Auf ihrer Jahresmedienkonferenz gibt sich die „unisono – Deutsche Musik- und Orchestervereinigung“ (bis November letzten Jahres „DOV – Deutsche Orchestervereinigung“) betont zuversichtlich: Die Besucherzahlen der deutschen Orchester hätten sich zwar noch nicht von der Pandemie erholt, so Geschäftsführer Gerald Mertens, der Trend ginge aber deutlich in diese Richtung. Was das Erreichen der Ziele für freischaffende Musiker*innen angeht, etwa im Bereich der Mindesthonorarstandards, muss für 2023 noch gehofft werden.
Die traditionell im zweijährlichen Rhythmus erhobene Konzertstatistik der Veranstaltungen der öffentlich finanzierten Orchester und Rundfunkensembles wurde wegen der Pandemie pausiert und soll erst 2025 wieder aufgenommen werden. Stattdessen legte unisono eine Momentaufnahme für vergangenen Dezember und Januar vor.
Unisono fragte die öffentlichen Theater-, Konzert- und Rundfunkorchester über Publikums- und Abonnementsvergleiche zwischen den genannten Monaten und März 2020. Von 128 Orchestern berichteten rund 73 Orchester von schlechter besuchten Aufführungen, 50 von etwa der gleichen Publikumsmenge und fünf sogar von einer Zunahme. Rund 40 Prozent der Orchester verbuchten also vergleichbare oder sogar höhere Besucherzahlen. Etwas schlechter sieht es bei den Abos aus: Das Publikum neige nach der Pandemie zu einzelnen Ticketkäufen und sei vor allem durch populäre Stücke, prominente Interpret*innen, besondere Konzertformate (zum Beispiel Film-Live-Konzerte) und intensives Marketing für spontane Konzertbesuche zu begeistern.
Die Spontaneität sei auch ein Problem für die freie Szene, so Mertens, denn während sich die Auftragslage für Freischaffende zwar erholt habe, laste durch die schlechte Planbarkeit der kurzfristigen Ticketkäufe ein größeres wirtschaftliches Risiko auf den Veranstalter*innen – das sich letztlich in knapperen Honoraren für die freie Szene niederschlagen könne.
Um dem zu begegnen, ist unisono mit allen Bundesländern im Gespräch, damit sie ihre Kulturförderungen an Mindesthonorare für Freischaffende binden, wie es das Land Brandenburg seit 2020 zumindest für Musiker*innen umsetzt. Mertens stellt schnelle Einigungen dazu aber nicht in Aussicht: „Das ist ein längerfristiges Geschäft“. Wegen der Inflation und Energiekrise seien die Ministerien derzeit zurückhaltend. Ina Brandes (CDU), die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK) und Kulturministerin von NRW hat in einer Mitteilung der KMK versprochen, dass das Land NRW seine Förderungen ab Anfang 2023 verpflichtend an Honorarstandards knüpfe. In der Februarausgabe der „Politik und Kultur“ schreibt Brandes etwas zurückhaltender, dass das verpflichtende Gesetz auf den Weg gebracht sei, die entsprechenden Honorare aber noch zwischen ihrem Ministerium, den Kommunen und den Verbänden verhandelt würden.
„Gerade für die Kommunen sind die Untergrenzen ein Kraftakt“, so Brandes. An der Verhandlung Beteiligte schätzen, dass die Zahlen frühestens zur Jahresmitte vorliegen und sie womöglich erst bei Anträgen für 2024 greifen könnten.
Vielleicht ist auch unisono etwas zu optimistisch: Dass es nur bei einem „Corona-Knick“ in den Besucherzahlen bleibt, können die vorgetragenen Zahlen eigentlich nicht zeigen. Schließlich eignen sich die Wintermonate mit ihren traditionell gut besuchten Weihnachts- und Neujahrskonzerten nur bedingt dafür, allgemeine Publikumstrends abzuleiten. Sehr einleuchtend legte Mertens auf der Jahrespressekonferenz aber dar, dass der Optimismus, Stammpublikum auch in schweren Zeiten erhalten oder sogar erweitern zu können, gerechtfertigt sei, indem er beispielhaft auf das Krisenmanagement der Ludwigshafener Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz verwies.
Die Philharmonie sei mit einem Zusammenspiel aus alternativen Konzertformaten und Marketing-Gags, wie Quartettkarten mit den Orchestermusiker*innen, nicht nur um die Kurzarbeit herumgekommen, sondern hätte sogar die Zahl der Abonnements über die zwei Jahre steigern können. Hoffnung stiftet auch die Neuauflage der „#MusikerNothilfe“ der Deutschen Orchesterstiftung, die mit Stipendien freien Nachwuchsmusiker*innen den Berufseinstieg in Krisenzeiten vereinfachen möchte. Auch eine Umfrage des Deutschen Bühnenvereins legt einen allgemeinen positiven Trend für die laufende Spielzeit nahe. Es lohnt sich zu hoffen, dass die Branche Pandemien und anderen Krisen trotzen kann.