Hauptbild
Heribert Prantl (SZ) und Olaf Zimmermann (DKR) bei der puk-Preisverleihung 2008. Foto: DKR
Heribert Prantl (SZ) und Olaf Zimmermann (DKR) bei der puk-Preisverleihung 2008. Foto: DKR
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Kulturverbände unter Wettbewerbsdruck

Untertitel
Die Gemeinwohlorientierung als Überlebensstrategie
Publikationsdatum
Body

Die erfolgreiche Abwehr der Initiative von sieben Bundesländern im Bundesrat zur Abschaffung der Künstlersozialkasse vor zwei Wochen zeigt, dass Verbände nicht machtlos sind. Nach der Alarmierung durch den Deutschen Kulturrat haben innerhalb weniger Tage Dutzende Bundeskulturverbände ihren Unmut gegenüber der Politik deutlich gemacht. (Vorabveröffentlichung aus nmz 10-08)

Der Länderkammer blieb nichts anderes übrig, als klein beizugeben. Doch dieser Erfolg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Verbandswesen in Deutschland in einer tief greifenden Umwälzung befindet. Seit einigen Jahren verlieren die Verbände kontinuierlich an Einfluss.

Dieser politische Einflussverlust passiert nicht plötzlich, sondern langsam und fast geräuschlos. Manchmal sieht man ihn, wenn bei Anhörungen im Deutschen Bundestag neben den wenigen eingeladenen Verbandsvertretern viele Fachleute aus der Wissenschaft sitzen. Die Wissenschaftler tragen in ihren Statements zwar nur ihre eigene Meinung vor und vertreten nicht wie die Verbandsvertreter ein mehr oder weniger großes Klientel, trotzdem ist ihre Meinung den Abgeordneten mindestens so lieb, wenn nicht sogar lieber als die Stellungnahme der Kulturfunktionäre.

In den beiden Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages, in denen ich Mitglied sein durfte, war das ebenfalls deutlich spürbar. In der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ (1999–2002) waren noch drei Funktionäre, ein Kollege von der Arbeiterwohlfahrt, ein Kollege vom Deutschen Sportbund und ich als Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, mehr oder weniger wohl gelitten. In der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages (2003–2007) war ich schon der letzte der Funktionärs-Mohikaner. Zufall? Wohl eher nicht, denn Verbandsfunktionäre stehen in der Politik nicht hoch im Kurs.

Deutlich beliebter sind die vermeintlich unabhängigen Beratungsagenturen. Diese politischen Berater und Dienstleister liefern etwas, was Interessenverbände nicht bieten können: externe Beratung ohne jedes Meckern und Maulen, wenn die Beratung nicht angenommen wird. Im Gegenteil: Ein nicht angenommener Vorschlag bietet die Chance für neue Beratungsaufträge. Vollkommen „interessenfrei“, außer natürlich von den eigenen legitimen ökonomischen Interessen, sind sie die idealen Partner für den politischen Apparat. Der Siegeszug der politischen Berater und Dienstleister begann in Brüssel, wo Agenturen schon immer ein deutliches Gegengewicht zu den klassischen Interessenverbänden bilden. Jetzt erreichen sie, in zunehmendem Maße, auch die deutschen politischen Strukturen.

Neben diesen Dienstleistern ohne Mission gibt es schon seit längerer Zeit eine Reihe von Stiftungen, wie zum Beispiel die Bertelsmann Stiftung oder die Bosch Stiftung, die missionieren, ohne ein klassischer Interessenverband zu sein und gegenüber der Politik erfolgreich den Eindruck vermitteln, wie ein reiner Dienstleister „interessenfrei“ zu beraten. Noch erfolgreicher als diese Stiftungen sind Honoratioren-Initiativen, wie zum Beispiel die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder der Konvent für Deutschland. Diese wirtschaftsfinanzierten Initiativen bilden aber noch nicht das letzte Entwicklungsglied im politischen Lobbyismus. Die neuen Stars sind große multinationale Unternehmen wie Google oder Microsoft. Diese Unternehmen vertreten sich äußerst erfolgreich selbst. Hier haben die Verbände spätestens ausgedient.

Die Interessenverbände müssen sich dieser neuen Konkurrenz bewusst werden und sich dieser neuen Herausforderung offensiv stellen. Interessen zu haben und diese deutlich auszusprechen, ist kein Makel, sondern in einer Demokratie die Voraussetzung für politisches Gestalten. Und gerade die Interessen der Kulturverbände zeichnen sich durch ihre Gemeinwohlverträglichkeit aus.

Gemeinwohlverträglichkeit heißt aber auch, dass dem eigenen Interesse Grenzen gesetzt sind. Nicht alles, was erreichbar ist, sollte im Lichte der Gemeinwohlorientierung auch angestrebt werden. So gehört für mich das Eintreten für den Erhalt der Künstlersozialversicherung zu einer solchen grundsätzlichen Gemeinwohlorientierung im Kulturbereich, die auch nicht durch partielle Eigeninteressen von einigen Kulturverbänden in Frage gestellt werden darf. Hier haben in der letzten Zeit einige Verbände Morgenluft gewittert und gemeint, Huckepack im Verein mit Wirtschaftsverbänden sich der Künstlersozialabgabe entledigen oder zumindest weitere Vergünstigungen für sich herausschlagen zu können. Es ist gut, dass solche Ansinnen zunächst vom Tisch sind. Besser noch wäre es, wenn sich bei den Kulturverbänden insgesamt das Selbstverständnis festigen würde, dass Stärke nur durch Solidarität und Gemeinwohlorientierung erreicht wird. Das bedeutet auch von Zeit zu Zeit, das eigene Partialinteresse gegenüber einem übergeordneten Ziel zurückzustellen.

Denn nur, wenn die Kulturverbände die Gemeinwohlorientierung nicht aus den Augen verlieren, halten sie das letzte Alleinstellungsmerkmal fest, das ihnen noch geblieben ist. Ohne dieses Alleinstellungsmerkmal „Gemeinwohlorientierung“ müssen sie sich der direkten Konkurrenz der Agenturen, Dienstleister, vieler Wissenschaftler, Stiftungen und Honoratioren-Initiativen in der politischen Lobbyarbeit stellen. Viele Kulturverbände, auch aus dem Musikbereich, würden diesen harten Wettbewerb wohl nicht überleben.

(Vorabveröffentlichung aus der nmz-Ausgabe 10-08, die am 2.10. erscheint)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!