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Kulturförderung im Begründungsnotstand

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Verfassungswidriger Haushaltsplan in Berlin · Von Olaf Zimmermann
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Das Land Nordrhein-Westfalen machte den Auftakt. In einem Hintergrundgespräch kündigte Kulturminister Vesper Anfang Oktober diesen Jahres an, zunächst alle Projektförderungen im Kulturbereich auf null zu stellen, um dann anschließend einzelne Fördermaßnahmen erneut zu begründen. Den Aufschrei in der Kulturszene versucht er mit dem Hinweis zu beruhigen, dass das „auf Null stellen“ lediglich ein Fachbegriff aus dem Haushaltsrecht sei und selbstverständlich am Ende von Einzelverhandlungen weiterhin Kultureinrichtungen und -initiativen gefördert werden, sofern diese Förderung ausreichend begründet werden kann.

Damit war der Ton angestimmt, der nun die Diskussion um die Kulturförderung in den Ländern begleitet. In Berlin klingt das öffentliche Streichkonzert besonders schrill: Der Haushalt ist schlicht verfassungswidrig. Ein Umstand, der dem als Sparkommissar berühmt berüchtigten Finanzsenator ganz zu pass kommen mag. Nur noch den Pflichtaufgaben wird nachgekommen, alle freiwilligen Leistungen werden auf das Mindestmaß heruntergefahren.

Erstaunlicherweise ist der Kulturbereich auf die jetzigen und die noch anstehenden Einsparungen erschreckend schlecht vorbereitet. Zu lange scheint man sich auf die Position zurückgezogen zu haben, dass es einen allgemeinen Konsens zur Kulturförderung gibt.

In den vergangenen fünf Jahren wurde zwischen dem Bund und den Ländern mehr darüber gestritten, ob der Bund überhaupt im Kulturbereich fördern darf, als dass sich Gedanken darüber gemacht wurde, die Kulturförderung des Bundes, der Länder und Kommunen als solche fundiert zu begründen.

Betrachtet man die verfassungsrechtlichen Grundlagen zur Kulturförderung, so ist das Eis in einigen Ländern relativ dünn, dieses gilt in besonderem Maß für Berlin. In Artikel 20 § 2 der Berliner Verfassung ist zwar nachzulesen: „Das Land schützt und fördert das kulturelle Leben“, doch wird eine Verpflichtung, den Zugang zu Kultureinrichtungen zu ermöglichen und deshalb ein Mindestmaß an kultureller Infrastruktur zur Verfügung zu halten, nicht eingegangen. Demgegenüber wird in der Verfassung ein deutlicher Akzent auf den Zugang zu Bildung oder zum Sport gelegt. So steht in Artikel 20 § 1: „Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Das Land ermöglicht und fördert nach Maßgabe der Gesetze den Zugang eines jeden Menschen zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen (...)“ oder in Artikel 32: „Sport ist ein förderungswürdiger und schützenswerter Teil des Lebens. Die Teilnahme am Sport ist allen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen.“ Ganz anders lauten die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kulturförderung im Freistaat Bayern. Dort wird in Artikel 140 der Verfassung festgelegt: „Kunst und Wissenschaft sind von Staat und Gemeinde zu fördern. Das kulturelle Leben und der Sport sind von Staat und Gemeinden zu fördern“.

In Berlin wird es also schwierig werden, aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz des kulturellen Lebens eine Pflicht zu Kulturförderung abzuleiten. Einfacher wird es sein, den deutsch-deutschen Einigungsvertrag heranzuziehen, der besagt, dass die kulturelle Substanz im Beitrittsgebiet, also den neuen Ländern und Ost-Berlin, keinen Schaden nehmen darf. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Land Berlin in der Kulturförderung besonders schwere Aufgaben zu schultern hat. Beide Teile der Stadt, Ost- wie Westberlin, waren für die jeweiligen Teilstaaten das Aushängeschild im Kulturbereich. Der Kulturbereich wurde auf einem vergleichsweise hohen Niveau gefördert. Durch den Aufbau von Doppelstrukturen über 40 Jahre, das Erbe Preußens, die Hauptstadtfunktion seit Anfang der 90er-Jahre, eine relativ geringe Wirtschaftskraft und die spezifische Situation eines Stadtstaates steht Berlin vor einer Gemengelage in der Kulturförderung, die einem gordischen Knoten gleicht, der bis heute noch nicht durchschlagen werden konnte. So ist auch die kürzlich zusätzlich zugesagte Übernahme der Finanzierung der Akademie der Künste und der Betriebskosten für den Hamburger Bahnhof durch den Bund im Tausch zur Errichtung der Opernstiftung mit einer Morgengabe von drei Millionen Euro nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Es wird vielmehr erforderlich sein, inhaltliche und gesetzliche Begründungen zur Förderung der Kultur nicht nur für Berlin zu liefern. Der verfassungsrechtlich garantierte allgemeine Zugang zu Bildung könnte eine solche Begründung sein. Kultureinrichtungen sind nicht „l’art pour l’art“. Kultureinrichtungen nehmen auch einen Bildungsauftrag wahr. Manche erfüllen diesen in geradezu exemplarischer Weise ohne Berührungsängste gegenüber dem Publikum, andere werden an dieser Stelle noch nachlegen müssen. Da die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen zusätzlich bundesgesetzlich durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz geregelt ist, bietet sich hier ein Begründungsstrang an, der von den betreffenden Kultureinrichtungen aber inhaltlich fundiert gefüllt werden muss. Es wird nicht helfen, aus der Not einige Angebote für Kinder und Jugendliche ins Leben zu rufen. Es muss dahinter ein konsistentes Konzept stehen.

Genau dieses, eine inhaltliche Bestimmung nach dem Auftrag der Kultureinrichtungen, eine daran anknüpfende qualitative Beschreibung und letztlich eine Festlegung, ob diese Aufgabe durch die öffentliche Hand oder privat gefördert werden sollte, wird die Aufgabe der Zukunft sein. Kulturförderung muss neu begründet und gesetzlich fixiert werden. Das einzig Bedauerliche an diesem Begründungsnotstand ist, dass die Diskussion nicht nur in Berlin unter dem Fallbeil der knappen öffentlichen Kassen geführt werden muss.

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