Magdeburg - In der Spardebatte um Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt geht Kultusminister Dorgeloh in die Offensive, trotz lautstarker Proteste von etwa 300 Menschen vor der Landtagssitzung am heutigen Donnerstag. Es gebe überbezahlte Mitarbeiter, zu viele Beschäftigte und zu wenige Besucher, kritisiert er. Die Opposition zeigt sich entsetzt.
Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) hat in der Spardebatte mehrere Kultureinrichtungen im Land ungewöhnlich scharf angegriffen. Bei der Staatskapelle in Halle etwa koste ein Musiker nach ihm vorliegenden Zahlen im Durchschnitt 80 200 Euro pro Jahr, beim Orchester in Weimar seien es dagegen nur 61 800 Euro, sagte Dorgerloh am Donnerstag im Landtag in Magdeburg. «Das sind 25 Prozent weniger als in Halle», sagte Dorgerloh. Ein Stadtratsbeschluss, die Zahl der Musiker von 137 auf 99 zu senken, sei nicht umgesetzt worden. Zudem würden die vereinbarten Ziele bei den Besucherzahlen um bis zu 20 Prozent unterschritten. Auch in Dessau würden die Zielvorgaben bei den Besucherzahlen seit Jahren nicht erfüllt.
«Das alles reicht aus, um deutlich zu machen, dass wir Handlungsbedarf haben», sagte Dorgerloh. Er lehnte einen Antrag der Linksfraktion ab, die geplanten Kürzungen bei den Theatern und Orchestern zunächst auszusetzen. Wer die Strukturen nicht jetzt ändere, ignoriere nicht nur die Realität, sondern gefährde langfristig den Bestand der Einrichtungen. Halle solle ein A-Orchester behalten, die Mitarbeiterzahl müsse aber gesenkt werden, forderte Dorgerloh.
Bei der Opposition löste Dorgerloh heftige Proteste aus. «Wenn die Landesregierung hier kürzt, dann gehen bei uns irgendwann wirklich die Lichter aus», erklärte Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert in einer Mitteilung. Der Linke-Politiker Swen Knöchel schrieb im Internet-Dienst Twitter: «das Kulturverständnis des Kultusministers entsetzt...» Den Antrag der Linksfraktion, die Einsparungen bei der Kultur zunächst auszusetzen, verwies der Landtag mit den Stimmen der schwarz-roten Regierungskoalition an den Kulturausschuss.
Am Vormittag hatten rund 300 Menschen zu Beginn der Landtagssitzung lautstark gegen Kürzungen bei der Kultur protestiert. Auf Plakaten hieß es «Kulturwüste» oder - in Anspielung auf das Frühaufsteher-Motto des Landes - «Wir ziehen früher weg». Die Demonstration war der Abschluss eines siebentägigen Protests unter dem Motto «Magdeburg hört die Posaunen von Jericho», der von Kulturschaffenden organisiert worden war.
Nach den Plänen der Landesregierung sollen die Mittel für die Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt von 36 Millionen Euro in diesem Jahr auf rund 30 Millionen Euro im kommenden Jahr gekürzt werden. Zugleich wurden aber noch zusätzliche Mittel zur Finanzierung von Strukturveränderungen in Aussicht gestellt. Neben der Kultur protestieren in Sachsen-Anhalt derzeit vor allem Hochschulen gegen Einsparungen.
Unterdessen hat eine Initiative «Kulturland Sachsen-Anhalt» nach eigenen Angaben mehr als 30 000 Unterschriften gegen die geplanten Einsparungen im Kulturhaushalt gesammelt. Damit sei das Parlament jetzt verpflichtet, die Initiative anzuhören. Die Listen wurden an Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) übergeben. Prominente Unterstützer sind nach Angaben der Initiatoren unter anderem Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Schauspieler Dieter Hallervorden.
Rochus Görgen