Mannheim - Der Hochschulrat der Mannheimer Musikhochschule hat entsetzt auf einen Bericht reagiert, wonach die Sparpläne der Landesregierung die Stadt stärker treffen als bislang bekannt. Viele Hochschulmitglieder empfänden den Sparplan als reine Strafaktion gegen Mannheim, erklärte das Präsidium des Rates am Donnerstag in einem offenen Brief an Kulturministerin Theresia Bauer (Grüne). «Wie kann es sein, dass in Mannheim nun 440 Studienplätze abgebaut werden sollen, obwohl die Kürzung für das ganze Land "nur" mit 500 Plätzen geplant war?»
Der «Mannheimer Morgen» berichtete am Donnerstag unter Berufung auf Bauer, der Standort solle durch den kompletten Verzicht auf die Ausbildungsbereiche Klassik und Schulmusik insgesamt 440 Studienplätze abbauen. Bislang hatte das Ministerium den Abbau auf 300 Plätze beziffert. Eine Sprecherin sagte, dabei solle es im Grunde auch bleiben. Rund 100 weitere Plätze der Mannheimer Schulmusik sollten aber an die Hochschulen in Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart verlagert werden. «Sie bleiben also im System - aber nicht in Mannheim», betonte die Sprecherin.
Das Wissenschaftsministerium will mit der geplanten Neuordnung der Musikhochschulen mittelfristig vier Millionen Euro im Jahr einsparen. Gegen die Sparpläne gab es bereits zahlreiche Proteste.
Der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Ministerin Bauer,
mit blankem Entsetzen haben die Hochschulmitglieder Ihre Äußerungen im Mannheimer Morgen von heute zur Kenntnis genommen. Sehr geehrte Frau Bauer, Sie haben also Ihr Konzept für die Zukunft der Musikhochschule Mannheim völlig verändert. Statt 300 Studienplätze – wie bisher angekündigt – sollen nun über 540
Studienplätze in Mannheim entfallen, nicht „nur“ die Orchesterinstrumente und
Schulmusik, sondern die gesamte Klassik.Wie kommt es zu diesem Sinneswandel? Welche neuen Erkenntnisse haben Sie veranlasst Ihr bisheriges Konzept zu verwerfen und völlig neue Pläne vorzulegen, die noch mit niemandem diskutiert wurden? Wie kann es sein, dass in Mannheim nun 540 Studienplätze abgebaut werden sollen, obwohl die Kürzung für das ganze Land „nur“ mit 500 Plätzen geplant war?
Viele Hochschulmitglieder empfinden diesen neuen Sparplan als reine Strafaktion gegen Mannheim. Was kann, was soll die Hochschulleitung diesen Studierenden, diesen Kolleginnen und Kollegen sagen?
Ein Konzertsaal für die Hochschule würde ca. 10 Millionen Euro kosten. Er kann auf dem landeseigenen Grundstück hinter den Hochschulgebäuden entstehen. Der Hochschule ist es mit hervorragender Arbeit gelungen, international ein Spitzenrenommee aufzubauen. Der fehlende Konzertsaal hat dies sehr mühsam gemacht und allen Hochschulmitgliedern großes zusätzliches Engagement abverlangt. Ein Grund für die Schließung der Klassikabteilung ist dies aber nicht.
Wenn es nicht anders geht und dadurch künftig die Arbeit als „Voll-Musikhochschule“ fortgesetzt werden kann, verzichten wir auf den Konzertsaal. Bitte bedenken Sie aber, dass der Saal auch für die Proben und Aufführungen der Tanzabteilung dringend benötigt wird, ebenso für die Big Band der Jazzstudierenden. Eine Hochschule für Pop/Jazz und Klassisches Ballett wird ohne Saal baulich ebenso eingeschränkt ausgestattet sein wie eine Musikhochschule mit klassischer Abteilung.
Das große Erbe der weltberühmten „Mannheimer Schule“ ist ihre einzigartige Orchesterkultur. Diese pflegt die Hochschule auf höchstem Niveau. Vor kurzem hat die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) unsere Orchesterarbeit in der Metropolregion als „Good Practice“ ausgezeichnet. Eine vergleichbare Bewertung gibt es im Orchesterbereich für keine andere Musikhochschule in Baden-Württemberg.
Gerade die hervorragenden Leistungen der Hochschule in der Orchestererziehung werden international gewürdigt. Die Gastspiele unseres Orchesters in der weltberühmten Carnegie Hall in New York und an der Yale University haben dazu geführt, dass diese führende Universität der USA einen Austauschvertrag mit der Musikhochschule Mannheim abgeschlossen hat.
Die Metropolregion Rhein-Neckar hat als einzige Region in Baden-Württemberg bereits vor wenigen Jahren den Wegfall des Standorts einer Musikhochschule hinnehmen müssen. Die seit dem 19. Jahrhundert in Heidelberg ansässige Musikhochschule wurde 1971 verstaatlicht, der Standort aber im Jahr 2000 aufgegeben. Dies war hinnehmbar, da die Studierenden ins benachbarte Mannheim zogen. Mit der Schließung der gesamten Klassikausbildung in der Metropolregion würde nun aber die großartige Tradition von gleich zwei Hochschulen beendet.
Sehr geehrte Frau Ministerin Bauer, Sie haben sich darüber beschwert, die Diskussion in Mannheim werde zu emotional geführt. Von einer bevorstehenden Schließung der Hochschule haben wir nie gesprochen. Eine Musikhochschule ohne Orchester, Klavier und Gesang ist aber fachlich nicht denkbar, dies ist bisher außerhalb Baden-Württembergs in ganz Deutschland Konsens.
Mit freundlichen Grüßen
gezeichnet
Prof. Hans-Peter Dott, Vorsitzender des Hochschulrats
Prof. Rudolf Meister, Präsident
Prof. Ehrhard Wetz, Vizepräsident
Thilo Fischer, Kanzler