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Disk your world! Dieser Slogan der Firma Sony glimmerte in zahllosen digitalen Variationen über der Internationalen Funkausstellung ’97, die eher einer Berliner Showbühne glich. Noch vor zwei Jahren kämpfte die Allianz Toshiba und Panasonic mit der „Super Density Disc“ gegen die „Multimedia CD“ von Sony/Philips um den hochkapazitativen Datenspeicher der Zukunft.
Jetzt hat sich die universale „Digital Versatile Disc“ (DVD) als Nachfolger für die Datenträger CD-Audio, CD-ROM und VHS-Videocasette durchgesetzt. Die DVD hat die gleichen Ausmaße wie eine CD, kann aber beidseitig mit zwei übereinanderliegenden Datenschichten hoher Dichte beschrieben werden, wodurch sich eine ausreichende Kapazität für 130 Minuten Spielfilm mit Mehrkanalton ergibt. Nur auf geeignete Software wird man noch warten müssen. Zwar präsentierten sich alle großen Firmen der Branche mit DVD-Playern, die neben DVD-Video auch herkömmliche Audio-CDs, Foto-CDs und Video-CDs abspielen können, aber die DVD-Silberscheiben mit Spielfilmen konnte man an zwei Händen abzählen. Grund dafür ist der Streit um den guten Ton, genauer gesagt die Decodierung für Mehrkanalton nach amerikanischem Dolby AC-3 Format oder dem europäischen MPEG-Verfahren.
Ein nächstes schwer verdauliches „Bonbon“ sind die fünf Regionalcodes, in die unser digitales Dorf geteilt wurde: Ein europäischer (Zone 2) DVD-Player kann dadurch keine nordamerikanische (1), südostasiatische (3), neuseeländische, australische, mittel- und südamerikanische (4), afrikanische, indische, gusische, pakistanische (5) DVD lesen; dafür aber Zone-2-DVDs für Europa und Südafrika. Hintergrund dieser Regionalcodes sind begründete (?) Ängste der Filmindustrie, daß sich Heimkinofans ihre Filme auf DVD-Video und nicht mehr im Kino anschauen, da synchronisierte Fassungen später als die entsprechenden Originalfilme ins Kino kommen, die Video-DVD im Ursprungsland aber schon verkauft wird. Besonders schade für Engländer und Franzosen, denn Zone-1-Filme aus den USA und Canada bilden für sie keine Sprachbarriere. Auf die reine Audio-DVD muß der Hörer noch warten, bis man sich auf Takt und Dynamikumfang einigt. Einerseits möchte man die Taktrate und Auflösung auf derzeit klanglich unübertroffene 96 Kilohertz und 24 Bit erhöhen (eine herkömmliche CD hat 44,1 Kilohertz bei 16 Bit), aber durch teure 24-Bit-Wandler und steigende Musikproduktionskosten wäre dies ein kostspieliges Unterfangen. Andererseits soll die DVD-Audio auch auf herkömmlichen CD-Playern hörbar sein. Sony/Philips setzt daher auf ein Zweischichtverfahren, bei dem eine Schicht das herkömmliche CD-Format und die andere, halbdurchlässige Schicht ein hochbitiges DVD-Format enthält.
Die mehrfach beschreibbare DVD samt Computerlaufwerk stellten Panasonic, Hitachi und Toshiba vor. Die DVD-Ram enthält auf beiden Seiten 2,6 Gigabyte an Speichervolumen und könnte bei früher Markteinführung für die gerade erst vorgestellte wiederbeschreibbare CD-RW (CD-Rewritable) ein schnelles Ende bedeuten. Für die einmalig bespielbare CD-R (CD-Recordable), im Computergeschäft schon längst etabliert, und die CD-RW werden nun auch im Audiobereich günstige HiFi-Recorder angeboten. Die MiniDisc (sie enthält Platz für 74 Minuten Stereoton und läßt Textspeicherung für Titel zu) sollte der klanglich ebenbürtigen analogen Musikkassette MC schon längst den Garaus machen. Diesem Ziel kam sie durch eine neue Generation des Datenreduktionsverfahrens Atrac 4,5 einen Schritt näher.
Ein anderes Thema der IFA war das „D“ bei Radio und Fernsehen. Das digitale Radio DAB (Digital Audio Broadcasting) soll in ganz Europa eingeführt werden, Pilotprojekte liefen in fast allen Bundesländern erfolgreich an. Das terrestrische Sendenetz überträgt auf einer Fernsehfrequenz sechs verschiedene Kanäle, die neben Audio-Signalen auch Datendienste (für Computer) enthalten können. Über das Musicam-Verfahren werden Musiksignale und Sprache bis auf ein Siebtel der Datenmenge geschrumpft. Die Deutsche Telekom will DAB-Programme auch ins Kabelnetz einspeisen. 1997 haben die Landesrundfunkanstalten der ARD elf Pfennig der Rundfunkgebühr als zweckgebundenen Zuschlag erhalten. Gerade im mobilen Radioempfang liegt für DAB ein enormes Potential, da hier die Empfangsqualität viel störungsunanfälliger als bei herkömmlichen UKW-Sendern ist.
Digitales Fernsehen heißt jetzt nicht nur DF1 (Kirchs Pay-TV empfangbar mit der D-Box), sondern auch DVB – Digital Video Broadcasting. Über dieses System lassen sich TV, Radio und Daten übertragen.
Die Präsentation von DVB-Satelitenempfängern mit und ohne Pay-Kartenschacht verlief dementsprechend umfangreich. Der Trend der digitalen Empfänger geht zu Kombigeräten, die auch Astra Digitalradio und „altes“ Analog-TV empfangen. Nachdem Kirsch mit DF1 nicht den gewünschten Erfolg erlangte, versucht er jetzt mit Bertelsmann und seiner D-Box den Durchbruch. Eine Programmvielfalt von über 100 Kanälen (ARD und ZDF findet man im dreistelligen Bereich) soll den Ausschalter überflüssig machen. Gegen das Pay-per-View Konzept sprechen die neuen Digitalen Kanäle von ARD und ZDF, die mit der IFA starteten. Die Hörfunkqualität des DVB ist vergleichbar mit den anderen Radios auf digitaler Basis.
Grundig präsentierte auf der Funkausstellung einen DVB-geeigneten TV-Receiver mit dem der Fernseher internettauglich wird. Der Computermuffel kann sich nun vom Sofa aus per Infrarot-Tastatur und Modem auf Home-Shopping begeben oder e-mailen oder im Electronic Program Guide lesen, was er gerade im Fernsehen verpaßt, um anschließend interaktiv sein Video-On-Demand doch noch zu sehen.
Wenn der Medienkonsument trotz Pay-TV noch immer zu viel Geld auf seinem Konto feststellt (natürlich mit home-banking) kann er sich einen Flachbildschirm mit 14 bis 30 Zoll Bildschirmdiagonalen an die Wand hängen. Nur wenige Aussteller der IFA konnten nicht mit den brillianten Bildern und der geringen Tiefe dieser Bildschirmgattung aufwarten. Plasmadisplays haben aber mit noch zu hohem Stromverbrauch und eingeschänktem Blickwinkel zu kämpfen, den Flüssigkristallschirmen (LCD) macht der Kontrast und die Reaktionsschnelligkeit zu schaffen. Die Firma Philips stellte einen Walkman vor, mit dem man noch „20 Sekunden lang in einer Erdbebenzone Stufe 12“ seine Musik genießen kann. Diese Zeit entspricht „dem fünffachen Kurzzeitgedächtnis eines Goldfisches“...
Einen Lichtblick in den IFA-Hallen setzten die High-End-Anbieter der highfidelen Branche. Zwar gab es hier kaum neue Technologien zu entdecken (die Röhre gibt keine Ruh), aber eine ausgewogene Präsentation der Technik zog interessierte Zuhörer an. Vor der „teuersten Anlage der Welt“ in der Hifi-Halle 8.1 stand wohl auch die größte Schlange an Hörern. Die begeistertsten und hysterischsten Hörer standen allerdings bei den Privatsendern, wo ihrer geliebten Boygroup mit einem Dynamikumfang entgegengekreischt wurde, den mancher Funkaussteller seinem Technikwunder noch gönnte.