Wer heute im Kulturbereich arbeitet und den souveränen wie selbstverständlichen Umgang mit dem Internet nicht pflegt, ist nicht einfach hinter der Zeit zurück, sondern selbst schuld, wenn seine konkurrierenden Einrichtungen ihn links und rechts überholen. Twitter, Blog und Social Networks gehören eben nicht zum guten Ton heutiger Kulturarbeit, sondern sind längst ein Teil derselben. Man kann den Umbruch in der Struktur der Kommunikationsarbeit mittlerweile sehr deutlich hören. Dies war auch mit ein Grund für drei Leute, eine Konferenz zu organisieren, die sich speziell mit dem Thema Kultur und Web 2.0 befassen sollte und prominent in der Mercatorhalle in Duisburg über zwei Tage mit Vorträgen und Workshops abgehalten wurde.
Die Veranstalter waren über den Zustrom von Interessierten offenbar selbst überrascht (wie auch der limonadenartige Fruchtsäfte herstellende Sponsor, dem die Freigetränke rasch ausgingen): Mehr als 500 Menschen interessierten sich für dieses Thema. Es ist dies doch eben deshalb so erstaunlich, weil der Kulturbereich gemeinhin als ziemlich konservativ gilt, was den Einsatz neuerer Technologien der Kommunikation angeht. Web 2.0 gilt als ein Schlagwort, das man seit einigen Jahren kurzgefasst als Mitmachweb bezeichnet. Es erschöpft sich nicht darin, Texte oder andere Medien schlicht im Internet zu publizieren, sondern sucht den Rückkanal der Benutzer überall auf der Welt. In der nmz haben wir gelegentlich darüber berichtet. Dabei haben sich diese Netzwerke, stellvertretend seien nur Facebook oder MySpace genannt (Schüler kennen vor allem schülerVZ, Studenten gerne studiVZ, etc. pp.). In ihnen kann man für sich oder seine Institution Webseiten der einfachsten Struktur anlegen und mit geladenen und/oder gefundenen „Freunden“ sich austauschen. Facebook soll mittlerweile eine Mitgliederzahl von rund einer Milliarde Nutzern haben.
500 Menschen suchten in Duisburg Austausch oder Informationen dazu, wie sich solche Technologien für die eigene Tätigkeit einsetzen lassen. Die Themen der circa 30 Workshops reichten von einfachsten Erklärungen der Webtechnologien über Informationen aus den Bereichen des Internetrechts bis hin zu „Best-Practice“-Beispielen. Für jeden war da was dabei, wenngleich man nicht immer im Vorhinein zu erahnen vermochte, an welche Klientel sich die Workshops im Detail richteten. Auf der Hauptbühne ging es in zentralen Vorträgen um die Einordnung dieser Entwicklungen ins große Ganze. Darunter waren leider auch einige Beiträge, die eher werblichen Charakter zu haben schienen (wie derjenige über Kultur in Second Live). Aber auch provokante Einblick in Zukunftsszenarien wie bei Gerd Leonhard, der ein wenig ausmalte, wie Kultur in Zukunft aussehen werde: nämlich expandiert und implodiert auf mobilen Telefonen. Gregor Hopf, Professor für Medienmanagement an der Hamburg School of Business Administration, eröffnete den Rednerreigen provokant mit einem Beitrag über „die zerstörerische Kraft des Internets“. Er meinte damit freilich nicht, dass das Internet die Kultur zerstöre, sondern vielmehr, dass es die alten Geschäftsmodelle der Kulturwirtschaft angreife, wie sie lange etabliert waren. Bei der Musikindustrie hat man es am lebendigen Beispiel mitverfolgen können, wie das Internet neue Fakten setzte. Bei den Medien des gedruckten Wortes, kann man gegenwärtig den Kampf um die Geschäftsmodelle beobachten, die Filmindustrie ist in Zeiten von YouTube arg angeschlagen. Zumeist erhofft man sich die Rettung über die Durchsetzung von Rechtsmitteln. Aber es geht nicht nur um Diebstahl oder nicht; ebenso prominent lassen sich neue Inhalte produzieren, die jenseits der Machtstrukturen alt eingesessener Besitzer von Produktionsmitteln sich entwickeln.
User Generated Content heißt das fachsprachlich und umfasst ein Projekt ungeheuren Ausmaßes, wie beispielsweise die Wikipedia. Man mag das gut finden oder nicht. Es passiert. Und es passiert manchmal auch mit gar nicht so schlechten Ergebnissen. Und da kommt der stARTconference09 doch eine besondere Bedeutung zu. Eigentlich geht es vor allem darum, neuen und alten Kulturnutzern adäquaten Zugriff auf ihre Institutionen auch im Internetzeitalter zu bieten. Mit der Präsenz in Twitter, Facebook und Co. verbindet sich die Hoffnung auf ein intensives wie extensives Communitybuilding.
Dafür mag beispielhaft die Arbeit der Duisburger Philharmoniker unter ihrem Intendanten Alfred Wedel stehen, deren daCapo-Blog weithin ausstrahlt und durchaus neue potentielle und faktische Besuchergruppen anlockt. Wedel sieht die neuen Techniken auch nicht als Ausschlusstechniken, sondern als Ergänzungen zu all den alten Methoden der Kulturkommunikation. Aber er betont auch, dass man derlei Unternehmungen nicht einfach verordnen kann, sondern dass sie aus der Mitte der Institution kommen müssen. Genau das ist bei den Duisburger Philharmonikern der Fall gewesen.