Hauptbild
EU-Kommission Flagge
Chemnitz wird Europäische Kulturhauptstadt 2025
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Kulturhauptstadt Europas 2025: Countdown für Bewerber

Autor
Publikationsdatum
Body

Berlin (dpa) - Der Countdown läuft: Am 30. September endet die Bewerbungsfrist für die deutschen Städte, die Europäische Kulturhauptstadt 2025 werden wollen. Chemnitz, Dresden, Gera, Hannover, Hildesheim, Magdeburg, Nürnberg und Zittau werfen den Hut in den Ring.

Am 12. Dezember wird eine internationale Jury verkünden, welche Städte in die zweite Runde des Bewerbungsprozesses kommen. Die Schluss-Auswahl ist für das kommende Jahr geplant. Neben Deutschland wird auch Slowenien im Jahr 2025 eine Kulturhauptstadt stellen. Die letzte Europäische Kulturhauptstadt aus Deutschland war 2010 Essen mit dem Ruhrgebiet.

Ein Überblick über die Bewerber:

CHEMNITZ, dessen Image seit den rechten Aufmärschen und fremdenfeindlichen Übergriffen nach der tödlichen Messerattacke auf einen Deutschen Ende August 2018 angeschlagen ist, stellt die Widersprüche seiner Geschichte in den Mittelpunkt: Umbrüche, Identitätssuche, den Wandel zur Stadt der Industriekultur. «Wir haben keine Angst vor Neuem, sondern sind, manchmal zwangsläufig, Experimentierfeld. Und gerade jetzt geht es um Identität, Zugehörigkeit und Umgang mit Veränderung», sagte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD). Das Konzept sieht vor, dass die Bürger selbst Projekte entwickeln. Auf der Homepage sind 25 Gründe aufgelistet, warum die Stadt eine gute Wahl ist - vom welthöchsten Kunstwerk bis zum «großartigsten Freundeskreis».

DRESDEN will unter dem Motto «Neue Heimat Dresden» viel mehr Menschen als bisher am Kulturmachen und -erleben beteiligen, der Digitalisierung neue Formate erschließen, die internationale Vernetzung und den Austausch zwischen Stadt und Land, Zentrum und Stadtteilen verstärken. Der Titel Europäische Kulturhauptstadt verpflichte zu weitaus mehr, «als nur zu zeigen, was man bereits hat», sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Angesichts des Risses, der durch Europa gehe, sei die Bewerbung «eine Einladung an alle Menschen, eine «Neue Heimat» positiv mitzugestalten».

GERA - Die schrumpfende Stadt, deren Bewohner immer älter werden - dem wollen die Initiatoren mit einer Bewerbung als Kulturhauptstadt etwas entgegensetzen. «Die Zukunft der Jugend in Gera ist ein großes Thema der Bewerbung», sagte Thomas Kiemle aus dem Organisationsteam. Bei einem «Langen Tisch» kamen kürzlich Jugendvertreter zusammen, um darüber zu beraten, wie junge Menschen von einer Bewerbung der ostthüringischen Kommune zur Kulturhauptstadt profitieren könnten - und was sie einbringen könnten. Die Motivation für die Bewerbung kam von einer Gruppe junger Einwohner, die sich zur Initiative zusammengeschlossen haben.

HANNOVER - «Hier Jetzt Alle für Europa!» lautet das Motto von Hannover. Nach antikem Vorbild will die niedersächsische Landeshauptstadt eine Agora - ein Kunst- und Debattierforum - in der City schaffen. Weitere Schwerpunkte der Bewerbung sind grüne Stadt, Musik als universelle Sprache sowie Religion auf der Suche nach gemeinsamen Werten. Prominenter Botschafter ist der in Hannover aufgewachsene Pianist Igor Levit. «Unsere Geschichte ist nicht die Geschichte der Angst», sagt der Weltstar in einer Videobotschaft. «Wir stehen für Weltoffenheit.» Für das Bewerbungsbuch wurde der Schriftsteller Juan S. Guse engagiert. Dies habe noch keine andere Stadt zuvor gemacht, hieß es. In dem Buch greift der 30-Jährige das Szenario eines existenziell gefährdeten Europas auf und erweckt zwei berühmte Hannoveraner zum Leben, den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz und den Künstler Kurt Schwitters.

HILDESHEIM - «Beets, Roses and the meaning of life» (Rüben, Rosen und der Sinn des Lebens) lautet das Motto der 100 000-Einwohner-Stadt nur etwa 35 Kilometer südlich von Hannover. Dabei stehen die Rüben für Landwirtschaft und Bodenständigkeit, die Rosen für Schönheit und Lebenswillen. «Wir bewerben uns mit der umliegenden Region», sagt Thomas Harling, Leiter des Projektbüros Kulturhauptstadt Hi2025. Der 1000-jährige Rosenstock am Dom hängt eng mit dem Gründungsmythos der Stadt zusammen. Der Mariendom und die Kirche Sankt Michaelis wurden 1985 samt ihrer Kunstschätze in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Die Idee zur Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt stammt laut Harling nicht aus dem Rathaus, sondern aus der Stadtgesellschaft.

MAGDEBURG lässt sich von den Experimenten des Naturwissenschaftlers Otto von Guericke (1602-1686) inspirieren. Er schuf etwa die «Magdeburger Halbkugeln» und erzeugte ein Vakuum. Bauliche Lücken und Leerstellen - und die Chancen, sie zu füllen - sollen nun bei der Bewerbung als «Stadt des Vakuums» helfen. «Wir wollen als Stadt perfekter werden», sagte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD). «Out of the Void - Raus aus der Leere» ist das 60-seitige Bewerbungsbuch der Stadt überschrieben. Es sollen mehr Möglichkeiten für Kultur in der Stadt geschaffen werden, öffentliche Räume belebt werden. Stadtteilprojekte sollen für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen. Magdeburg will so auch sein Image verbessern.

NÜRNBERG hat sich bereits im Dezember 2016 per Stadtratsbeschluss zu der Bewerbung bekannt. Der langjährige und im kommenden Jahr scheidende Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) sieht in dem Projekt nicht weniger als «einen Aufbruch für die nächste Generation». Themen wie Europa, die Digitalisierung des Alltags, Migration oder Zukunft der Arbeit sollen eine Rolle spielen. Die Stadt rechnet mit Vorbereitungskosten von mehreren Millionen Euro. Nürnberg kann unter anderem auch mit seiner mittelalterlichen Altstadt und einer regen Kulturszene punkten. Zuletzt machte die Generalmusikdirektorin des Nürnberger Staatstheaters, Joana Mallwitz, Schlagzeilen, die zur «Dirigentin des Jahres» gekürt wurde.

ZITTAU in Ostsachsen setzt unter dem Motto «365°Leben» auf die Verbindung zwischen Menschen, Kommunen und Organisationen aus verschiedenen Nationen in der Region «als wichtige Nahtstellen für die EU». Die Akteure haben das Bewerbungsbuch mit Geschichten über das Leben im ländlichen Raum, abseits der Metropolen und großer gesellschaftlicher Bühnen gespickt: anhand einer typischen, durch historische Brüche, Abwanderungsschmerz und neuen Mut getragenen Familie aus der Dreiländerregion. «Wir können mit unserer Bewerbung zeigen, dass ein vereintes Europa nicht einfach nur Vorteile hat, sondern Lebensgrundlage für ganze Landstriche ist.»

 

Autor