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Ruhrtriennale 2018.
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Kunstfreiheit contra Boykott: Diskussion bei der Ruhrtriennale

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Ist die Kunstfreiheit in Gefahr, wenn Anhänger eines Israel-Boykotts nicht auftreten dürfen? Nach dem Hin und Her um die schottische Band „Young Fathers“ hat die Ruhrtriennale dies am Samstag öffentlich diskutiert.

Mit einer Hausaufgabe entließ Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert am Samstag als souveräner Moderator Zuhörer und Zwischenrufer der Ruhrtriennale-Diskussion über Kunstfreiheit und die israelkritische Boykott-Kampagne BDS: Man solle doch immer wieder bedenken, „ob wir nicht auch im eigenen Land einen zunehmenden, gelegentlich fanatischen Ehrgeiz beobachten, die jeweils eigene Meinung für die einzig mögliche zu halten.“ Exakt 90 anstrengende Minuten Diskussion mit vielen erregten Zwischenrufen aus dem Publikum lagen da hinter ihm und den 400 Besuchern.

„Freedom of Speech/Freiheit der Künste“ hatte das vor allem vom Land NRW finanzierte und als Aushängeschild betrachtete Kulturfestival die erst vor wenigen Wochen anberaumte Diskussion überschrieben. Anlass war die heftige Debatte um die Einladung der Pop-Band „Young Fathers“, die die BDS-Kampagne unterstützt. Triennale-Intendantin Stefanie Carp hatte die Gruppe zum Festival erst ein-, dann aus- und schließlich wieder eingeladen. Die Gruppe sagte schließlich von sich aus ab. Anstelle des Konzerts nun das Podium. BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen). Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält die BDS-Bewegung „in ihren Handlungen und Zielen“ für antisemitisch.

Carp wiederholt, was sie auch schon im Kulturausschuss des Landtags sagte: „Als ich die schottische Band eingeladen habe, muss ich zugeben, habe ich das Wort BDS noch nie gehört gehabt.“ Als sie nach der Ausladung dann ihr eigenes Statement gelesen habe, habe sie es für falsch gehalten und die Band wieder eingeladen. „Ich sehe es als meine Aufgabe, eine möglichst breite Multiperspektivität herzustellen.“ Sie habe den Rahmen der Kunst so offen wie möglich halten wollen. Kunst sei dafür da, Diskussion und auch Widersprüche und Zerrissenheit darin auszuhalten. Carp betont: Bei keinem der eingeladenen Künstler sehe sie in deren Kunst eine rassistische, antisemitische oder rechtsextreme Äußerung. „Auch weil es mir immer wieder unterstellt wird: Selbstverständlich stelle ich in keiner Sekunde das Existenzrecht Israels in Frage.“

Nordrhein-Westfalens Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) betont die grundsätzliche Freiheit der Kunst und dass das Land NRW keinen Einfluss auf das Programm der Ruhrtriennale nehme.

Die Ministerin hatte die Wiedereinladung damals kritisiert. „Selbstverständlich können wir uns kritisch mit der Politik Israels auseinandersetzen. Aber wenn zur Isolierung Israels aufgerufen wird, sind für mich diese Grenzen deutlich überschritten.“ Wer sich im BDS engagiere, müsse sich dessen bewusst sein, dass es dort auch radikale Positionen gebe, „und dass man sich die auch zurechnen lassen muss“. BDS light gebe es eben nicht. „Kunstfreiheit ja, Boykott und Ausgrenzung nein.“

Michael Vesper hatte als Kulturminister das Festival vor 16 Jahren mitgegründet. Jetzt ist er Vorsitzender des Festival-Fördervereins. Er warf Carp Ahnungslosigkeit vor, weil sie sich vor der ursprünglichen Einladung nicht über die Gruppe informiert habe. Sie habe nur einen Blick ins Internet werfen müssen. „Für uns ist klar, Boykott von Kunst und Freiheit von Kunst ist ein Begriffspaar, das nicht zusammenpasst.“ Natürlich sei Kunst politisch. Sie dürfe sich aber nicht politisch missbrauchen lassen. Er würde sich einen BDS wünschen, „bei dem „B“ für Brückenbau, „D“ für Diskurs und „S“ für Suche nach Lösungen steht“.

Auch BDS-Befürworter kommen zu Wort, was wiederholt lautstarken Unmut proisraelischer Zuhörer auslöst: Der US-Komponist Elliott Sharp etwa sagt, dass er den BDS wichtig findet, um auf Ungerechtigkeiten und illegale Aktionen gegen die Palästinenser hinzuweisen. Er stimme aber nicht mit allem überein, was die Kampagne tue. Die belgische Dramaturgin Hildegard De Vuyst sieht den BDS als ein „gewaltfreies Instrument“. Ziel sei es, Israel unter Druck zu setzen, internationales Recht zu befolgen.

Vor der Diskussion hatten proisraelische Demonstranten die Ablösung von Carp gefordert. Laut Polizei nahmen rund 250 Menschen an der Kundgebung vor der Veranstaltungshalle teil. Die Teilnehmer einer anderen Demonstration einer linken Gruppierung unterstützten dagegen die Intendantin.

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