Die knapp zweijährige Ära Sewan Latchinians als Intendant des Rostocker Volkstheaters ging mit einer Premiere in der Hochschule für Musik und Theater zu Ende – unter widrigen Bedingungen. Anschließend fielen denkwürdige Worte.
Erst ein letzter Applaus, dann die bittere Abrechnung. „Ich bin erstmal mit Rostock fertig, mit dem restlichen kulturfeindlichen, bösartigen und provinziellen Rostock bin ich wirklich durch“, sagte Sewan Latchinian am Freitagabend nach der Premiere des Schauspiels „Sex und Liebe“. Zwar habe er in der Hansestadt auch viele tolle Leute kennengelernt und wunderbares Theater erlebt. Aber nach diesem Wochenende sei er aus Rostock weg, sagte der 55-Jährige, der am Montag als Intendant des Volkstheaters fristlos entlassen worden war.
Die ungewöhnlichen Umstände hatten es erfordert, dass die Premiere in der Hochschule für Musik und Theater (HMT) gefeiert wurde. Dabei saßen die Zuschauer auf der Bühne, während die Schauspieler die Sitzreihen als Aufführungsort nutzten. So kam es, dass für gut die Hälfte der Zuschauer große Teile des Stücks wegen der schlechten Sicht als Hörspiel in Erinnerung bleiben werden. Das Schauspiel wird trotz früherer gegenteiliger Planungen nicht wieder aufgeführt.
Er sei froh, dass die Schauspieler es geschafft hätten, unter widrigen Bedingungen das Stück auf die Bühne zu bringen, sagte Latchinian. Mit diesen Talenten könne er unter anderen Bedingungen noch mehr schaffen. „Wir haben gesehen, wie man aus fast nichts viel machen kann.“
Nach dem Aus für Latchinian hatte sich das Volkstheater aus dem als Koproduktion angelegten Schauspiel verabschiedet. Das Stück, das von Latchinian und Dramaturg Martin Stefke aus Motiven und Szenen von „Romeo und Julia“ und „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare zusammengestellt worden war, musste komplett umgeschrieben werden. Dem fielen das Bühnenbild und die Kostüme zum Opfer. Konsequenterweise spielten die Schauspieler in Unterwäsche.
HMT-Chefin Susanne Winnacker hielt sich mit einer Wertung des Stücks zurück. „Es ging mir darum, diesem Schauspieljahrgang die Möglichkeit zu geben, bis zum Schluss mit dem Regisseur, mit dem sie angefangen haben, arbeiten zu können.“ Das Semesterprojekt mit der Regieassistentin oder dem Dramaturgen zu Ende zu bringen, sei keine Alternative gewesen. Für sie stehe im Mittelpunkt, die Bedingungen für die Studierenden so gut wie möglich zu schützen, sagte Winnacker.
Nach jahrelangem Zwist hauptsächlich um die Zukunft des Volkstheaters als Vier-Sparten-Theater musste Latchinian am Montag den Hut nehmen.
Ihm folgt voraussichtlich Joachim Kümmritz, bislang Intendant des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin. Auch er ließ erkennen, dass er kein Freund der Pläne sei, die Zahl der Sparten zu verkleinern.
Latchinian, dessen Vertrag bis 2019 lief, hatte stets argumentiert, dass er als Intendant eines Vier-Sparten-Theaters engagiert worden sei. Doch von Beginn seiner Zeit in Rostock an sei er mit Vorgaben aus dem Schweriner Kultusministerium und dem Rathaus konfrontiert gewesen, sein Haus zu verkleinern und Sparten zu streichen. Die Rostocker Bürgerschaft hatte die Entlassung Latchinians damit begründet, dass das Vertrauensverhältnis zerstört sei.