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Christian Krauß. Foto: VG Musikedition
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Geltendes Recht respektieren, gute Produkte anbieten

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Christian Krauß über die Aufgaben und aktuellen Herausforderungen der VG Musikedition
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Am 30. Mai begeht die VG Musikedition ihr 50. Jubiläum. Anlass für die neue musikzeitung mit dem Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft, Christian Krauß, ein Gespräch zu führen.

neue musikzeitung: 1966 wurde die VG Musikedition gegründet. Bereits in die ersten 50 Jahre ihres Bestehens fällt ein epochaler Umbruch, die Digitalisierung. Wie hat man diesen Umbruch bewältigt?

Christian Krauß: Wir befinden uns in einem Prozess des Wandels, der bei der VG Musikedition naturgemäß immer mit Verzögerung ankommt. Als Verwertungsgesellschaft kann die VG Musikedition immer nur in denjenigen Bereichen tätig werden, in denen sie die Rechte von den Rechteinhabern – Musikverlagen, Komponisten, Textdichtern und Herausgebern – erhalten hat. Was den Umfang unseres digitalen Repertoires angeht, so ist dieser derzeit noch überschaubar. Wir nehmen zurzeit digitale Rechte wahr, wenn es um die Nutzung von Noten in den allgemeinbildenden Schulen und den Kirchen geht, aber bei Weitem noch nicht in dem Maße, wie wir die grafischen Rechte in analoger Form vertreten.
Was tut die VG Musikedition?

nmz: Hat sich ihr Kundenstamm geändert?

Krauß: Auf jeden Fall. Schauen wir in das Jahr 1966 und folgende zurück: Der Anlass der Gründung der VG Musikedition war zunächst ausschließlich die Wahrnehmung der Nutzungsrechte an wissenschaftlichen Ausgaben und Erstausgaben, also wenn es zum Beispiel um die Aufführung oder Sendung von Ausgaben und Werken ging, die gemäß § 70/71 UrhG geschützt sind. Im Laufe der Jahre ist dann die Wahrnehmung der Vergütungsansprüche aus dem sogenannten „Schulbuch-Paragraphen“ dazugekommen, also die Abdruckrechte für Sammlungen in Schul- und Kirchenbüchern, dann die ersten grafischen Vervielfältigungsrechte, die das Fotokopieren in Kirchen und im Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen ermöglichen. In den vergangenen zehn Jahren wurde der Berechtigungsverlag der VG Musikedition dann hinsichtlich der grafischen Vervielfältigungsrechte gegenüber Musikschulen, Volkshochschulen und anderen nicht kommerziellen Einrichtungen erweitert.

nmz: Beschreiben Sie uns die VG Musikedition und ihre Aufgaben.

Krauß: Neben den Nutzungsrechten an wissenschaftlichen oder Erstausgaben, die von der VG Musikedition wahrgenommen werden, nimmt die VG Musikedition wie beschrieben heute in erster Linie grafische Vervielfältigungsrechte wahr. Sie wird dann tätig, wenn es um das Kopieren von Noten geht, in erster Linie zu nicht kommerziellen Zwecken, in Kirchen, (Musik-)Schulen, Volkshochschulen, Kindergärten oder Senioreneinrichtungen. Weiter ist die VG Musikedition von ihren Mitgliedern mit der Wahrnehmung von bestimmten Vergütungsansprüchen beauftragt, zum Beispiel dem bereits erwähnten „Schulbuch-Paragraphen“ oder der Bibliothekstantieme.

nmz: In einer Pressemitteilung von Ihnen stand kürzlich zu lesen: Die VG Musikedition steigert Erträge und Ausschüttungen im Geschäftsjahr 2015. Sind Sie als Geschäftsführer auch zufrieden?

Krauß: Diese positive Entwicklung hält nun schon seit einigen Jahren an. Zum einen gab es in den letzten Jahren immer wieder einmalige, positive Sondereffekte, wie das Erscheinen des neuen katholischen Gesangbuchs, zum anderen konnten wir aber in nahezu allen Wahrnehmungsbereichen erfreulicherweise steigende Erträge verzeichnen. Eine Entwicklung, die sich aufgrund mittel- und langfristiger Verträge mit unseren Partnern und der zunehmenden Kooperation mit ausländischen Schwestergesellschaften auch fortsetzen wird.

Es gibt aber auch Bereiche, mit denen wir (noch) nicht zufrieden sein können. Sparten, in denen der Umfang des Fotokopierens nicht den Erträgen, die wir als Treuhänder für die Autoren und Verlage erwirtschaften, entspricht. Dazu zählt auch der Bereich der Musikschulen: ein Feld, auf  im Moment noch sehr viel Arbeit vor uns liegt.

nmz: Derzeit sind die Lizenzverträge mit Musikschulen im Fokus der VG Musikedition. 2015 hat man mit dem VdM einen Gesamtvertrag abgeschlossen. Wie sieht die Praxis aus?

Krauß: Über den Abschluss eines Gesamtvertrags mit VdM sind wir zunächst einmal sehr froh. Dem sind schwierige Verhandlungen mit dem VdM vorausgegangen. Aber, sowohl was den VdM angeht, als auch den bereits 2009 ausgehandelten Vertrag mit dem bdpm, können wir durchaus sagen: Wir haben uns inhaltlich auf ein jeweils gutes Modell geeinigt. Und wie das so ist bei guten Verträgen: Jede Seite ist auf die andere zugegangen, jeder Partner musste Kompromisse eingehen. Insbesondere im Bereich der Vergütung sind wir dabei dem VdM und bdpm durch Stufenregelungen und der Einräumung von Nachlässen weit entgegengekommen. Jetzt gilt es diesen Vertrag mit Leben zu füllen.

Nach gut einem Jahr haben knapp 200 Musikschulen einen Lizenzvertrag unterzeichnet . Das ist erfreulich, doch die Zahl von 900 Musikschulen unter dem Dach des VdM und etwa 300 beim bdpm zeigen, dass noch eine gewisse Arbeit vor uns liegt. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam mit der GEMA, die die Administrierung und das Inkasso für die VG Musikedition in diesem Bereich übernommen hat, mittelfristig so weit kommen werden, dass wir den Musikschulmarkt flächendeckend lizenzieren können.

Die Jurorenkopie

nmz: Zu meinem Redaktionsalltag gehören noch immer Anfragen wie: Darf ich die Jurorenexemplare eines Wettbewerbsstückes bei „Jugend musiziert“ kopieren oder muss ich es für jeden Juror kaufen?

Krauß: So lange Musikschulen Veranstalter von Jugend musiziert oder anderen Wettbewerben sind, würden Kopien, die für Juroren angefertigt werden, unter den Lizenzvertrag mit einer Musikschule fallen und könnten problemlos hergestellt und verwendet werden. Ist der Veranstalter aber der Landesmusikrat oder der Deutsche Musikrat, dann müssten die Lizenzen gesondert erworben werden. Der richtige Weg wäre in diesem Fall: direkt um Erlaubnis beim Verlag anfragen.

nmz: Der Artikel „Noten kopieren: die unendliche Geschichte“ von Edmund Wächter in der Zeitung des DTKV in der nmz hat viele Fragen benannt, die unter den Musikpädagogen und Musikern immer wieder aufgeworfen werden. Darunter das Thema Kontrollen, abschreckende Exempel und Verhandlung zwischen DTKV und VG Musik-edition über Lizenzierung.

Krauß: Die VG Musikedition oder auch die GEMA führen selbstverständlich keine Kontrollen in Musikschulen oder gar an Taschen oder Rucksäcken von Musikschülern durch, was bedauerlicherweise auch immer mal wieder zu lesen ist. So etwas hat es noch nie gegeben und wird es nicht geben. Es würde im Übrigen auch keine gesetzliche Grundlage dafür geben. Vielmehr wollen wir die Musikschulen davon überzeugen, dass wir ein gutes Produkt anbieten, das Rechtssicherheit mit sich bringt und einen vielfältigen Unterricht ermöglicht. Aber: es ist und bleibt lediglich ein Angebot; wer auf das Kopieren von Noten geschützter Werke generell verzichtet, benötigt keine Lizenz. Allerdings gehen wir im Besonderen bei Musikschulen, die in öffentlicher Trägerschaft stehen, davon aus, dass geltendes Recht respektiert wird.

VG Musikedition und DTKV

nmz: Warum sind die Verhandlungen mit dem DTKV ins Stocken geraten?

Krauß: Wir haben mit dem DTKV vor einigen Jahren Gespräche über Modelle zur Lizenzierung geführt. Wir haben dem DTKV aber gleichzeitig auch mitgeteilt, dass wir im Moment als VG Musikedition gemäß unseres Berechtigungsvertrages nicht die Rechte von unseren Mitgliedern erhalten haben, um mit einzelnen Musikpädagogen oder konzertierenden Künstlern Lizenzverträge abzuschließen. Kurz gesagt: Wir können mit Musikschulen Verträge abschließen, aber nicht mit einzelnen Musikpädagogen.
Wir haben aber darüber hinaus sig-nalisiert, in Gesprächen zwischen  DTKV und Verlagen gerne mitzuwirken. Sollte es zu Lösungen oder verbindlichen Verabredungen zwischen Musikverlagen und DTKV kommen, gibt es sicher gute Chancen, dass unsere Mitglieder die VG Musikedition mit der Wahrnehmung entsprechender Rechte beauftragen. Wenn es allerdings um private Musikschulen geht, die Mitglied im DTKV sind, stünde einem Vertragsabschluss bereits heute nichts im Wege. Ergänzend darf ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die „Aufnahme“ der Noten in die Privatkopieschranke – wie es oft in Diskussionen verlangt wird – keine Lösungen für Musikschulen oder Musikpädagogen darstellen würde, denn im Rahmen einer Privatkopieregelung, wie sie zum Beispiel für Bücher oder Tonträger besteht, dürften Noten ausschließlich zu privaten Zwecken kopiert werden, aber nicht für den Musikunterricht oder das Konzert verwendet werden.

nmz: Viele sehen die Lösung in der Idee, dass Verlage Einzelstimmen und Einzelausgaben zu vernünftigen Preisen als Download anbieten? Wie sehen Sie das?

Krauß: Für die Nutzer wäre dies im Hinblick auf das Kopierverbot nur in begrenztem Umfang hilfreich, da eine legal gekaufte Download-Einzelausgabeauch nicht weiter vervielfältigt werden darf. Warum Download-Angebote  nicht in dem Maße angeboten werden, wie es aus Sicht der Nutzer manchmal wünschenswert wäre, liegt im Übrigen daran, dass in größeren Sammelausgaben in der Regel zahlreiche Fremdrechte enthalten sind, und der publizierende Verlag meist keine Lizenz für den zusätzlichen Vertrieb als Download besitzt.

Zum aktuellen BGH-Urteil

nmz: Abschließend eine Frage zu Ihrer Vita. Wie verlief ihr Weg zur VG Musikedition?

Krauß: Studiert habe ich Musikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Politikwissenschaften. Als die Geschäftsführung der VG Musikedition  2001 vakant wurde, war dies offensichtlich nach Auffassung des damaligen Vorstands ein Profil, das ganz gut zur VG Musikedition passen könnte.Seit 2002 bin ich nun Geschäftsführer der VG Musikedition, vorher war ich als Redakteur in der Konzert-, Opern- und Media-Abteilung bei Schott Music in Mainz tätig.

nmz: Noch eine aktuelle Frage: Der Bundesgerichtshof (BGH) kommt zu dem Schluss, dass die pauschale Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der VG Wort nicht zulässig ist. Das BGH-Urteil kann auch Auswirkungen auf die Verlagsbeteiligung an den Ausschüttungen der VG Bild-Kunst, der GEMA und der VG Musikedition haben. Welche?

Krauß: Betroffen sind möglicherweise alle Verwertungsgesellschaften, die Urheber und Verlage als Mitglieder haben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen VG Musikedition und VG Wort besteht zunächst aber einmal darin, dass die VG Wort fast ausschließlich gesetzliche Vergütungsansprüche wahrnimmt, die VG Musikedition dagegen nur zum kleineren Teil und größtenteils Nutzungsrechte wahrnimmt. Welche Auswirkungen das Urteil konkret auf die Verteilungspläne der VG Musikedition hat, prüft derzeit eine externe Kanzlei in unserem Auftrag. Zudem stehen wir in dieser Sache natürlich auch in Kontakt mit anderen Verwertungsgesellschaften. Klar ist, dass der BGH letztinstanzlich entschieden hat und es unsere Pflicht ist, die Mitglieder der VG Musikedition zeitnah über mögliche Konsequenzen zu informieren. 

Das Gespräch führte Andreas Kolb

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