Die 29. Rote Liste der bedrohten Kultureinrichtungen in Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, ist erschienen. Eine Stiftung, ein Museum, ein freier Kulturprojektraum und eine Musikschule wurden neu in die Rote Liste aufgenommen.
Sachsen
Die Brücke/Most-Stiftung ist von der Schließung bedroht (Kategorie 1) und beendet zum 31. Dezember 2017 ihre operative Tätigkeit. Seit 20 Jahren setzt sie sich für das Ziel ein, die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den ostmitteleuropäischen Staaten zu unterstützen und zu fördern. Aufgrund gesunkener Zinserträge auf das Stiftungskapital und fehlender institutioneller Förderungen ist die Fortführung der operativen Tätigkeit nicht möglich: Damit sind die seit 1998 stattfindenden Tschechisch-Deutschen Kulturtage in Dresden, Ústí n.L. und der Euroregion Elbe/Labe stark gefährdet. Als einer von wenigen anerkannten Trägern der Bundeszentrale für politische Bildung in Sachsen ist die Stiftung in zahlreichen regionalen und überregionalen Gremien vertreten. Ihr Stipendienprogramm – gemeinsam mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) – zur Förderung tschechischer und slowakischer Studierende der Dresdner Musikhochschule soll fortgeführt werden.
Thüringen
Das Museum 1806 in Jena-Cospeda in Thüringen wird auf die Vorwarnliste genommen (Kategorie 3). Sich verändernde Bedingungen wie etwa die Einführung des Mindestlohns machen es dem Museum schwer, sich weiter finanziell zu behaupten und die Qualität seiner Arbeit aufrechtzuerhalten. Die Einrichtung ist der historischen Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 gewidmet. Betreiber des Museums 1806 ist der Verein »Institut zur militärgeschichtlichen Forschung Jena 1806 e.V«., der vom Stadtmuseum Jena bei der Organisation unterstützt wird. Durch die Einführung des Mindestlohns sei es nun nicht mehr möglich, viele Arbeitsstunden zu bezahlen, so Vereinsvorsitzender Michael Rauch. Ehrenamtliche übernehmen zurzeit den Großteil der Arbeit im Museum. Daher sieht Rauch als Lösung nur eine höhere finanzielle Beteiligung der Stadt. Deren Zuschuss für den Verein und damit für das Museum beläuft sich zurzeit auf 13.000 Euro, benötigt würden hingegen 28.000 Euro.
Baden-Württemberg
Mit der Kulturinsel haben sich die Stuttgarter eine kleine Utopie geschaffen: Ein freier, grüner, kultureller Projekt- und Begegnungsraum mitten in der Stadt. 2012 wurde eine vermüllte Brachfläche in eines der ersten Urban-Gardening-Projekte Stuttgarts verwandelt. Aus dem Stadtgarten Inselgrün und dem umgebenden Gelände des Club Zollamt-Areals in Stuttgart-Bad Cannstatt wurde bald ein Ort, an dem die verschiedensten urbanen und (sub-)kulturellen Projekte verwirklicht werden können: von Theaterinszenierungen über Ausstellungen bis hin zu Musikveranstaltungen. Dabei verlangt das stetige Anwachsen der Kulturinsel nach professioneller Organisation und Verwaltung. Die Kulturinsel erhält keine finanzielle Förderung durch die Stadt, sondern finanziert sich ausschließlich über private Spenden. Ein großer Spender fällt dieses Jahr weg, was die Kulturinsel in finanzielle Bedrängnis bringt. Daher wurde eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, bei der bis Redaktionsschluss bereits 12.697 Euro von benötigten 30.000 Euro gesammelt wurden. Daher wird die Kulturinsel als von der Schließung bedroht (Kategorie 1) eingestuft.
Am 30. September dieses Jahres wurde die kommunale Musikschule Waldachtal in Baden-Württemberg geschlossen (Kategorie 0). Diesen Beschluss hatte der Gemeinderat bereits im Dezember 2016 gefasst. Da die Gemeinde höhere Ausgaben als Einnahmen verzeichnet, sind Einsparungen und Kürzungen prioritär. Der Zuschuss zur Musikschule wurde bislang von der Gemeinde erbracht, der Bedarf stieg in den letzten Jahren aber stetig an. Die Arbeitsverträge der Musiklehrerinnen und Musiklehrer wurden daher gekündigt. »Es gibt keine Alternative«, äußerte sich Bürgermeisterin Annick Grassi zum Entschluss. Zurzeit läuft der Musikunterricht mit den zwölf Lehrerinnen und Lehrern auf Honorarbasis weiter, sodass wenigstens privat weiterhin die Möglichkeit für Kinder und Jugendliche aus Waldachtal besteht, ein Musikinstrument unter professioneller Anleitung zu erlernen.
Der Herausgeber von Politik & Kultur und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Wieder mussten vier Kulturinstitutionen neu auf die Rote Liste gesetzt werden. Kulturangebote im ländlichen Raum, aber auch in der Stadt sowie die grenzüberschreitende Kulturzusammenarbeit sind bedroht. Unser Ziel ist es, auf den Wert einzelner Kultureinrichtung hinzuweisen und exemplarisch Probleme bei der Kulturfinanzierung aufzuzeigen.“
- Die Rote Liste stellt in Analogie zu den bekannten Roten Listen der Tiere und Pflanzen bedrohte Kultureinrichtungen in Deutschland vor. In der Roten Liste werden gefährdete oder bereits geschlossene Kulturinstitutionen, -vereine und -programme aufgeführt. (Kategorie 4: Gefährdung aufgehoben/ungefährdet; 3: Vorwarnliste; 2: gefährdet; 1: von Schließung bedroht; 0: geschlossen).
- Die 29. Rote Liste der bedrohten Kultureinrichtungen finden Sie hier.
- Alle bislang erschienenen Ausgaben der Roten Liste finden Sie hier.