Seit 2016 ist Peter Michael Hamel Direktor der Musikabteilung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Was der Nachfolger von Siegfried Mauser in seiner Agenda hat, erfuhren interessierte Journalisten bei einem der jüngsten Uraufführung vorgeschalteten Pressegespräch, in dem Hamel die künftigen Schwerpunkte des Musikprogramms vorstellte.
Befürchtungen, dass sich hinter Neuerungen auch in der Akademie Einsparungen verbergen, konnten Peter Michael Hamel und seine beiden Akademiemitglieder Tobias PM Schneid und Nikolaus Brass zerstreuen. Im Gegenteil, die Akademie wurde personell um eineinhalb Stellen aufgestockt, neu ist unter anderem Volker Hapke-Kerwien auf der Stelle für Presse-und Öffentlichkeitsarbeit. An den bekannten Gefäßen der Abteilung Musik wird nicht gerüttelt: Das Forum junger Komponisten mit der Ernst von Siemens Musikstiftung, die Auftragskompositionen der Akademie, der Gerda-und-Günter-Bialas-Preis zusammen mit der GEMA-Stiftung sowie der Preis Neues Hören zusammen mit der Stiftung Neue Musik im Dialog, die HappyNew-Ears-Preise mit der Hans und Gertrud Zender-Stiftung, der musica viva und BR-Klassik sowie gemeinsame Projekte mit dem Festival aDevantgarde, der MGNM, der Carl Orff-Stiftung und der Hochschule für Musik und Theater München bilden weiterhin das musikalische Rückgrat der Akademie.
Sobald das Spaenle-Ministerium eine Entscheidung über G8/G9 getroffen hat, will die Akademie im Bereich der schulischen Nachwuchsförderung aktiv werden. Gedacht wird unter anderem an ein Wahlfach Komponieren in der Oberstufe. Mit Konzerten, Symposien und Podiumsdiskussionen will man dem schwindenden öffentlichen Bewusstsein für Kunstmusik entgegenwirken. Geplant ist ein Symposium Neue Musik und Medien im Netz – im Zentrum: die Chancen und Gefahren von Digitalisierung und Globalisierung. Innerhalb der Akademie sind abteilungsübergreifende Projekte geplant und neue Veranstaltungsformate zielen auf die Förderung interkultureller Kompetenz. In Verbindung mit dem Freien Musikzentrum München sind Begegnungen mit afrikanischer, arabischer und persischer Musik geplant. Damit genug der Vorschusslorbeeren und noch ein Blick auf die am gleichen Abend in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am Max-Joseph-Platz durch das ensemble trio-Log münchen vorgestellten Arbeiten zweier junger Komponistinnen, Aziza Sadikova und Alexandra Zabegaeva.
Alexandra Zabegaeva, 1983 in Wladiwostok geboren, kam nach ersten Studien in Nischni Nowgorod in die Meis-terklasse von Heinz Winbeck und Tobias PM Schneid nach Würzburg. Ihre Auftragskomposition für die Akademie hatte sie „Lethe“ überschreiben, nach dem Fluss des Vergessens, der vor den Toren des Hades fließt. Der Titel Lethe, so versicherte die Komponistin im angeregten Pausengespräch mit Hamel und Schneid, sei nicht als Programm zu verstehen, sondern nachträglich entstanden – er befindet sich damit in bester Gesellschaft vieler Vorworte, Buchtitel und Zeitungsheadlines. Das Stück für Flöte, Fagott, Violine, Cello und Klavier ist tonal angelegt und konventionell notiert: Zabegaeva entwickelt die Werkstruktur aus den drei Tönen g – fis – d. Dieser Motivkern verbindet alles Folgende miteinander. Ohne Scheuklappen bedient sich Zabegaeva aus dem Materialfundus alter und neuer Musik: Sie kennt keine Angst des Komponisten vor Tonalität oder Tabu-Intervallen wie kleine Terz oder reine Quint – die Russin setzt weder auf Neue-Musik-, noch auf Retro-Klischees, sondern entwickelt aus kleinsten Strukturen eine große Form.
Einen intimeren Einblick in ihre kompositorische Werkstatt gab die russische Komponistin mit den „7 Bagatellen“ für Flöte, Klarinette, Schlagzeug Violine, Cello und Klavier von 2012. Die sieben Kleinigkeiten hatten Etüdencharakter und wurden von den Mitgliedern des trioLog Ensembles fesselnd in Szene gesetzt. Als von der Akademie beauftragte Komponistin durfte Zabegaeva einen zweiten Komponisten für den Akademieabend vorschlagen und sie entschied sich für jemanden, den sie als Preisträger-Kollegin des „Da Capo Preis“ des internationalen Kompositionswettbewerbs Brandenburger Biennale kennengelernt hatte: für die 1978 in Taschkent/Usbekistan geborene Komponistin Aziza Sadikova. Deren Arbeiten bewegen sich in einem weiten Spektrum zwischen neobarocken Texturen und experimentellem Musiktheater. Das ensemble trioLog brachte zwei Stücke von ihr nach München. „Kamni (Stones)“ ist ein musiktheatralisch angelegtes Streichquartett, das um Klangsteine, Schlagwerk und Vibraphon erweitert wurde. Anspielungen auf usbekische höfische Musik münden in der Zuspielung eines usbekischen Flötenmotivs. Die Mitglieder des ensemble trioLog, die vorwiegend aus dem deutschen und angelsächsischen Kulturkreis stammen, trafen den dunklen, schweren Klang der russischen Seele, die die Musik der beiden Komponistinnen atmete.