Das verloren geglaubte Schülerverzeichnis der Leipziger Thomasschule aus der Bach-Ära wurde von einem Forscher des Bach-Archivs Leipzig wiederentdeckt. Der Band, welcher eigenhändig eingetragene Kurzlebensläufe aller 650 neuaufgenommenen Alumnen der Thomasschule für den Zeitraum 1729 bis 1800 enthält, ist die wichtigste biographische Quelle zu Bachs Thomanern und liefert neue Hinweise zur Datierung seiner Werke.
Eine erste öffentliche Präsentation erfolgt im Rahmen der Ausstellung »Netzwerk Thomanerchor« des Bach-Museums Leipzig, die ab dem 16. März 2012 zu sehen ist.
Der fast 700seitige Band »Album Alumnorum Thomanorum« wurde in den 1960er Jahren zusammen mit anderen Unterlagen von der Thomasschule an das Stadtarchiv Leipzig übergeben und dem Bestand Thomasschule zugeordnet. Bei Recherchen zur Thomana entdeckte ein Forscher des Bach-Archivs Leipzig den bislang unbeachteten Band. Im Zuge des Forschungsprojektes »Johann Sebastian Bachs Thomaner«, das von der Gerda Henkel Stiftung maßgeblich gefördert wird, soll der Fund nun im Bach-Archiv Leipzig wissenschaftlich ausgewertet werden.
»Wir haben hier gewissermaßen das Stammbuch von Bachs Sängern wiedergefunden. Da wir aus Anlass des 800jährigen Thomana-Jubiläums gerade damit begonnen haben, in einem Sonderprojekt systematisch die Lebensläufe der Bach-Thomaner zu erkunden, wird uns die Matrikel vielfältige Dienste leisten und uns gewiss auf ganz neue Spuren bei der Suche nach weiteren Bach-Dokumenten führen«, so Dr. Michael Maul. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Bach-Archivs Leipzig nimmt seit zwei Jahren eine systematische Sichtung der historischen Schulmaterialien vor, im Rahmen derer ihm auch die Wiederentdeckung der Matrikel gelang.
Das Dokument liefert ausführliche biographische Informationen über die Chormitglieder zur Zeit der Thomaskantoren Johann Sebastian Bach, Gottlob Harrer, Johann Friedrich Doles und Johann Adam Hiller. Die Alumnen kamen damals aus ganz Mitteldeutschland, bzw. auch aus weiter entfernten Gebieten an die Thomasschule. Eingetragen haben sich etwa alle Thomaner, die 1734/35 das Weihnachts-Oratorium uraufführten.
Die in dem Band vereinten Handschriftenproben sollen zukünftig bei der Identifizierung der Kopisten in Bachs Originalhandschriften helfen, denn Bach beschäftigte zahleiche dieser Thomaner mit dem Ausschreiben der Aufführungsmaterialien. »Gelingt es, diese anonymen Schreiber namentlich zu identifizieren, wird es möglich, Bachs Werke genauer zu datieren«, freut sich der Direktor des Bach-Archivs Leipzig, Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph Wolff. Dr. Angela Kühnen, Mitglied des Vorstands der Gerda Henkel Stiftung, ergänzt: »Der Fund bildet eine wichtige Voraussetzung für gezielte Feldforschungen in den Archivbeständen an rund 250 Orten in Mitteldeutschland.« Erste Erkenntnisse werden im Sommer 2012 in einer Monographie zur Geschichte von Thomaskantorat und ‑chor von Dr. Michael Maul vorgestellt.
Das »Album Alumnorum Thomanorum« wird im Rahmen der Kabinettausstellung »Netzwerk Thomanerchor« ab dem 16. März 2012 im Bach-Museum Leipzig erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Das Bach-Museum befindet sich am Thomaskirchhof 15/16, direkt gegenüber der Thomaskirche, und hat von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 Uhr und 18 Uhr geöffnet.
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