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Lehrerverband VBE warnt vor Risiken für Bildung bei TTIP-Abkommen

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Der Lehrerverband VBE hat vor großen Risiken für den Bildungsbereich beim geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gewarnt. „Würde der Marktzugang barrierefrei, könnten die Möglichkeiten der EU-Mitgliedsstaaten zur Sicherung der Qualität privater und gewinnorientierter Schulen eingeschränkt werden“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, der Nachrichtenagentur dpa.

„Zugespitzt besteht die Gefahr, Lehrer durch eine App zu ersetzen.“ Die mangelnde Transparenz der Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) nannte Beckmann einen „Skandal“. Er forderte eine Mitwirkung der nationalen Parlamente.

Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, warnt in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa (Dossier Bildung Forschung) vor „nicht abschätzbaren Risiken für den gesamten Bildungsbereich“.

Frage: Hat die EU-Kommission bei den Verhandlungen zwischen der EU und den USA zum TTIP eigentlich ein Mandat für Gespräche über den Bildungsbereich?

Antwort: Ein besonderes Problem aus deutscher Sicht ergibt sich, da die „public services“, also der gesamte öffentliche Dienst, in das Verhandlungsmandat eingeschlossen sind. Damit ist der Bildungsbereich insgesamt betroffen. Die Verhandlungen höhlen insbesondere den in der EU geltenden Grundsatz aus, dass der Bildungsbereich in Verantwortung der Mitgliedsstaaten ausgestaltet wird und in Deutschland die Länder zuständig sind. Die fehlende Transparenz der laufenden Verhandlungen ist kein Versehen, sondern handfeste Absicht. Die Öffentlichkeit auch hier in Deutschland wird mit Beschwichtigungen abgespeist - ein Skandal!

Frage: Welche Folgen und Risiken sehen Sie für das Bildungssystem in Deutschland und/oder anderen EU-Staaten, wenn das TTIP auch den Bildungsbereich regeln sollte?

Antwort: Würde der Marktzugang barrierefrei, könnten die Möglichkeiten der EU-Mitgliedsstaaten zur Zugangsbeschränkung und zur Regulierung der Qualität privater und gewinnorientierter Schulen und Einrichtungen eingeschränkt werden. Hohe Qualitätsstandards bei

Lizensierungs- und Akkreditierungsverfahren könnten als versteckte Handelsbarrieren ausgelegt werden. Bildungsunternehmen oder die großen marktbeherrschenden IT-Unternehmen bekämen das Recht, Maßnahmen der Gegenpartei, also des Staates, wegen versuchter Gewinneinschränkung vor internationalen Gerichten anzufechten.

Zugespitzt besteht die Gefahr, Lehrer durch eine App zu ersetzen.

TTIP birgt auch die Gefahr, dass der Staat seine öffentlichen Bildungsetats zugunsten privater Finanzierung herunterfahren könnte - mit Blick auf die Schuldenbremse ein gefährliches Szenario.

Frage: Haben die nationalen Regierungen und Parlamente überhaupt noch eine Mitsprachemöglichkeit beim TTIP?

Antwort: Die nationalen Bildungsinteressen dürfen nicht in Hinterzimmern verhökert werden. Mit der Neuklärung des Verhandlungsmandats muss auch eindeutig geklärt werden, dass TTIP sowohl der Zustimmung des EU-Parlaments bedarf als auch der Zustimmung der nationalen Parlamente und im Falle föderaler Strukturen auch der Ländergremien. In Deutschland müssen sich demnach der Bundestag, der Bundesrat, die Landtage mit TTIP auseinandersetzen. Dazu gehören ebenso Anhörungen, um die Expertise breiter gesellschaftlicher Kräfte einzuholen.

ZUR PERSON: Der 1952 geborene Udo Beckmann wurde 2009 mit großer Mehrheit zum VBE-Bundesvorsitzenden gewählt. Der Lehrer für Grund- und Hauptschulen in den Fächern Physik, Mathematik und Biologie leitete von 1996 bis 2005 eine Hauptschule an einem sozialen Brennpunkt in Dortmund. Seit 1996 ist er auch Landesvorsitzender des VBE in Nordrhein-Westfalen. Der VBE ist eine Fachgewerkschaft innerhalb des Beamtenbundes, in der Lehrkräfte und Erzieherinnen organisiert sind.

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