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Das von Daniel Barenboim und Edward W. Said 1999 gegründete West-Eastern Divan-Orchestra setzt sich in gleichen Teilen zusammen aus jungen israelischen und arabischen Musikern. Foto: Monika Rittershaus
Das von Daniel Barenboim und Edward W. Said 1999 gegründete West-Eastern Divan-Orchestra setzt sich in gleichen Teilen zusammen aus jungen israelischen und arabischen Musikern. Foto: Monika Rittershaus
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Kleine Zahl, nachhaltige Wirkung

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Stiftungen an der Schnittstelle von Musik und kultureller Bildung
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Sucht man bei stiftungen.org, dem Online-Portal des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, nach dem Stichwort „Musik“, werden 529 Einträge gefunden. Das ist allerhand. Und klar ist, mindestens so viele Stiftungen befassen sich im weitesten Sinne mit Musikförderung in der Bundesrepublik Deutschland. Im Mittelpunkt steht dabei vielfach die Förderung mittels Stipendien und Preisen für begabte, junge Musikerinnen und Musiker, die eine Profi-Laufbahn anstreben. Sucht man eben dort nach „Musik + kulturelle Bildung“ wird nur ein Bruchteil, nämlich 76 Ergebnisse, angezeigt.

 
Aber um eben diese kleinere Menge, diese ausgewählten Stiftungen, die an der Schnittstelle von Musik und kultureller Bildung agieren, soll es hier gehen. Diese Stiftungen haben sich gänzlich oder teilweise der ersten musikalisch-kulturellen Bildung verschrieben. In der Regel führen sie junge Menschen an Musikinstrumente und Singen heran. Dabei helfen sie oftmals ein prinzipielles Interesse für Musik zu wecken, die musikalische Grunderziehung mitsamt Musikverständnis und Rhythmusgefühl auszubauen und ein Gemeinschaftsgefühl, ja zum Teil sogar eine kulturelle Integration, durch Musik zu generieren.

Doch welche Stiftungen mit Sitz in Deutschland befassen sich heute mit der Förderung von Musik und kultureller Bildung zugleich? Wie sehen diese Förderprogramme aus? Wo finden sie statt? Weshalb sind sie wichtig? Ausgewählte Beispiele werden helfen, diese Fragen zu beantworten.

Baydur-Stiftung

Mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche aller Bevölkerungsschichten, aber insbesondere mit Migrationshintergrund beziehungsweise aus sogenannten benachteiligten Schichten, an die europäische Musikkultur heranzuführen, gründete die Familie Baydur die gleichnamige Stiftung. Mittels Live-Konzerten mit jungen Solisten, Proben- und Konzertbesuchen, Workshops und der Förderung von musikalischen Schulprojekten soll den Kindern vor allen Dingen die Freude am Musikhören und Musikmachen vermittelt werden. Gleichzeitig soll so die kulturelle Integration von Kindern mit Migrationsgeschichten erleichtert werden. Im Rahmen dieses Ansatzes entstanden Kooperationen der Baydur-Stiftung mit SWR Young Classics und Förderangebote für Erzieher und Erzieherinnen in Elementarer Musikpadägogik. Mehr unter: http://baydur-stiftung.de

con moto foundation

Con moto bezeichnet die beschwingte, bewegungsreiche Vortragsweise einen Musikstücks. Die gleichnamige Stiftung will eben diese musikalische Bewegung zu Kindern bringen, um ihnen spontane Freude an Musik zu ermöglichen und dadurch ihre Entwicklung zu fördern: „Kinder, die sich konzentriert mit Musik beschäftigen, entwickeln Kreativität und machen sichtbare Fortschritte in ihrer Persönlichkeitsentwicklung.“ Aktuell unterstützt die con moto foundation im Rahmen des Musikfestivals PODIUM ein partizipatives Konzertprojekt, bei dem 16 Schülerinnen und Schüler ein musikalisches Ensemble künstlerisch begleiten sowie einen Kompositionsworkshop für 6- bis 18-Jährige, in dem die Grundlagen des Komponieren vermittelt werden und vieles mehr. http://www.conmotofoundation.de

Daniel Barenboim Stiftung

Seit 2008 fördert die Daniel Barenboim Stiftung, als Dachorganisation verschiedener musikalischer Projekte, den kulturellen Dialog zwischen dem Nahen Osten und der ganzen Welt – unter anderem mit Sitz verschiedener Projekte in Berlin, wie zum Beispiel dem Musikkindergarten Berlin. Gemeinsam mit Musikern der Staatskapelle Berlin initiierte Barenboim den Kindergarten, dessen Idee lautet: „Nicht Musikerziehung, sondern Bildung durch Musik“. Das heißt, dass neben einer „fundierten, kreativen, ganzheitlichen, bunten und ästhetischen Grundausrichtung“ ein besonderer Schwerpunkt auf die Vermittlung musischer Fähigkeiten gelegt wird. Darunter fallen die spielerische Schulung des Gehörs, des Rhythmusgefühls wie auch von Motorik in Form von Bewegung und Tanz. Diese Elemente der musischen Vermittlung werden kontinuierlich in allen abzudeckenden Bildungsbereichen des Kindergartens aufgegriffen und sind somit fester Bestandteil eines Kindergartentages. Mehr unter: https://www.daniel-barenboim-stiftung.org/de/

Kinder brauchen Musik –
Stiftung für eine aktive musikalische Kindheit

Die Stiftung von Rolf Zuckowski setzt sich seit über 10 Jahren dafür ein, dass Kinder in benachteiligten sozialen Lebensverhältnissen aktiv musizieren beziehungsweise Musik erleben können. Der von der Stiftung verfolgte Ansatz lautet, dass Musikförderung bei Kindern nicht nur der Entwicklung ihrer musikalischen Talente dient, sondern vor allem auch ihre Persönlichkeit, Kreativität, Lernfreude und sozialen Fähigkeiten stärkt. Daher werden vor allem ganzheitliche Projekte gefördert, in denen Musik zum Beispiel mit Theater und Bewegung kombiniert wird. Ein Instrument der Stiftung sind zum Beispiel innerdeutsche Klassenreisen zur Musik, bei denen Schülerinnen und Schüler eine Woche auf eine musikalischen Klassenfahrt gehen und zum Abschluss eine Aufführung des Gelernten für ihre Eltern geben. Mehr unter: http://www.kinderbrauchenmusik.de

Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung

Zur Verbesserung des Übergangs von der Kita in die Grundschule bietet die Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung in Gütersloh für jährlich zirka 130 Kinder aus Gütersloh die Möglichkeit, unter Anleitung erfahrener Theater-, Musik- und Kunstpädagogen ein Kindermusiktheaterstück zu entwickeln und umzusetzen. Nach Vorgesprächen und Workshops mit den verantwortlichen Erziehern und Lehrern der beteilig-ten Einrichtungen beginnt die konkrete Projektarbeit, in deren Mittelpunkt Gesang, gemeinsames Musizieren, Theaterspiel, Tanz und Kostüm-/ Bühnenbildarbeiten stehen. Jeweils im März des Folgejahres findet das Projekt seinen Abschluss mit Aufführungen des erarbeiteten Musiktheaterstücks im Theater Gütersloh. Den teilnehmenden Kindern soll so nicht nur der Start in den Schulalltag erleichtert werden, sondern sie sollen weiter an Musik und Kunst herangeführt werden und dabei auch andere Kulturen kennenlernen. Mehr unter: http://www.kultur-und-musikstiftung.de

Stiftung Singen mit Kindern

Gemäß des Credos „Singen ist die eigentliche Muttersprache des Menschen“ fördert diese Stiftung – wie ihr Name sagt – das Singen mit Kindern – in der Familie, in der Kindertagesstätte, in Schulen. Dafür bietet die Stiftung Fortbildungsprogramm zu Singexperten, -mentoren und -paten an, organisiert Liederfeste, veröffentlicht Liederkalender, -bücher und -pässe. Viele Angebote stehen einfach zugänglich auf der Webseite www.singen-mit-kindern.de zum kostenfreien Download bereit. Da kann das Singen mit Kindern gleich losgehen!

JeKits-Stiftung

Von Bochum aus agiert die JeKits-Stiftung als Trägerin der beiden Programme „JeKits – Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ und „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi), wobei letzteres das Vorgängerprogramm ist und Ende des Schuljahres 2017/18 in Nordrhein-Westfalen zugunsten von JeKits auslaufen wird. JeKits basiert auf der Kooperation einer Grundschule mit einem außerschulischen Partner wie zum Beispiel einer Musikschule. JeKits will Kindern den Zugang zu musikalischer beziehungsweise tänzerischer Bildung und die Erfahrung des Instrumentalspiels, des Tanzens oder des Singens als ästhetisches Handeln in der Gruppe ermöglichen – unabhängig von persönlichen und sozio-ökonomischen Voraussetzungen. Dies gilt zumindest für das erste JeKits-Schuljahr, in dem der Unterricht für alle teilnehmenden Grundschüler verpflichtend und kostenfrei ist. Ab dem zweiten Jahr ist der JeKits-Unterricht dann auf freiwilliger Basis und entsprechend kostenpflichtig. Mehr unter: https://www.jekits.de


Auch die zahlreichen Kulturstiftungen der Sparkassen sind wichtige Akteure im Bereich der musikalischen und kulturellen Bildung. So betreibt zum Beispiel die Haspa, kurz für die Hamburger Sparkasse, eine eigene Musikstiftung. Mit deren Hilfe wird es Schülerinnen und Schülern von der 1. bis zu 13. Klasse in Hamburg ermöglicht, mindestens einmal die Elbphilharmonie zu besuchen. Dafür werden eigens Schulkonzerte ausgerichtet, bei denen ein Blick hinter die Kulissen und auf die Instrumente geworfen sowie mit Musikern gesprochen werden kann. Natürlich will die Haspa damit insbesondere jene Kinder fördern, die eventuell keinen Zugang „zu dieser Welt“ haben – wie es in der Programmbeschreibung heißt. Zudem betreibt die Haspa einen Instrumentenfonds, bei dem jedes Jahr qualitativ hochwertige Blas-, Streich-, Zupf-, Perkussions- und Tasteninstrumente durch Bildungs-, Kultur- und Musikeinrichtungen ausgeliehen werden können, um diese begabten Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen, deren Familien keine eigenen zum Teil kostenintensiven Instrumente erwerben können. Nach der Recherche für diesen Artikel, dem Durchschauen der 76 bei der Suche nach „Musik + kulturelle Bildung“ bei stiftungen.org aufgeführten Stiftungen und einer weiteren Online-Konsultation des Deutschen Musikinformationszentrums (MIZ) wird schnell deutlich: Das Feld der Stiftungen, die sich intensiv mit der Schnittstelle von Musik und kultureller Bildung befassen, ist recht dünn – im Vergleich zu jenen Stiftungen, die sich der Begabtenförderung widmen. Das ist bedauerlich – nicht nur angesichts der in der Schule oftmals zu kurz kommenden musisch-künstlerischen Unterrichtsfächer! Denn wie gesagt, nicht nur Singen, sondern Musik im Allgemeinen ist die eigentliche Muttersprache der Menschen und verbindet über Sprach- und soziale Barrieren hinweg.

Theresa Brüheim, Mitarbeiterin des Deutschen Kulturrates

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