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Hochhuth entert das Berliner Ensemble [update, 21.8.]

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Berlin - Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat am Donnerstag im Berliner Ensemble (BE) für einen Eklat gesorgt. Der 78-Jährige besetzte überraschend das Foyer des Theaters am Schiffbauerdamm und kritisierte in scharfen Worten den Berliner Senat. Anlass ist eine Auseinandersetzung mit der Kulturverwaltung um Zugang zum Haus während der Sommerferien.

Die Besetzung verlief bühnenreif: Punkt 11 Uhr radelte der Dramatiker und Schriftsteller Rolf Hochhuth in Berlin-Mitte über den Schiffbauerdamm. Statt ans Brecht-Denkmal, wo er seine aktuelle Sommerinszenierung vorstellen wollte, eilte der 78-Jährige durch die Vorhalle des Berliner Ensembles (BE) und stürmte die Treppen hinauf. Die Aktion gilt als vorläufiger Höhepunkt eines Streits zwischen Hochhuths Ilse-Holzapfel-Stiftung und dem Land Berlin. Dabei ist das Ganze ein Stellvertreterkrieg. Tatsächlich befehden sich Hochhuth und BE-Intendant Claus Peymann.

Wohl aus diesem Grund waren die während der Ferien verbliebenen BE-Mitarbeiter erbost, aber nicht überrascht, als Hochhuth in das Haus eindrang. Anders als angedroht wurde auch nicht umgehend die Polizei gerufen. Einen Pulk Presseleute im Schlepptau gelangte Hochhuth schließlich in das auch als Spielstätte genutzte Foyer im ersten Stock, bevor sich im Erdgeschoss die Türen schlossen und einige Journalisten das Nachsehen hatten.

Der Dramatiker ist über die Holzapfel-Stiftung Eigentümer des Theaterbaus, der an den Berliner Senat vermietet wurde. Der Senat wiederum überlässt das Haus der Berliner Ensemble GmbH mit Claus Peymann als alleinvertretendem Geschäftsführer. Laut Mietvertrag hat Hochhuth in den Sommerferien das Recht, die Bühne für fünf Wochen zu nutzen, muss dies allerdings rechtzeitig anmelden.

Für 2009 soll das der Senatskulturwaltung zufolge nicht pünktlich erfolgt sein. Die nach Hochhuths Mutter benannte Stiftung und Anwalt Uwe Lehmann-Brauns sehen das anders, verloren allerdings vergangene Woche einen entsprechenden Prozess vor dem Landgericht Berlin. Am Freitag (21. August) wird vor dem Kammergericht die Berufung verhandelt. "Peymann verweigert Rolf Hochhuth vertragswidrig den Zutritt", lautet Lehmann-Brauns´ Argumentation nach wie vor.

Gleichzeitig nahm er seinen Mandanten am Donnerstag in Schutz und bat um Nachsicht: "Der Vorgang hat auch einen menschlichen Aspekt. Hochhuth ist tief verletzt. Aus dieser Verletztheit teilt Hochhuth aus." Ausfälle sollten daher nicht auf die Goldwaage gelegt legen, auch, weil der weltbekannte Autor ein "betagter Schriftsteller" sei, betonte Lehmann-Brauns. Hochhuth genieße zwar im In- und Ausland nach wie vor ein hohes Ansehen. Aber die Stadt, deren Mitbürger er geworden sei, verweigere ihm eine Aufführung in seinem Theater.

Bis zu diesen Ausführungen hatte Hochhuth kräftig ausgeteilt. Bereits im Treppenhaus rief er kämpferisch, er werde sich aus seinem Theater nicht vertreiben lassen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Kulturstaatssekretär André Schmitz seien "Kulturproleten". Sie würden das 90 Jahre alte Haus töten. Etwas ab bekam auch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD): Sie würde mit Billigung der beiden sogar dem Abriss der Kudammbühnen zustimmen. "Selbst Hitler hat nie gewagt, sich an diesen zwei Bühnen zu vergreifen", schimpfte der Dramatiker.

Im Falle des BE bringe Peymann - der übrigens im Haus noch nie einen jungen Dramatiker uraufgeführt hätte oder vergessene Schriftsteller aufführe - seine Mitarbeiter in Gefahr, sagte Hochhuth. Immerhin habe er dem Senat das BE gekündigt. Nun drohe den Mitarbeitern die fristlose Entlassung, da er als Theatereigentümer keine Subventionen erhalte.

Dann tritt Hochhuth durch das Brecht-Zimmer auf einen Balkon und ruft: "Das Schlimmste, was einem Gemeinwesen passieren kann, wenn die SPD entscheidet, wo sie Kunst zulässt oder unterdrückt." Die Partei Willy Brandts begehe "diese Schande ohne Beispiel", fügt er mit Blick auf BE und Abriss Kudammbühnen hinzu.

Das Stück, mit dem Hochhuth während der Theaterferien das BE bespielen wollte, heißt "Totentanz". Die aktuelle Inszenierung soll als "Sommer 14" kommenden Sonntag auf jeden Fall in der Berliner Urania Premiere haben. Das sei er dem Direktor der Urania schuldig, der sein Haus als Ausweichspielstätte angeboten hätte, "während das Renaissance-Theater und das Hebbel am Ufer nicht einmal zum Telefon griffen", kritisierte Hochhuth.

Das Stück hat den Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 zum Inhalt und ist nach Angaben der Theatermacher um Hochhuth bislang noch nie in Berlin gezeigt worden. Seine Uraufführung erlebte es Ende der 80er Jahre am Wiener Burgtheater. Auftraggeber war vor 21 Jahren Claus Peymann.


[update, 21.8.] - Senat schuldete vier Monate lang Miete für Berliner Ensemble
Berlin - Das Land Berlin ist den Eigentümern des Berliner Ensembles (BE) zeitweilig vier Monatsmieten schuldig geblieben. Die Kulturverwaltung bestätigte dies am Freitag auf ddp-Anfrage. Eigentümer des Theaterbaus am Schiffbauerdamm ist über die Ilse-Holzapfel-Stiftung Rolf Hochhuth.

Als Grund für die verzögerten Mietzahlungen gab ein Mitarbeiter der Senatsverwaltung den Übergang des Theaters in die Zuständigkeit des Dienstleisters Berliner Immobilienmanagament GmbH an. Dabei habe es «Probleme» gegeben. Inzwischen habe die Kulturverwaltung die Mietzahlungen jedoch geleistet und Verzugszinsen gezahlt. Der Berliner Senat als Mieter stellt das Haus am Schiffbauerdamm bis 2012 der Berliner Ensemble GmbH mit Claus Peymann an der Spitze zur Verfügung.

Unterdessen halten die zum Teil persönlich gefärbten Auseinandersetzungen zwischen Hochhuth und Peymann an. Der Anwalt des Dramatikers, Uwe Lehmann-Brauns, berichtete am Freitag über den neuen Prozesstermin einer Klage der Ilse-Holzapfel-Stiftung gegen das Land. Statt am 7. September soll nun am 28. September vor dem Landgericht Berlin verhandelt werden, ob Peymann die Bühne an «theaterfremde Institutionen und Persönlichkeiten», darunter Dieter Bohlen, vermietet hat. Wenn ja, habe Peymann vertragswidrig gehandelt, sagte Lehmann-Brauns.

Eine andere, für Freitag vor dem Kammergericht angesetzte Berufungsverhandlung, wurde durch Hochhuths Anwalt überraschend abgesagt. Dabei ging es um die Nutzung des BE während der Sommerferien. Peymann hatte Hochhuth die vertraglich fixierte Nutzung für eigene Projekte wegen Fristversäumnissen für 2009 untersagt, was am 13. August vom Landgericht bestätigt worden war.

 
 

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