München (dpa) - Der neue Münchner Konzertsaal wird wohl auf dem früheren Werksgelände einer Knödelfabrik gebaut. Alles andere wäre eine große Überraschung. Die Kulturszene wartet auf die Entscheidung am Dienstag. Wenn es nach Markus Söder ginge, würde von Münchens sehnlich erwartetem Konzertsaal ein Signal mit Folgen bis in die Bundeshauptstadt ausgehen.
«Im Zuge der Entscheidung über den neuen Konzertsaal hoffe ich, dass wir damit auch ein Kunst- und Musikviertel etablieren können», sagte Bayerns Heimatminister der Zeitung «tz» (Samstag). «In München könnte man noch viel mehr machen.» Viele Kreative aus Film, Fernsehen, Popart und Popmusik wanderten bislang nach Berlin ab, sorgt sich der CSU-Politiker.
An diesem Dienstag will das bayerische Kabinett entscheiden, wo denn nun der Konzertsaal entstehen soll, der dem renommierten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BR) endlich ein festes Zuhause bieten soll. Es wäre eine große Überraschung, wenn sich die Ministerrunde nicht für das sogenannte Werksviertel am Ostbahnhof entscheiden würde. Dorthin, wo früher einmal Kartoffelknödel produziert wurden und später die Partyszene tobte, würden also dereinst die Münchner Klassikfans pilgern.
Der Standort Werksviertel hat vor allem den diskreten Charme des Machbaren. Das Gelände ist frei, schon erschlossen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Hier könnte nach einem Architektenwettbewerb mehr oder weniger sofort mit dem Bau begonnen werden. Denn die Zeit drängt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sehr gerne noch im Laufe seiner bis 2018 dauernden Amtszeit den Grundstein legen würde.
Außerdem könnte der neue Saal vorübergehend als Ausweichquartier für die Münchner Philharmoniker dienen, die ab 2020 die Philharmonie im Gasteig wegen dringender Sanierungsarbeiten räumen müssen. Eine kostspielige Interimslösung wäre dann obsolet.
Zuletzt war neben dem Werksviertel nur noch ein weiterer möglicher Standort im Rennen: die alte Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke westlich des Hauptbahnhofs, die eine Investorengruppe in eine Art Musikstadt verwandeln will. Dazu soll unter die gigantische, denkmalgeschützte Stahlbetonkuppel ein Konzertsaal implantiert werden. Dieser Vorschlag wäre spektakulärer als ein Konzertsaal im Werksviertel, aber wohl auch deutlich teurer. Außerdem müsste vorher die Post mit ihrem Briefverteilzentrum ausziehen.
Sogar Mariss Jansons, Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, der das Projekt eines neuen Konzertsaales einst angestoßen hatte, sprach sich jüngst bei einer Podiumsdiskussion für das Werksviertel aus. Sein Motto: Wenn nicht jetzt, dann nie. Er hatte über Jahre eigentlich den sogenannten Finanzgarten hinter dem Landwirtschaftsministerium an der Ludwigstraße favorisiert. Doch Naturschützer hatten erbitterten Widerstand angekündigt, falls man den alten Baumbestand dieses Geländes antasten sollte.
Mit dem Werksviertel verbindet sich auch die Hoffnung, dass der Standort den Osten Münchens beleben könnte und - wegen seines unfertigen Charakters vielleicht eine jüngere - experimentierfreudigere Publikumsschicht für klassische Musik anziehen könnte. Das klingt ein bisschen nach Berlin.