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Kein Mensch ist illegal

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Reinhard Mohn Preis 2018 an Joachim Gauck verliehen
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Am 7. Juni wurde der Reinhard Mohn Preis der Bertelsmann Stiftung, der in diesem Jahr unter dem Motto „Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten“ stand, an den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck verliehen. Mit dem Preis wurde Gauck als „Brückenbauer in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft“ gewürdigt.

Gauck habe während seiner Amtszeit das gelingende Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion zu seinem besonderen Anliegen gemacht, meldete die Stiftung. „Früher als viele andere hat Joachim Gauck erkannt: Wir müssen die anderen Kulturen kennen lernen. Erst, wenn wir alle mehr übereinander wissen, wenn wir uns darauf einlassen einander zu begegnen, kann das Zusammenleben gelingen. Nur dann kann etwas Neues, etwas Gemeinsames entstehen“, erklärte Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, in ihrer Rede im Rahmen des Festaktes.

Als Festredner war Elhadj As Sy eingeladen worden, Generalsekretär des Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. In einer britischen Zeitung sei Gauck einmal als „Deutschlands Antwort auf Nelson Mandela“ bezeichnet worden, berichtete Sy, der sich selbst als „Kind der Sahel-Zone“ bezeichnet. Er sprach von der „Versehrtheit der uns allen gemeinsamen Menschlichkeit und unserer Welt“, von den 66 Millionen Menschen, die derzeit auf der Flucht aus ihrer Heimat sind: die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg.

„Was ist also unsere Rolle in dieser versehrten Welt?“, fragt Sy: „Für mich liegt sie darin, wiederherzustellen, was für diese Menschen am kostbarsten ist – ihre Würde.“ In seiner Rede sprach er auch über Deutschland und sein vergangenes und gegenwärtiges Verhältnis gegenüber Einwanderern. Er zitierte den Preisträger mit den Worten: „Einwanderung wurde in Deutschland zunächst ignoriert, später abgelehnt, noch später ertragen und geduldet, und schließlich als Chance erkannt und bejaht. Und in diesem Stadium befinden wir uns heute. Heute weiß ich: Wir verlieren uns nicht, wenn wir Vielfalt akzeptieren. Wir wollen dieses vielfältige ‚Wir‘“. Es sei falsch, die Chancen von Einwanderung zu leugnen, so Sy: „die Chancen für Flüchtlinge, für die Gesellschaften, die diese aufnehmen, und für die Länder, die verlassen wurden: denn die Geflohenen schicken Geld nach Hause, kehren sogar oftmals zurück und bewegen etwas in ihren Geburtsländern.“ In den Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften glaube man: „Kein Mensch ist illegal.“

Schließlich betonte Sy die Bedeutung von Bildung als „most powerful weapon you can use to change the world“, zitiert nach Nelson Mandela. „Mit Bildung als Schlüsselelement kann man funktionierende Gesellschaften und ein harmonisches Zusammenleben erreichen. Und Bildung ist selbstverständlich mehr als nur Lernen und Informationen empfangen. Es geht dabei um Werte, um Erbe und um Sprache.“
In seiner Dankesrede erinnerte Joachim Gauck an seine Herkunft aus der DDR. In dem Land, in dem er fast fünf Jahrzehnte seines Lebens verbracht habe, sei Vielfalt, welcher Art auch immer, nicht erwünscht gewesen. Weiter betonte Gauck, dass ohne Offenheit, Dialog und Empathie eine Gemeinschaft der Verschiedenen schwerlich entstehen könne. „Doch Offenheit und Empathie gegenüber fremden Kulturen und Religionen dürfen nicht so weit gehen, das sie in der Mehrheitsgesellschaft zu Relativierung eigener kultureller Wert führen oder gar zu Relativierung demokratischer und freiheitlicher Grundwerte.“

Er habe in Gesprächen mit Migranten diese Erfahrung gemacht: „In diesem Land stehen nicht Einheimische gegen Eingewanderte, in diesem Land stehen demokratisch gesinnte Bürger gegen Bürger, die Pluralität ablehnen oder gar Hass säen und gewaltbereit sind – sei es auf Seiten der Einheimischen wie auf Seiten der Eingewanderten.“

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