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Künstler als Musikpädagoge: Jürgen Terhag. Foto: AfS
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Interview mit Jürgen Terhag, Bundesvorsitzender des Arbeitskreises für Schulmusik (AfS)

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„Sperriges lebendig unterrichten“ lautet das Motto des AfS-Bundeskongresses für Musikpädagogik (Arbeitskreis für Schulmusik), der im September 2007 in Kassel stattfinden wird. Es könnte auch Jürgen Terhags Lebensmotto sein. Der Bundesvorsitzende des AfS und Professor für Musikpädagogik an der Musikhochschule in Köln vernetzt meisterhaft Institutionen, Musik-Genres und Personen und ist ein überzeugender Vermittler der gestaltenden Kraft von Kreativität. Susanne Fließ sprach mit Professor Dr. Jürgen Terhag.

neue musikzeitung: Herr Terhag, wie ist Ihr musikalischer Werdegang?

Jürgen Terhag: Mit sieben Jahren erhielt ich den ersten Klavierunterricht. Als ich meinem Lehrer begeistert das vorspielte, was ich mir schon nach Gehör zusammenkomponiert hatte, quittierte er dies mit den Worten: „Bei mir lernst du ab jetzt ‚richtige’ Musik zu spielen“. Es gab damals bereits einen eigenartigen Zwiespalt, dessen Überwindung mein pädagogisches Handeln bis heute bestimmt.

: Ein Leben als Musiker war für Sie nicht vorstellbar?

: Ich wollte Musiklehrer werden! Nach dem Abitur studierte ich in Köln Musikpädagogik mit den Fächern Klavier und klassische Gitarre.
Meine erste Stelle trat ich an einer Gesamtschule in Leverkusen in einem Arbeiterbezirk an. An dieser Schule spielte so gut wie kein Schüler ein Instrument. Innerhalb von vier Jahren hatte ich über hundert Schülerinnen und Schüler motiviert, in diversen Schülerbands und -ensembles zu spielen. Dann erhielt ich einen Ruf als Lehrer im Hochschuldienst an die Universität Lüneburg. Anschließend übernahm ich die Leitung des Fachbereichs Musik an der Bundesakademie für kulturelle Jugendbildung in Remscheid. Dort hatte ich es mit einer bunten Mischung aus Musikschullehrern, Schulmusikern und freien Musiklehrern zu tun. Auch hier habe ich unglaublich viel gelernt, denn Unterrichten bedeutet für mich immer forschendes Lehren.

: Seit 1997 sind Sie Professor für Musikpädagogik an der Musikhochschule in Köln. Können Sie hier Ihre vielfältigen Erfahrungen umsetzen?

: Ich genieße es sehr, dass ich an der Musikhochschule ein Arbeitsfeld habe, in dem ich sowohl künstlerisch als auch pädagogisch und wissenschaftlich arbeiten und unterschiedliche Schwerpunkte setzen kann. So forsche ich auch intensiv zu Populärer Musik aus pädagogischer Perspektive.

: Sie sind seit 2001 Dekan des Fachbereichs.

: In dieser Funktion ist neben Verwaltungsarbeit auch viel konzeptionelles Denken und Handeln gefragt. Inzwischen ist fast der gesamte Fachbereich neu besetzt und – entgegen dem allgemeinen Trend – deutlich vergrößert worden.

: Der Fachbereich umfasst Musikpädagogik und Musikwissenschaft, die Sie einmal, sofern es sich um die abendländisch geprägte handelt, als problematische Partnerin der Musikpädagogik bezeichnet hatten. Bedeutet das Amt des Dekans an dieser Stelle einen inhaltlichen Spagat?

: Keineswegs. Die Musikwissenschaft an Musikhochschulen wird aus meiner Sicht zunehmend offener für kulturwissenschaftliche oder musikethnologische Zusammenhänge. Generell ist sie immer dann für Musikpädagogen schwierig, wenn sie sich ausschließlich als Sachwalterin der Musik versteht und sich freiwillig in einem forschenden Elfenbeinturm verbarrikadiert, denn dort erfährt man nicht nur zu wenig Anerkennung, man verliert auch an gesellschaftlichem Einfluss. Hier sehe ich die Musikwissenschaft zurzeit durchaus als eine gefährdete Disziplin.

: Könnte denn die Musikpädagogik die Musikkultur verändern oder ist sie womöglich für „Musikantenstadel“ und „Pop Stars“ mitverantwortlich?

: In gewisser Weise trägt sie hier eine Mitverantwortung. Man hat im gesamten 20. Jahrhundert mit extrem unterschiedlichen Konzepten und Methoden versucht, einen Einfluss auf die Musikkultur zu nehmen, meist jedoch mit einer mehr oder weniger normativen und kulturpessimistischen Grundhaltung. Was sich beispielsweise in jugendkulturellen Kontexten der Populären Musik an Qualität entwickelt hat, nahm man nicht zur Kenntnis, und konnte daher in Forschung und Lehre auch nicht differenziert damit umgehen. Wir jammern in Deutschland ständig über schlechte Popmusik, anstatt sie durch Nachwuchsförderung, Wettbewerbe und auch durch eine professionelle Ausbildung zu verbessern. Wenn unsere Musikhochschulen sich der Populären Musik mehr annehmen würden, käme das vielleicht der Musik und ganz bestimmt den Musikhochschulen zugute! Aber wir sind da auf einem guten Weg!

: Im Oktober 2000 wurden Sie zum Bundesvorsitzenden des Arbeitskreises für Schulmusik (AfS) gewählt. Womit beschäftigt sich der Arbeitskreis?

: Der AfS wurde 1953 gegründet und hat sich seit den 1970er Jahren als eine Art bundesweite „Selbsthilfeorganisation“ vor allem für jene Musiklehrer etabliert, die ihre eigene musikpädagogische Ausbildung im täglichen Unterricht rückblickend immer wieder als defizitär erleben. Untereinander findet ein reger Austausch statt, Unterrichtsmethoden werden entwickelt, vorgestellt und im Internet oder auf unseren Kongressen als best- practice-Beispiele den Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung gestellt, wodurch sich inzwischen auch die musikpädagogische Lehre und Forschung deutlich verändert hat, was letztlich wieder einer wirklich berufsqualifizierenden und praxisnahen Ausbildung zugute kommt. Und hier schließt sich dann der Kreis ...

: Der AfS ist Teil eines großen Netzwerkes, ebenso wie sein Bundesvorsitzender in vielen Gremien, Ausschüssen und Verbänden mitwirkt. Es wird viel diskutiert in diesen Gremien, wie viel Raum bleibt da für die Praxis?

: Die steht im Zentrum unserer Verbandsarbeit! Alle Funktionsträger sind ausgewiesene Fachleute auf musikpädagogischem Gebiet, und es ist sicherlich kein Zufall, dass die AfS-Bundesvorsitzenden traditionell aus der Praxis der Fortbildung kommen.

: Der AfS hat erstmals einen Bundeswettbewerb für Klassenmusizieren ausgeschrieben. Das Thema lautet „A-f-S“.

: Ein Vorbild für unseren Wettbewerb ist der Bundeswettbewerb „Schulpraktisches Klavierspiel“ an der Musikhochschule Weimar. Dort stellt der Kandidat auf dem Klavier praktische Arbeit im Musikunterricht vor, nämlich Liedbegleitung, Improvisation oder Verklanglichung von Bildern. Dies ist einer der ersten Wettbewerbe an Musikhochschulen, der künstlerische ebenso wie pädagogische Fähigkeiten fördert. Unser fachpolitisches Ziel ist es, auf lange Sicht Professuren für schulisches Ensemblespiel zu installieren, so wie es durch den Schu­Pra-Wettbewerb inzwischen an vielen Hochschulen Professuren für schulpraktisches Klavierspiel gibt.

: Vor kurzem ist bei ConBrio die Replik auf die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Musikunterricht erschienen. Das Buch „Bildungsoffensive Musikunterricht?“ hat der AfS maßgeblich mitfinanziert. Hat sich bereits etwas bewegt in deutschen Klassenzimmern?

: Die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung erschien 2004 und wir freuen uns zwar einerseits, dass die Politik sich hier überhaupt einmal auf breiter Basis des Themas „Musikalische Bildung“ annimmt, wir hätten uns aber gewünscht, dass an der Veröffentlichung mehr Fachleute beteiligt gewesen wären. Die Autoren haben sich in unserer Replik kritisch mit der Studie auseinandergesetzt. Das Buch ist in einer hohen Auflage erschienen und an viele wichtige Multiplikatoren und Repräsentanten in Politik, Kultur und Wirtschaft gegangen. Dort ist es offenbar sehr gründlich gelesen worden, denn noch immer erhalte ich zahlreiche Zuschriften.Der Aufwand und all die Podiumsdiskussionen rund um das Buch haben sich tatsächlich bereits gelohnt, denn die Herausgeber der Studie haben uns den Wunsch signalisiert, künftig mehr musikpädagogische Fachleute bei derartigen Publikationen einzubeziehen.

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