Das Werkstatt-Festival Forum Neuer Musik des Deutschlandfunk bewegt sich in seiner Programmstruktur nach wie vor in ästhetischen aber auch geografischen Zonen, die andere ignorieren. Wenn Ende März im DLF-Kammermusiksaal in Köln wieder zeitgenössische Musik erklingt, dann richtet sich der Fokus der Veranstalter auf den Balkan: „Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens, Debatten um das Verhältnis der Türkei zum vereinten Europa, und die geringe kulturelle Repräsentanz des Südostens im Westen sind für uns Herausforderung, hier auf Spurensuche zu gehen“, sagt der Leiter des Forums Frank Kämpfer. Im Vorfeld sprach Andreas Kolb (nmz) mit dem DLF-Redakteur.
neue musikzeitung: Welche musikalischen Welten kann man in den fünf Konzerten Ihres FORUMs konkret entdecken?
Kämpfer: Das Eröffnungskonzert mit dem international besetzten Ensemble European Music Project führt nach Serbien. Es kombiniert Werke der mittleren Belgrader Generation und traditionelle Musik. Und es bietet eine experimentelle Gemeinschaftskomposition der jungen Belgraderin Irena Popovic und des Ensemble-Leiters Jürgen Grözinger, die Improvisation, Volksmusikalisches und Elektroakustisches vereint. Zwei Klavier-Recitals verweisen auf Rumänien und Griechenland. Dan Dediu spielt drei Generationen Bukarester Moderne – der in München lebende Minas Borboudakis versammelt Kompositionen jüngerer Griechen. Es geht aber nicht darum, landesspezifische Komponierweisen auszumachen, sondern die beginnende Integration der Leute aus dem Südosten in unseren mittel- und westeuropäischen Musikbetrieb aufzuzeigen und zu befördern. Deshalb machen wir ein Projekt von Marko Ciciliani, einem gebürtigen Kroaten, der in Amsterdam lebt. Dazu passt auch das Konzert mit dem in Utrecht ansässigen Ensemble Insomnio – eine Formation übrigens der IGNM-Weltmusiktage 2007 –, das mit dem Albaner Thoma Simaku, der Rumänin Carmen Maria Cârneci und dem Türken Ugras Durmus Werke dreier „expatriats“ versammelt.
: Beim Forum 07 kann man wieder eine Reihe unbekannter und junger Komponisten kennenlernen – wie und wo entdecken Sie sie?
Kämpfer: Anregungen verdanke ich zum Beispiel der Konzertreihe „YOUrope together“, die die Essener Philharmonie gemeinsam mit dem DLF realisiert. Oder unseren Veranstaltungen Europäischer Contrapunkt im Münchner Goethe-Forum, zu dessen Partnern ja auch die nmz gehört. Und nicht zuletzt verschiedenen Sendeprojekten im Rahmen des Ateliers Neue Musik in meiner Redaktion.
: Zuletzt eine etwas heikle Frage: Setzen Sie sich mit solchen Programmierungen innerhalb der Szene der Neuen Musik nicht Vorwürfen aus, auf dem Balkan günstig und gut einzukaufen?
Kämpfer: Die Mehrzahl der Künstler des Forums 07 lebt in Deutschland und den Niederlanden. Außerdem sieht der DLF-Honorarrahmen keine Möglichkeit für Benachteiligungen auf Grund von Wohnorten oder Staatsangehörigkeiten vor. Heikel ist Ihre Frage in ganz anderer Hinsicht. Dergestalt nämlich, dass eine Komponistin in Belgrad von ihrem Honorar ein ganzes Jahr leben kann, ein Komponist in Berlin oder München aber nur einige Wochen. Es klaffen also zwischen West- und Südosteuropa ganz immense Differenzen im Preis- und Wertesystem, mit denen alle Beteiligten leben und umgehen müssen. Vorsätzliches Preisdumping ergibt an keinem Ort der Welt ein gutes und innovatives Programm, so wie es bei uns im März zu erleben sein wird.