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Knabenchöre kämpfen um jede Stimme. Foto: Capella Vocalis Reutlingen
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Knabenchöre kämpfen um jede Stimme

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Reutlingen/Stuttgart (dpa/lsw) - Keine Auftritte mehr, kein Nachwuchs für den gemeinsamen Gesang, Existenzsorgen: Die Corona-Pandemie macht auch vor den Knabenchören im Südwesten keinen Halt. Die ausfallenden Konzerte reißen tiefe Löcher in einige Kassen der Gesangsvereine und Sängerschaften, Sorgen um neue Mitglieder kommen noch dazu. Das Problem treffe auch so gut wie alle der etwa 20 Knabenchöre in Baden-Württemberg, sagt Christian J. Bonath vom Knabenchor «Capella Vocalis» in Reutlingen.

Erst vor wenigen Tagen hatten zahlreiche Knabenchöre aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Flashmobs und Videoclips in den sozialen Medien um Nachwuchs geworben. Die schwieriger werdende Anwerbung der Nachwuchssänger stelle auch die Existenz einiger Ensembles infrage.

Für Frust sorge außerdem die Absage zahlreicher Konzerte. «Etwa 90 Prozent der geplanten Konzerte unseres Chors sind bisher dieses Jahr ausgefallen», sagt Bonath. Die Verluste beziffert er auf 40 000 Euro. Beim Blick auf das Jahresbudget von etwa 200 000 Euro des von Land und Stadt Reutlingen geförderten Chors werde deutlich, wie groß die Lücke schon jetzt sei. Ob Weihnachtskonzerte möglich sein werden, sei unklar. Absagen treffen Chorsänger hart, zumal sie etwa anspruchsvolle Stücke wie die Johannes-Passion monatelang proben, sagt der Chorleiter.

Das sieht auch Rainer Johannes Homburg so, der Leiter der Stuttgarter Hymnus Chorknaben. Seiner Meinung nach kann der Alltag in Coronazeiten auch das Gefüge eines Chors beeinflussen. Um Abstände einhalten zu können, werde bei den Chorknaben nun statt zwei Stunden mit 40 Jungen zwei Mal eine Stunde in der Woche mit jeweils 20 Jungen geprobt. So bleibe das Repertoire überschaubar.

Finden in diesem Jahr überhaupt Konzerte statt, dann meist mit begrenzter Teilnehmerzahl um die Abstandsregeln einhalten zu können. Statt 60 oder sogar 80 Jungen, träten dann gerade einmal ein Dutzend Chorknaben - mithin die leistungsstärksten Sänger - auf. Das wiederum führe zur Elitenbildung. Dabei sei es wichtig, dass alle Jungen den Chor als funktionierende Gemeinschaft erleben, sagt Homburg. Fehle zudem das Konzert als großes Ziel, gehe die Lust am Proben verloren.

Darüber macht man sich auch beim ökumenischen Knabenchor «Collegium Iuvenum» in Stuttgart Gedanken. Zwar sei die zuverlässige Planung von Auftritten unter den momentanen Bedingungen maximal erschwert und sogar fast unmöglich. Geprobt werde dennoch. Eine gemeinsame Probe ohne Abstände in größeren Gruppen könne jedoch «durch keine Fantasie und Mühe, die derzeit in eine Corona-konforme Chorarbeit investiert wird, ersetzt werden», betont Chorsprecherin Anja Kalischke-Bäuerle. Eine feine klangliche Arbeit, die sich durch ein aufeinander Hören und Reagieren auszeichne und so für musikalischen Fortschritt sorgt, werde durch große Abstände zwischen den Sängern sehr erschwert.

«Aufgrund des Infektionsschutzes können wir aktuell nicht wie gewohnt in den Schulen für unsere Chöre werben», sagt der Reutlinger Chorleiter Bonath. Das sei problematisch, da Jungen zum Beispiel in der Regel nur im Alter zwischen 10 und 14 Jahren die Sopranstimme singen könnten. Würden Chöre weniger Jungen in dieser Altersgruppe anwerben, fehle langfristig ein wichtiges stimmliches Element.

Im Kampf um den Nachwuchs wird in Stuttgart aktuell ein Konzept für Online-Neuaufnahmen entwickelt. Man habe zum Beispiel gute Erfahrungen mit der Online-Stimmbildung gemacht, sagt Kalischke-Bäuerle. «Bei einigen wenigen Online-Vorsingen, die wir bisher hatten, konnte man gut feststellen, ob eine Stimme gesund ist und ob schon musikalische Grundkenntnisse vorhanden sind.» Der Zulauf, den der Knabenchor «Collegium Iuvenum» vor Corona hatte, sei aber nahezu versiegt.