch keines der großen bedeutenden Orchester in aller Welt aus einer Fusion hervorgegangen ist – nur die SWR-Intendanz will es nicht wissen und glaubt das Gegenteil. Dabei hat sie bislang noch keinen Chefdirigenten benannt, der das neue Orchester zu einem ersehnten Eliteensemble formen könnte. So einfach ist das nämlich nicht und so etwas dauert auch oft viele Jahre. Was Boudgoust ein wenig entschuldigen könnte, wäre ein immer wieder anklingender Verdacht, dass er vom Land Rheinland-Pfalz in der Orchesterfrage unter Druck gesetzt worden sei. Boudgoust bestreitet es, doch gibt das Verhalten des vormaligen Rundfunkrates zu dieser Vermutung durchaus Anlass: Alle Mitglieder aus Rheinland-Pfalz stimmten geschlossen für die Fusion. Und eine in die Öffentlichkeit gelangte Protokollnotiz einer Rundfunkratssitzung belegt, dass die Räte ernsthaft ermahnt wurden, nun endlich zu entscheiden – im Sinne der Fusionsbetreiber natürlich. Die Tatsache, dass sowohl der damalige als auch jetzt der neu bestimmte Rundfunkrat mit großer Mehrheit den Fusionsplänen ohne viel Federlesens und Diskussion zugestimmt hat (ein Dutzend aufrechter Widersprecher wirkten eher wie die flandrischen Gesandten vor dem spanischen Hof in „Don Carlos“), beweist vor allem die Inkompetenz der Rundfunkräte. Da salbadert ein Intendant (Boudgoust) in der Art einer tibetanischen Gebetsmühle fast drei Jahre lang immer seine „Wir-müssen-sparen-Litanei“ herunter, deren Monotonie in den Köpfen der Rundfunkräte offensichtlich das Nachdenken ausgeschaltet hat. Und bei den Verwaltungsräten ebenso. Es wäre an der Zeit, einmal Funktionen, Zusammensetzung, Kompetenz der Rundfunkräte neu zu definieren. Im Moment erscheinen sie vor allem als folgsame Abnickmarionetten auf Spesenbasis.

Zu den Minus-Verlierern muss man auch die Landespolitiker zählen. Es ist richtig: die Politik hat sich nicht in die internen Rundfunkangelegenheiten einzumischen (obwohl sie es immer wieder einmal versucht, wenn’s um die Besetzung von Spitzenpositionen geht). In Baden-Württemberg hat aber die Diskussion über die Orchesterfusion schon lange die Grenzen der Funkhäuser überschritten. Die beiden Orchester sind in fast sieben Jahrzehnten zu einem wesentlichen Teil des öffentlichen Musiklebens geworden. Sie konnten für ihre Live-Konzerte ein treues Publikum gewinnen, die Proteste haben gezeigt, wie groß Interesse und Anteilnahme der Musikbegeisterten im Lande sind. Und auch die verdienstvolle Arbeit vieler Orchestermitglieder mit jungen Menschen sollte einer verantwortungsvollen Kulturpolitik nicht gleichgültig sein. Vor der Kommunalwahl regten sich speziell bei den Grünen im Lande erste Bedenken über die Enthaltsamkeit der Politik. Man begann zumindest mit der Diskussion. Nach der Wahl allerdings trat rasch das alte Schweigen wieder ein. Es heißt, man habe die Übereifrigen wieder zur Ruhe verdonnert. Wer hat verdonnert? Der Ministerpräsident Kretschmann, der sich vorwiegend in Schweigen hüllt? Es ist schon deprimierend: das Bild, das Baden-Württembergs Politiker in dieser kulturpolitisch gravierenden Frage bieten. Ihnen und dem Intendanten Boudgoust samt seiner Entourage möchte man den Blick nach Nordrhein-Westfalen empfehlen. Dort hat der WDR-Intendant, obwohl auch er ziemlich viel „sparen“ muss, den hauseigenen Klangkörpern eine Bestandsgarantie gegeben. Und dem Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon wünschte man den Blick zurück zu seinem ersten Nachkriegsvorgänger Wolfgang Hoffmann: Der spielte – ein begabter Klavierdilettant im besten Sinne – mit „seinem“ Städtischen Orchester Klavierkonzerte und spendete seine Gage für den Wiederaufbau des heimischen Stadttheaters. Sprichwort Hoffmann: Man müsse den Hut vor sich werfen (wenn man etwas scheinbar Unmögliches erreichen möchte). Von dieser Haltung sind seine Nachfahren sternenweit entfernt.

Kein Orchesterchef in Sicht

Wie wird alles enden? Das fusionierte Orchester wird 2016 seine Arbeit aufnehmen. Von den zweihundert zur Verfügung stehenden Musikern werden die als Endzustand projizierten 119 auf dem Podium sitzen. Wer wird sie dirigieren? Ein „Chef“ ist bislang nicht benannt. Das ist auch verständlich. Jeder, der sich zu diesem Großorches-ter drängt, muss es sich gefallen lassen, als charakterloser Opportunist apostrophiert zu werden. Erste Namen sind schon aus dem Funkhaus hinausgedrungen. Einen Namen möchte man bisher nicht glauben. Deshalb schweigen wir noch.

Vom Intendanten Peter Boudgoust heißt es, er gehe demnächst, vielleicht schon im nächsten Jahr, in Pension. Wunderbar! Man richtet einen Scherbenhaufen an und entzieht sich den Folgen durch die Flucht in den Ruhestand. Nach mir die Sintflut. Toll, diese großen Persönlichkeiten! Wenn dann die Kosten für die Fusion nach dem Vorbild von Elbphilharmonie oder Berliner Flughafen prozentual ins Unanständige gestiegen sind, ist man nicht mehr zuständig. Dabei wäre alles ganz einfach: Peter Boudgoust hört nicht länger auf Politiker und orientiert sich an seinem Kollegen im Westdeutschen Rundfunk. Dann hätte er Format und vor allem wieder ein Gesicht.

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