Hauptrubrik
Banner Full-Size

Liberal denken, unabhängig berichten

Untertitel
nterview mit Enzo Peruccio, Herausgeber der Musikzeitung „Giornale della Musica"
Publikationsdatum
Body
Seit 1984 ist das „Giornale della Musica" Italiens große Musikzeitschrift. Sie erscheint monatlich im Verlagshaus Casa editrice EDT, ist auf 40 Seiten Zeitungspapier im Berliner Format gedruckt und wendet sich an Musikhörer, Profimusiker und Musikpädagogen. Seit Frühjahr 1999 existiert eine Kooperation zwischen „Giornale della Musica", „GdM", und der neuen musikzeitung, nmz: Die Redaktionen in Turin und Regensburg tauschen sich Monat für Monat über die Themen aus, die für das jeweils andere Land von Interesse sind. Parallel dazu kooperieren natürlich auch die Anzeigenabteilungen der beiden Blätter. Mit dem Herausgeber und Verleger des Giornale della Musica, Enzo Peruccio, unterhielt sich Andreas Kolb von der neuen musikzeitung. neue musikzeitung: Wer liest eigentlich das „Giornale della Musica" in erster Linie: Musiker, Musiklehrer, Kulturpolitiker, Komponisten, Musikinteressierte oder CD-Käufer? Enzo Peruccio: Das „Giornale della Mu-sica" ist vor allem eine Informationszeitschrift, dadurch findet sie ihre Leser in allen diesen Kategorien. Eine Mehrzahl unserer Leser aber sind Lehrer, Studenten und junge Musiker auf der Suche nach Stellen. nmz: Welche Themen behandelt das Blatt hauptsächlich? Peruccio: Die Leserschaft des „GdM" erwartet nicht nur präzise Informationen, sondern auch Wachheit für kulturelle Tendenzen sowie kompetenten Kommentar und Meinung zu den wichtigsten Themen und Musikpersönlichkeiten. Die Redaktion berücksichtigt insbesondere Themenfelder, die jene interessieren, die professionell mit Musik zu tun haben. Dazu zählen Fragen der Kulturpolitik oder Probleme des Ausbildungsbereiches und der Berufsberatung. Zu den Seiten mit Kursen, Wettbewerben und den Terminen zum Vorsingen gibt es in der italienischen Publizistik nichts Vergleichbares. nmz: Können Ihre Leser denn von Artikeln und Informationen aus Deutschland profitieren? Peruccio: Ja, sicher. Die Idee einer Zusammenarbeit mit anderen europäischen Zeitschriften entstand aus dieser tiefen Überzeugung. Es scheint fast seltsam, daß sich solche Kooperationen, wie die zwischen dem „GdM" und der nmz, erst jetzt entwickelt haben: Die Musik kennt keine Sprachgrenzen. Zweifellos ist hier die europäische Union eine gute Hebamme gewesen. nmz: Wie würden Sie das Profil des „Giornale della Musica" beschreiben? Peruccio: Das „GdM" ist nicht die einzige Musikzeitschrift in Italien, es ist aber sicher die am stärksten im Musikleben verwurzelte. Es unterscheidet sich auch von den anderen, weil es nicht dazu bestimmt ist, über bereits geschehene Ereignisse zu informieren, sondern über das, was auf uns zukommt. Also keine Rezensionen von Aufführungen, aber Ankündigungen von allem Wichtigen, das man im laufenden Monat anschauen und anhören sollte. Rezensionen von Büchern, CDs, Noten und Presse finden jedoch Platz im Heft. „GdM" macht keine Konzessionen an Starallüren, besitzt aber ein starkes Bewußtsein für die wahren musikalischen Begabungen . Das gilt natürlich sowohl für die Neue Musik als auch für die klassische. nmz: Welche ästhetischen Positionen vertritt das „GdM"? Peruccio: Das „GdM" hat keine „ästhetischen Positionen", weil es sich nicht das Ziel setzt, auf Grund bestimmter Kulturvoraussetzungen zu unterrichten. Es will auf liberale und ausgewogene Art und Weise ihre Leser informieren, die sich schließlich selbst eine Meinung bilden sollen. nmz: Was sind die Schwerpunkte des Giornale? Peruccio: Information, Kommentar, Schule und Forschung, Service-Teil, Kulturpolitik, in dieser Reihenfolge. nmz: Zuallererst ist Casa editrice ein Verlagshaus, das sich auf die italienische Edition des amerikanischen Reiseführers „Lonely planet" spezialisiert hat sowie einen reichen Katalog an Bü-chern über Musikwissenschaft, Mu-sikpädagogik, Jazz und Musikmarkt besitzt. Wie kam es denn zur Erweiterung des Verlags um eine Monatszeitschrift? Peruccio: Der Verlag wurde zur Veröffentlichung von musikologischen Texten gegründet, die in den 70er Jahren für die Bereiche Ausbildung und Musikwissenschaft wichtige Neuerungen formulierten. Unsere „Storia della Musica", die aus zwölf Bänden besteht, hat zum Beispiel eine sehr wichtige Rolle in dieser Richtung gespielt: Allein an die italienischen Konservatorien und Universitäten gingen über 400.000 Exemplare (von allen Bänden insgesamt). Der Katalog von Casa editrice umfaßt ungefähr 170 Titel. Das „GdM" wurde zuallererst gegründet, um diese verlegerische Mühe zu unterstützen und zu fördern. Dann hat das Blatt aber, vor allem wegen seiner Einmaligkeit in der italienischen Musikpublizistik, einen unabhängigen Weg eingeschlagen. neue musikzeitung: Inwiefern unterscheiden sich Themen aus der Gründungszeit des „GdM" von den heutigen? Peruccio: Sie drehten sich in etwa um dasselbe wie auch heute: Das „GdM" hat aber heute mehr Bewußtsein für die konkreten Themen der Musikwelt. Eine freiere, nicht mehr in den althergebrachten Modellen beheimatete An-näherung an das Thema Musik ist der wahre Unterschied, glaube ich. nmz: Gibt es neben der Zusammenarbeit mit der nmz derzeit weitere Kooperationen mit Medien, Musik- und Kulturverbänden sowie anderen Institutionen? Peruccio: Im Moment nicht auf europäischer Ebene. Auf nationaler Ebene gibt es aber eine interessante Zusammenarbeit mit der SIEM (Società Italiana di Educazione Musicale, Italienische Gesellschaft für die Musikerziehung), die sich insbesondere durch die Herstellung einer viermonatlichen Beilage ausdrückt. Es handelt sich um ein Informationsblatt für die Mitglieder, die sich vorwiegend aus Lehrern (vom Kindergarten bis zur Mittelschule) zusammensetzt. nmz: Wie würden Sie denn die Zusammenhänge zwischen Kultur und Kommerz in Italien beschreiben? Wie wird Ihre Arbeit als Verleger davon beeinflußt? Peruccio: Die Beziehungen zwischen Kultur und Wirtschaft sind fast die gleichen in allen Ländern, glaube ich: Der Markt braucht die Kultur, und die Kultur schützt sich, um nicht an Bedeutung zu verlieren. In dieser Hinsicht ist die „GdM" eine freie und unabhängige Zeitschrift, die von den Lesern und den Inserenten unterstützt wird. Die Inserenten sind glücklicherweise viele kleinere Kunden: keiner hat versucht, unsere Arbeit zu beeinflussen. Am Anfang war das nicht so leicht, alle fragten uns, wer unsere „Besitzer" wären. Dann akzeptierten sie aber unsere Unabhängigkeit. So wurde unsere Unabhängigkeit immer mehr unsere Stärke. Heute wird sie auch von unseren Kritikern anerkannt. Interview: Andreas Kolb

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!