Zunächst vermutet man, dass einem, wenn ein Komponist aus Amerika angekündigt wird, eine Präsentation von Pop, Jazz und Gospel erwartet. Nicht so bei Morten Lauridsen aus Los Angeles, Professor für Komposition an der Universität von Südkalifornien. Er, dessen Vorfahren, wie schon der Name verrät, einst aus Skandinavien nach Amerika auswanderten, orientiert sich ganz an der europäischen spätromantischen Chormusik. In Limburg äußert er sich bewundernd über „die lange deutsche Chortradition“, und fügt hinzu: „Wenn in Amerika ein deutscher Chor singt, dann sind die Leute entzückt“.
Unter den rund 100 Chorleitern, Musiklehrern, Komponisten, Verlegern und Musikjournalisten, die vom 21. bis 23. Januar nach Limburg gekommen waren, befand sich auch Martin Winkler, Dozent für Chorleitung an der Heidelberg-Mannheimer Musikhochschule und Leiter der Musikschule und des Dirgenten-Kollegs in Dreieich bei Frankfurt am Main. Er führt das gewachsene Niveau der deutschen Chöre unter anderem „... auf eine zunehmend kollegiale Zusammenarbeit von guten Dirigenten“ zurück. Und er sagt weiter: „Das spürt man hier besonders beim Chorleiter-Forum. Da ist zum einen das Deutsche Zentrum für Chormusik mit 185.000 katalogisierten Werken als Anziehungspunkt und zum anderen ist da der kollegiale Austausch. Bei speziellen Themen (diesmal der amerikanische Komponist Morten Lauridsen und ‚Chorgesang und Bewegung/Tanz‘) kann man Neues erfahren, selbst singen, vom Komponisten vieles persönlich erläutert bekommen. Das sind einmalige Möglichkeiten, um das Œuvre des Komponisten ganz hautnah kennen zu lernen; und das im Kreise von netten Kolleginnen und Kollegen. Das finde ich hier so reizvoll.“ Zunächst vermutet man, dass einem, wenn ein Komponist aus Amerika angekündigt wird, eine Präsentation von Pop, Jazz und Gospel erwartet. Nicht so bei Morten Lauridsen aus Los Angeles, Professor für Komposition an der Universität von Südkalifornien. Er, dessen Vorfahren, wie schon der Name verrät, einst aus Skandinavien nach Amerika auswanderten, orientiert sich ganz an der europäischen spätromantischen Chormusik. In Limburg äußert er sich bewundernd über „die lange deutsche Chortradition“, und fügt hinzu: „Wenn in Amerika ein deutscher Chor singt, dann sind die Leute entzückt“. Und über seine Schaffensmaxime sagt er: „Meine zweite Liebe gehört der Lyrik. Täglich lese ich Gedichte von Rilke, Neruda, Lorca und Robert Graves. Die Verbindung des Klanges der menschlichen Stimme mit der Poesie des Wortes ist ganz entscheidend für mein Schaffen.“Unterschiedliche Meinungen
Morten Lauridsen war in Deutschland anlässlich einer CD-Produktion des Nordic Chamber Choir. Dieser projektorientierte Chor mit Sängern aus 12 Ländern Europas, Asiens und Amerikas wurde 1996 in Lübeck gegründet. Sein Dirigent Nicol Matt „entdeckte“ Morten Lauridsen bei einem Amerika-Aufenthalt für sich und war begeistert. In Limburg bot sich im Rahmen des 6. Chorleiter-Forums deshalb für viele deutsche Chorleiter eine ausgezeichnete Gelegenheit, Lauridsen und seine Musik persönlich kennen zu lernen. Neben einem dreitägigen Workshop mit dem Komponisten gab der Chor ein Konzert ausschließlich mit dessen Werken. Die Reaktionen des Publikums waren recht unterschiedlich. Neben euphorischer Zustimmung gab es auch kritische Meinungen: Diese Musik wirke, so kompakt angeboten wie in Limburg, etwas süßlich antiquiert. Überdies wiederhole Morten Lauridsen zu häufig sein musikalisches Material, was leicht einen Mangel an Einfällen assoziiere. Trotzdem – meisterlich sind seine Vertonung des französischen Rilke-Zyklus „Les Chansons des Roses“ und „O Magnum Mysterium“ aus der Offenbarung des Matthäus. Jedenfalls sind sie in den USA sogenannte „Highlights“.
Bei aller kritischen Betrachtung können Lauridsens Werke für deutsche Chöre eine Programmbereicherung sein. Die Meinung von Christian Scheike, Musiklehrer, Chorleiter und Dozent im Bereich der Musiklehrerausbildung an der Dortmunder Universität, ist überdenkenswert: „In Deutschland gibt es leider nicht viele überragende Chormusikkomponisten. Es werden oft zu komplizierte kopflastige Stücke geschrieben, die kein Mensch singen kann. Dann ist es natürlich toll zu erleben, dass auch noch anders geschrieben werden kann, wenn auch vielleicht für manche zu sentimental, zu schön, zu fliessend harmonisch.“ Auch Martin Winkler ist der Ansicht: „Wir sollten in zunehmendem Maße die Werke zeitgenössischer Komponisten kennenlernen und in unsere Chorprogramme mit aufnehmen.“ Warum also treten nicht auch deutsche Komponisten mit ihren Werken vor das Chorleiterauditorium? Dazu Richard Moser, Sprecher des Chorleiter-Forums: „Wir hatten vor zwei Jahren den englischen Komponisten John Rutter hier und nun den Amerikaner Morten Lauridsen. Wir denken aber schon darüber nach, welche deutschen Komponisten wir einladen könnten. Das Problem besteht darin, dass es eben im anglo-amerikanischen und zum Beispiel auch im baltischen Raum mehr bemerkenswerte Chormusikkomponisten gibt als in Deutschland. Aber es ist etwas im Gang. Wir arbeiten ja ganz eng mit dem AMJ zusammen und der hat mit seiner Aktion ‚Komponisten schreiben für Kinder- und Jugendchöre‘ (jetzt läuft bereits der vierte Durchgang) große Erfahrungen gesammelt und kann uns Hinweise geben.“ Noch in Limburg wurde dann übrigens beschlossen, zum nächsten Chorleiter-Forum 2001 die Komponisten Wolfram Buchenberg und Wolfgang Stockmeier einzuladen und auch das Werk des 1996 verstorbenen Komponisten Gunther Erdmann zu präsentieren.
Grundanliegen des Forums
Der Austausch von Ansichten und Auffassungen, das Kennenlernen und die Wissenbereicherung gehören also zum Grundanliegen des Chorleiter-Forums. Das entspricht auch ganz den Vorstellungen von AMJ-Generalsekretär Rolf Pasdzierny, dem vorschwebt, dass sich das Chorleiter-Forum, das heute über 500 Mitglieder zählt (bei 60.000 Chören mit 1,8 Millionen Sängerinnen und Sängern gewiss ein geringer Anteil, aber die Tendenz ist hoffnungsvoll steigend!), nach dem Vorbild der amerikanischen Chorleitervereinigung ACDA entwickeln möge: „Ein Forum, wo man sich weiterbilden kann, Informationen bekommt, Literatur kennen lernt und auch berufsständische Probleme erörtern kann; wo jeder Chorleiter spürt und weiß: Das ist die richtige Adresse – egal, welchem Verband ich angehöre.“ Was schon heute das Chorleiter-Forum anziehend macht, bringt Christian Scheike mit den Worten zum Ausdruck: „Schon Monate vorher freue ich mich auf dieses Januar-Wochenende in Limburg. Man kommt in schöner Atmosphäre mit netten Leuten zusammen, fachsimpelt, singt miteinander, tauscht Erfahrungen aus, lernt Neues kennen und stöbert im Chormusikzentrum in Noten – ich find‘ das klasse!“