Hauptrubrik
Banner Full-Size

Künden zarte Pflänzchen einen Jazz-Sommer an?

Untertitel
Nach jahrelangem Stillstand in Sachen LAG und Jazzförderung könnte sich etwas tun
Publikationsdatum
Body

Die Geschichte der staatlich bayerischen Jazzförderung ist kurz und eher unerfreulich. Dass sich das bekanntlich auch für die Kunst zuständige Wissenschaftsministerium nach dem Krieg jahrzehntelang nicht für zuständig hielt, ist noch verständlich: Jazz war anfangs tatsächlich Subkultur und eine von einer Musiker-Minderheit kopierte, amerikanische Angelegenheit. Und die nachts in den Kellerclubs spielenden Jazz-Autodidakten selbst wären nicht im Traum darauf gekommen, wegen ihrer Probleme beim Ministerium vorstellig zu werden.

Der Regensburger Jazz-Tausendsassa Richard Wiedamann war dann Ende der Achtziger der erste, der auf die Idee kam, das Ministerium um Geld für das von ihm gegründete Institutionengeflecht Bayerisches Jazzinstitut, Landesarbeitsgemeinschaft Jazz e.V. (LAG) und Landesjugendjazzorchester anzugehen. Bei dieser mit einem Taschengeld für die Festivals abgerundeten Förderung ist es indes bis heute geblieben, obwohl sich der Jazz wie seine Szene seitdem radikal gewandelt und weiterentwickelt haben. Dass der Jazz zur „zweiten Klassik“, zur akademisch begründeten führenden Kunstmusik mit Ausstrahlung auf alle anderen Genres geworden ist, dass Jahr für Jahr mehr herausragende junge Jazzmusiker auf den Plan treten, dass der nationale wie internationale Austausch in den Studios, Clubs und bei den Festivals tiefenwirksamer Alltag geworden ist, das müsste man beim Ministerium eigentlich wissen, ist man doch maßgeblich daran beteiligt: Von „Jugend jazzt“ über diverse Förderpreise bis zu den Jazzabteilungen der drei bayerischen Musikhochschulen steckt man erhebliche Mittel in die Pflege des Nachwuchses. Doch während man den Klassikbetrieb nach der Ausbildungsphase weitersubventioniert (ohne diese Förderung gäbe es zum Beispiel keine Oper mehr), wird der Jazz danach sich selbst überlassen. Man muss das inzwischen eine Falle nennen: Junge Leute werden auf einen Markt gelockt, der sie kaum aufnehmen kann.

Eine Erkenntnis, zu der nach und nach auch die in der LAG versammelten wichtigsten bayerischen Jazzrepräsentanten kamen. Der als richtig diagnostizierte Hebel der Spielstättenförderung – sogar der Bund wendet ihn inzwischen mit seinem Spielstättenprogrammförderpreis an – ist seit 2011 im Bayerischen Musikplan verankert und als Aufgabe der LAG aufgetragen worden. Doch der Neustart nach dem Tod des schon lange schwer kranken Richard Wiedamann im selben Jahr geriet zur Farce, der Geburtsfehler von Wiedamanns – gegen kommerzielle Einflüsse gedachten – Rechtskonstruktion rächte sich. War doch die LAG der Rechtsträger des Jazzinstituts, dieses wiederum deren Geschäftsstelle und damit der von einem Kuratorium kontrollierte Empfänger des Staatszuschusses.

Die selbsternannte Wiedamann-Nachfolgerin und Duodez-Institutsfürstin Sylke Merbold, nach jahrelanger Funktionärstätigkeit bestens vernetzt, gewann den Machtkampf gegen die LAG, also die demokratisch verfasste Vertretung der bayerischen Jazzszene: Der damalige Minister Wolfgang Heubisch entwand – satzungswidrig, gegen einen bestehenden Mitgliederbeschluss, gegen den Wunsch der Stadt Regensburg wie auch gegen jede Vernunft – das Jazzinstitut der LAG und unterstellte sie dem Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen. Der erst im Mai 2012 angetretene LAG-Vorstand mit dem Verleger Theo Geißler, der Anwältin und „Unterfahrt“-Vorstand Barbara Heinrich und dem Musiker und Dozenten Steffen Schorn trat – schon aus Haftungsgründen – daraufhin bereits im Juli wieder zurück. Die LAG stand mit alter, kommissarischer Führung, vor allem aber ohne staatliche Mittel und die Gunst des Ministeriums da.

Wirkung trotz Mini-Budget

Daran änderte sich auch unter dem im Dezember 2012 gewählten neuen Vorstand mit dem Münchner Pianisten Tizian Jost, dem Regensburger Gitarristen Paulo Morello und dem Agenturchef und vormaligen LAG-Pressesprecher Michael Scheiner lange nichts, hatte der doch verständlicherweise Rechtsvorbehalt gegen das Vorgehen des Ministeriums eingelegt. Trotzdem hat die seither ausschließlich durch seine Mitgliedsbeiträge finanzierte, rein ehrenamtlich arbeitende LAG einiges bewegt: Die Zahl der Mitglieder hat sich nahezu verdoppelt; alle namhaften Spiel- und Bildungsstätten sowie Vereine und Berufsverbände sind dabei – übrigens auch die drei vom Ministerium getragenen bayerischen Musikhochschulen. In Zusammenarbeit mit dem Kemptener Jazzfrühling hat man im vergangenen Sommer erstmals den zwar nicht mit Geld, dafür mit einer Bayern-Tournee dotierten „LAG-Jazzpreis“ vergeben. Und schließlich arbeitete man ein praxisnahes Jazzförderkonzept aus, das sich an der Jazzförderung Baden-Württembergs orientiert. Dank der Vermittlung des dem Jazz wohlgesonnenen Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper kam man darüber sogar wieder mit dem Ministerium ins Gespräch. Freilich so zaghaft und unverbindlich, dass sämtliche potentielle Fördermittel jetzt frühestens für den Haushalt 2017 beantragt werden können.

Zurück zur Sache

Auf der demnächst anstehenden Mitgliederversammlung – die auch einen Vorstandsnachfolger für den wegen beruflicher Überlastung zurückgetretenen Michael Scheiner wählen muss – wird die LAG voraussichtlich in Vorleistung gehen und den alten Beschluss zur Trägerschaft samt Rechtsvorbehalt aufheben.

Wenn dann Anfang Oktober die große Runde mit allen Beteiligten plus Vertretern vom Musikratsvorsitzenden Thomas Goppel bis zum Haushaltsreferenten tagt, kann man nur hoffen, dass nach dem jahrelangem Hickhack alle zum Dienst an der Sache zurückfinden. Die wäre es wert – und die Summe, um die es geht, allemal: 380.000 Euro jährlich. Nur so zur Einordnung: Die nicht gerade gelungene Renovierung des Münchner Harras hat fast acht Millionen Euro gekostet.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!