Mit einer Steigerung der Jazzförderung um 120 Prozent unterstreicht die baden-württembergische Landesregierung, dass ihr die Pflege dieser kreativen und anspruchsvollen zeitgenössischen Musik ein echtes Anliegen ist. Neben der Erhöhung von Zuschüssen zu bereits bestehenden Bausteinen in den Bereichen Nachwuchsförderung, Förderung professioneller Musiker und institutioneller Förderung entsteht dadurch Raum für die Erkundung neuer Wege der Unterstützung. Dabei hilft auch der Blick über die Landesgrenzen hinaus.
Daran, dass sie in der Förderung der Jazzkultur eine wichtige Landesaufgabe sieht, lässt die grün-rote Regierung mit der jüngst verkündeten Aufstockung des Budgets für Fördermaßnahmen keine Zweifel: Waren 2014 noch 282.000 Euro für die Förderung des Jazz als „kreative und anspruchsvolle zeitgenössische Musik“ ausgewiesen, so erhöht sich dieser Betrag im laufenden Jahr auf 620.000 Euro. „Jazz ist eine feste Größe im Musikleben Baden-Württembergs“, betonte Kunststaatssekretär Jürgen Walter, der die Neuerungen im Rahmen eines Pressegesprächs im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Stuttgart vorstellte: „Für die Förderung stehen uns in diesem Jahr 338.000 Euro mehr zur Verfügung als noch 2014; eine mehr als nennenswerte Steigerung um rund 120 Prozent.“ Die Zahlen dokumentieren eindrucksvoll, dass die Entwicklung des Jazzstandorts Baden-Württemberg der amtierenden Landesregierung unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ein echtes Anliegen ist. „Wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir mit der Förderung, die wir jetzt haben, bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen“, stellte Walter fest.
Neben dem Ausbau bereits bestehender Fördermaßnahmen können damit auch neue Schwerpunkte in der Nachwuchsförderung, der Unterstützung professioneller Musiker und der Förderung von Festivals und Trägervereinen gesetzt werden. Mit der Förderung von Konzertauftritten von Künstlern aus Baden-Württemberg außerhalb der Bundeslandsgrenze in Form von Reise- und Aufenthaltskostenzuschüssen schließt ein neuer Baustein eine Lücke, die wahrnimmt, wer über den Landestellerrand hinausblickt: „Wer sich darüber wundert, warum in Deutschland so viele norwegische Jazzmusikerinnen und -musiker auftreten, der muss sich nur mal die Förderung des Landes Norwegen anschauen“, konstatiert Walter auch mit Blick auf die Nachbarn in der Schweiz und Frankreich. Für die Bewerbung gilt keine Altersbeschränkung, die Auswahl trifft eine unabhängige Jury von Jazzexperten aus Baden-Württemberg und dem Bundesgebiet.
Neuer Preis fürs Lebenswerk
Ebenfalls ein neuer Baustein ist der in diesem Jahr erstmals verliehene, von der L-Bank gestiftete und mit 10.000 Euro dotierte Landesjazzpreis Baden-Württemberg für das Lebenswerk: Bereits im Januar wurde der Bassist Eberhard Weber im Rahmen zweier prominent besetzter Konzertabende mit Pat Metheny, Jan Garbarek und Gary Burton im Stuttgarter Theaterhaus geehrt. Der jährliche Sonderpreis ergänzt den mit 15.000 Euro dotierten Jazzpreis Baden-Württemberg, gewissermaßen als Komplementär zu diesem bedeutenden Instrument der Nachwuchsförderung: Die Auszeichnung für Musiker, die nicht älter als 35 Jahre sind und in Baden-Württemberg leben oder durch ihre künstlerische Arbeit eine enge Beziehung zum Land haben, wird seit 1985 jährlich vergeben und hat bereits Preisträger wie Thomas Siffling, Rainer Böhm, Axel Kühn, Anne Czichowsky und Alexandra Lehmler hervorgebracht. 2015 geht die Ehrung an den Alt-Saxophonisten Magnus Mehl. Weitere Elemente der Nachwuchsförderung sind das seit 1981 bestehende, 2015 mit 43.000 Euro geförderte Jugendjazzorchester Baden-Württemberg, in dem Professor Rainer Tempel von der Musikhochschule Stuttgart mit Jazzern in der Altersgruppe bis 25 arbeitet, sowie der seit 1979 alljährlich stattfindende Wettbewerb „Jugend jazzt“. Mit einem Zuschuss des Landesmusikrats über 100.000 Euro, der sich auf die Bereiche Neue Musik und Jazz verteilt, wird unter anderem auch die Stellung des Ensembles JazzJuniors gestärkt, das unter der Leitung von Peter Lehel Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren offensteht. Mit der Erhöhung des Gagenzuschusses für die Auftritte von Musikern, die in Baden-Württemberg leben oder einen wesentlichen Beitrag für die Jazzszene des Landes geleistet haben, kommt die Ausweitung der Mittel in baden-württembergischen Jazzclubs von 100.000 auf 220.000 Euro auch dem Bereich der Unterstützung professionell Musikschaffender zugute. Dem entspricht eine Erhöhung der Förderung von 50 auf 90 Euro pro Künstler; allerdings muss dies vom jeweiligen Club vor Ort um mindestens den gleichen Betrag ergänzt werden.
Geförderte Festivals
Vom neuen Willen zum Jazz profitiert nicht zuletzt auch die institutionelle Förderung: neben dem an wechselnden Orten gastierenden, jährlich mit 10.000 Euro geförderten Landesjazzfestival (findet im Herbst 2015 in Karlsruhe statt), dem ebenfalls mit 10.000 Euro unterstützten Jazzchor Freiburg sowie den bereits in der Vergangenheit geförderten Festivals „Enjoy Jazz“ in der Metropolregion Rhein-Neckar (2014: 50.000 Euro, 2015: 60.000 Euro), „Jazzopen Stuttgart“ (unverändert 25.000 Euro) und dem „Aalener Jazzfest“ (2014: 6.900 Euro, 2015: 20.000 Euro) können ab 2015 jährlich bis zu zehn weitere Fes-tivals mit je 8.000 Euro bezuschusst werden, die Künstler im Programm haben, die innerhalb der Landesgrenzen geboren oder aufgewachsen sind oder ihren Lebensmittelpunkt haben. Zudem wird das Projekt „Junge Jazz-Musik aus dem Donauraum“ in Ulm mit jährlich 25.000 Euro gefördert, ein neues Festival für Jazz und improvisierte Musik, das junge Musiker aus den Donau-Anrainerstaaten in Verbindung bringen soll. Nach zwei Jahren erfolgt eine Evaluation. Auch der guten Resonanz auf den Landesauftritt bei der internationalen Branchenmesse „jazzahead!“ in Bremen möchte man in Stuttgart mit einer entsprechenden Erhöhung des Landeszuschusses Rechnung tragen. Auch im Bereich der Neuen Musik hat die Landesregierung Defizite entdeckt: Hier steigt die Förderung der vier unterstützten Institutionen („Donaueschinger Musiktage“; „ensemble recherche“, Freiburg; „KlangForum Heidelberg“; „Musik der Jahrhunderte“, Stuttgart) ebenfalls deutlich von 614.300 Euro in 2014 auf 914.700 Euro für 2015. Davon entfallen 200.000 Euro auf ein neu aufgelegtes Förderprogramm für Neue Musik, das auch Kompositionsaufträge umfassen soll. Die detaillierte inhaltliche Ausgestaltung sei derzeit noch in Arbeit, heißt es aus dem Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Gut erkennbar jedoch bereits, dass diese verdiente Zuwendung als klares Bekenntnis der Landesregierung zur regen Jazz- und Neue-Musik-Szene in Baden-Württemberg zu verstehen ist, gerade nach dem ganzen Wirbel um die Musikhochschulen. Setzt man die Zahlen jedoch in Relation, etwa zu den 5 Milliarden Euro des Gesamthaushalts des Ministeriums für 2015, oder auch zu den 91 Millionen Euro, die allein der Betrieb des Württembergischen Staatstheaters im selben Jahr erfordert, damit das Dreispartenhaus der Landeshauptstadt in der ersten Liga seiner Zunft die ernstzunehmende Stimme darstellen kann – eine Aufgabe, die es dank seiner künstlerischen Leistungen fraglos auch äußerst erfolgreich übernimmt –, korrigiert sich die Perspektive auf die jüngsten Maßnahmen: Dann wirken die Neuerungen doch eher wieder so, als ob nun zwei satte Tropfen anstatt eines dürftigen auf den nach wie vor heißen Stein fallen.