Cottbus - Drama hinter der Bühne: Ensemble-Mitglieder standen in Cottbus kollektiv gegen den Führungsstil des Theaters auf. Es gab Konsequenzen. Auch andernorts gibt es Kritik von Schauspielern an der Leitung. Ist etwas im Wandel?
Noch vor Monaten schien die Führungsetage am Staatstheater im brandenburgischen Cottbus unumstößlich gesetzt zu sein. Bis Ensemblemitglieder den Führungsstil an dem Haus anprangerten. Erst einzelne, dann wurden es immer mehr. Der Druck wurde am Ende so groß, dass die Theaterspitze in sich zusammenstürzte. Auch andernorts gibt es Ärger: Unlängst wurden in Köln beim Schauspiel Mobbing-Vorwürfe laut. Steht ein Wandel in der Führungskultur an?
Der ganze Krach an Brandenburgs einzigem Staatstheater begann richtig groß zu werden, als Opern-Solisten schriftlich Vorwürfe gegen Generalmusikdirektor Evan Alexis Christ erhoben. Cholerische Ausfälle und Beleidigungen soll es über Jahre hinweg gegeben haben. Erst im Dezember war sein Vertrag bis ins Jahr 2024 verlängert worden. In einem Interview der «Lausitzer Rundschau» äußerte sich Christ Mitte April zu den Vorwürfen: «Es gab Momente, wo ich über das Ziel hinausgeschossen bin. Das tut mir leid.» Die Kritik flaute aber nicht ab. Immer mehr Ensemble-Mitglieder sprangen ihren Kollegen bei.
Ende April gab Intendant Martin Schüler seinen Rücktritt bekannt. Begründung: Verloren gegangenes Vertrauen des Ensembles. Es folgte eine fristlose Kündigung des Theater-Stiftungschefs Martin Roeder. Der Stiftungsrat sprach von einem «zerstörten Vertrauensverhältnis». Der Generalmusikdirektor wurde zunächst beurlaubt. Das Mehrspartenhaus signalisierte, dass man sich von ihm trennen wolle. Der Fall kommt nun am Montag (2. Juli) sogar vor Gericht. Christ reichte eine Kündigungsschutzklage ein, wie es vom Arbeitsgericht Cottbus hieß. Er wolle sich gegen insgesamt drei Kündigungen wehren.
Der Bundesverband Schauspiel lässt den konkreten Fall Cottbus in seinen Einzelheiten unkommentiert, sieht aber in einem Detail eine Veränderung. «Neu sind nicht solche Vorkommnisse. Neu ist, dass so etwas nach außen dringt, dass so etwas rausplatzt», sagte Vorstandsmitglied Heinrich Schafmeister der dpa. Bislang sei es häufig so, dass man vor dem Vorhang nicht wisse, was dahinter vor sich gehe. Er schlägt auch eine Verbindung zur #MeToo-Debatte, die möglicherweise auch Impulse gegeben haben könnte.
Schafmeister beschreibt Theater generell als «sehr geschlossene Systeme». «Künstler sind dort oft in großen Abhängigkeitsverhältnissen», betont er. Intendanten, Spielleiter und Generalmusikdirektoren hätten viel Macht, und manche missbrauchten sie.
In Köln ist der Ärger am dortigen Schauspiel anders gelagert als in Cottbus. Mobbing-Vorwürfe ehemaliger Ensemble-Mitglieder richteten sich gegen die Frau des Intendanten Stefan Bachmann, Melanie Kretschmann. Sie ist in Köln als Schauspielerin und Regisseurin tätig. Bachmann ergreife in den Konflikten stets Partei für seine Frau, lautet der Vorwurf. Beide wehren sich dagegen und bestreiten jedwede Art von Mobbing. Die Stadt kündigte unlängst an, die Führungskultur an den städtischen Bühnen untersuchen zu lassen.
Der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Marc Grandmontagne, teilte in einem Statement auf Anfrage mit: «Einzelfälle kann und möchte ich nicht kommentieren, aber bundesweit beobachte ich, dass das Bewusstsein für eine respektvolle und angstfreie Führungskultur bei Theatern und Orchestern gestiegen ist.» Auch er erwähnt die #MeToo-Debatte, die diese Entwicklung sicher beschleunigt habe.
Unlängst war in Deutschland eine unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt auf den Weg gebracht worden. Verbände und Gewerkschaften der Film- und Fernsehbranche hatten gemeinsam mit Vertretungen der Produzenten, Sender, Theater und Orchester in Deutschland einen Verein als Träger gegründet.
Zudem entwickelte der Bühnenverein einen Verhaltenskodex gegen sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch. Der Kodex könne in jedem Theater und Orchester individuell ausgestaltet werden und dabei helfen, den Umgang miteinander zu diskutieren und Machtmissbrauch zu verhindern, betont Grandmontagne. Das betreffe auch die Leitungsebene. «Nicht wenige Häuser hatten schon vorher Instrumente für Transparenz und Teamkultur etabliert; es ist aber noch viel zu tun.»
[update, 3.7.]
Kündigungsstreit am Theater: Keine Einigung beim Gütetermin
Cottbus (dpa/bb) - Im Zivilstreit zwischen dem Staatstheater Cottbus und dem gekündigten Generalmusikdirektor Evan Alexis Christ ist in der Güteverhandlung keine Einigung erzielt worden. Die Parteien kündigten am Montag vor dem Arbeitsgericht Cottbus aber an, über einen möglichen Vergleich im Gespräch zu bleiben.
Christ hatte die Kündigungsschutzklage gegen seinen Arbeitgeber, die Brandenburgische Kulturstiftung Cottbus-Frankfurt (Oder), eingereicht. Er wehrt sich dagegen, dass er nach Kritik aus dem Ensemble an seinem Führungsstil gehen soll. Sein Vertrag läuft eigentlich noch bis zum Jahr 2024.