München - Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) feiert am Donnerstag sein 60-jähriges Bestehen. Seit 2003 ist der Lette Mariss Jansons der Chefdirigent des Orchesters. Unter der künstlerischen Ägide des 66-Jährigen wurde der Klangkörper zu einem der besten Orchester der Welt, wie ein Ranking der englischen Fachzeitschrift «Gramophon» ergab. Demnach liegt das BRSO auf Platz sechs. Bestes Orchester der Welt ist dieser Rangliste zufolge das Concertgebouw Amsterdam. Es wird ebenfalls von Jansons geleitet. Mit dem Maestro sprach ddp-Korrespondent Georg Etscheit.
ddp: Maestro, sind Sie mit Ihrem Münchner Orchester jetzt da, wo sie es hinhaben wollen?
Jansons: Das Orchester und ich haben in unserer Zusammenarbeit sehr gute Resultate erreicht. Wir haben jetzt ein internationales Renommee, wie es einem solchen Spitzenorchester zukommt. Auch in München stehen wir gut da, wie die steigenden Abonnentenzahlen beweisen. Aber natürlich gibt es immer noch Luft nach oben. Es freut mich, dass meine Musiker zwar stolz sind auf ihre Leistungen, aber niemals arrogant. Sie ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern legen immer wieder neuen Leistungswillen an den Tag.
ddp: Was ist denn eigentlich das Besondere daran, beim Rundfunk zu arbeiten?
Jansons: Die Tatsache, dass wir immer mit Mikrofonen spielen, spornt uns besonders an. Und immer gibt es noch den Tonmeister oder den Produzenten, der korrigiert und sagt, was vielleicht nicht ganz in Ordnung ist.
ddp: Sie pflegen ein sehr breites Repertoire.
Jansons: Ja, es ist mein Prinzip, nicht nur einen bestimmten Repertoirestil zu pflegen. Aber natürlich gibt es noch einige Lücken. Wir sollten versuchen, noch mehr Zeitgenössisches in unseren Abo-Programmen unterzubringen.
ddp: Es fällt auf, dass auch viele andere große Dirigenten wie Riccardo Muti oder Nikolaus Harnoncourt mit dem BRSO arbeiten.
Jansons: Ich fürchte keine Konkurrenz. Wenn die besten Dirigenten mit meinem Orchester musizieren, kann das die Qualität nur steigern.
ddp: Sie gelten auch als großer Operndirigent.
Jansons: Ich liebe die Oper und will auf diesem Feld unbedingt mehr machen, auch wenn ich jetzt zwei Konzertorchester leite. Hier in München bietet sich das ja auch besonders an, weil wir ja diesen wundervollen Chor des BR haben.
ddp: Gibt es ein konkretes Projekt?
Jansons: Ja, den «Onegin» (Oper von Peter Tschaikowsky). Den wollen wir nächstes Jahr konzertant aufführen.
ddp: Wir wäre es mal mit Wagner? Vielleicht den «Ring»?
Jansons: Oh, Wagner ist eine ganz eigene Welt. Und der «Ring», der ist eine heilige Sache. Wenn ich das mache, müsste ich den Leuten auch etwas anbieten können. Einen Ausrutscher könnte ich mir nicht leisten. Also, ich weiß es nicht genau. Aber vielleicht bin ich auch nur zu vorsichtig.
ddp: Was halten Sie von modernen Inszenierungen?
Jansons: Ich liebe es nicht, wenn die Regisseure auf der Bühne zu viele Experimente machen und das auf Kosten der Musik geht. Das heißt aber nicht, dass ich generell gegen moderne Sichtweisen bin. Ich habe gerade zusammen mit Martin Kusej die «Lady Macbeth» (Oper von Dimitrij Schostakowitsch) gemacht. Das war keine traditionelle Inszenierung, aber trotzdem noch Schostakowitsch und auf hohem
Niveau.
ddp: Wollen Sie Ihren Vertrag in München über 2012 hinaus verlängern?
Jansons: Warum nicht, wenn alles weiter so gut läuft. Aber ehrlich gesagt: Ich denke im Moment nicht darüber nach, was in drei Jahren sein wird.
ddp: Sind zwei Top-Orchester nicht ein großer Stress für Sie?
Jansons: Ja, natürlich. Aber ich liebe beide. Warum jetzt Abschied nehmen, wo mir beide so viel bedeuten?
ddp: Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal ein ganz neues
Orchester zu übernehmen?
Jansons: Ich liebe es, künstlerisch etwas aufzubauen. So, wie ich es mit meinem Orchester in Oslo gemacht habe. Aber ich bin leider nicht mehr der Jüngste. Und jetzt, mit diesen beiden wunderbaren Orchestern wäre es auch sehr schwierig, wieder ganz von vorne anzufangen. Ich würde dann sicher immer Vergleiche ziehen.
ddp: Sie kämpfen vehement für einen neuen Konzertsaal, in dem das BRSO
das Erstbelegungsrecht haben soll. Machen Sie von dem Projekt abhängig, ob Sie in München bleiben?
Jansons: Ich will das nicht miteinander verknüpfen. Dann würde ich ja wie eine Primadonna erscheinen. Ich will doch nicht, dass man mir eine Villa hinsetzt. Wenn sie bauen, bauen sie nicht für mich, sondern für München, für Bayern, für Deutschland. Natürlich wäre ich traurig, wenn es nicht klappt. Aber ich hoffe doch, dass die Politiker verstehen, dass eine führende Musikstadt wie München zumindest einen exzellenten Saal braucht.