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Gefühl von Freiheit - Die Kirche als Nische für DDR-Musiker

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Berlin - Ob Punk, Blues, Rock oder Jazz: Vielen Musikern blieben in der DDR offizielle Bühnen verwehrt. Ihre kritischen Töne waren unerwünscht. Im Schutz der Gotteshäuser aber fanden sie ihr Publikum - auch dort belauscht und beäugt von der Stasi. In der Dokumentation «Kirche, Pop und Sozialismus», die das RBB Fernsehen am Dienstagabend (22.45 Uhr) zeigt, schildern Musiker und Pfarrer, wie die Kirche zur Bühne wurde.

 

Das Fazit der Dokumentarfilmer Michael Rauhut und Tom Franke: Die Gotteshäuser boten «Räume, wo man anders sein durfte, wo man durchatmen konnte. Räume, in denen Hoffnung lebte; ein Gefühl von Freiheit.» Am 7. Oktober 1956 etwa gab es in der Marktkirche in Halle (Saale) ganz neue Töne: «afro-amerikanische Musik». «Jazz war das Weltlichste, was man sich vorstellen konnte», berichtet Pfarrer Theo Lehmann. «Das waren atmosphärische, himmlische Klänge, die da von der Empore runterkamen», schwärmt er noch heute. Die Kirche habe damals das Image gehabt, «etwas für Omas zu sein». «Nun stellte sich heraus, dass sie immer voller junger Leute ist - das passte dem System nicht.»

Zwei Jahrzehnte später wimmelte es in der Berliner Samariterkirche von jungen Menschen. Bis zu 7000 Jugendliche drängelten sich bei den Blues-Messen. «Ich möchte ganz besonders die Leute begrüßen, die heute dienstlich hier sind», sagte Pfarrer Rainer Eppelmann in seiner Predigt. «Wir wussten natürlich, dass sie uns alle hätten zerschmettern können - sie haben es sich aber nicht getraut», schildert er heute zum Thema Stasi und Staats-Macht.

«Die Mücke freut sich, wenn der Elefant sie tottreten will: Weil sie so klein ist, tritt er daneben», sagt der Berliner Theologe und DDR-Bürgerrechtler. Versuche, die Aktivitäten in den Kirchen zu unterbinden, gab es der Doku zufolge so einige. Hochrangige Parteifunktionäre schmiedeten demnach subtile Strategien. Der Volkszorn sollte mobilisiert werden. Die Bürger wurden aufgefordert, Eingaben zu schreiben - also offizielle Beschwerden. Dort sei die Rede von Pennern, Gammlern, Zusammenrottungen von Hippies und unkontrolliertem öffentlichem Alkoholkonsum gewesen.

1983 schlug das Ministerium für Staatssicherheit zu - und befahl Härte gegen Punks, die zunehmend zu den Berliner Blues-Messen kamen. Unter ihnen die damals 19 Jahre alte Jana Schloßer - die nur, weil sie Punkerin war, ins Frauengefängnis Hoheneck gesperrt wurde. «16 Frauen in einem Raum, eine Nasszelle, eine Toilette - und nebenan Kindermörder und Nazis», berichtet sie jetzt.

Liedermacher Gerhard Schöne wiederum wurde in Kirchenkreisen zeitweise als Verräter bezeichnet, wie er sagt. Der Grund: Seine Karriere begann zwar in Gotteshäusern, schnell trat er aber auch auf staatlichen Bühnen auf - und wurde erfolgreich. «Ich habe mir geschworen: "Du machst keine zwei verschiedenen Programme." Aber in der Kirche wurde mehr geklatscht - und mit gespitzten Ohren zugehört.»

Sophia-Caroline Kosel

 

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