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Probenbesuch. Foto: DOV
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Mekka für Orchestermanager – Der 13. Deutsche Orchestertag zu Gast im Umweltforum Berlin

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Anfang November fand der Deutsche Orchestertag in seiner 13. Auflage im Umweltforum Berlin statt – dem idealen Ort, um sich in kollegial-angenehmer Atmosphäre zwei Tage lang über Orchestermusik und -musiker auszutauschen. Intendanten, Geschäftsführer, Orchestermanager und Disponenten vieler hauptsächlich deutscher Kulturorchester freuten sich über das umfassende Angebot an Diskussionsrunden, Vorträgen und Workshops, aber auch über genügend Raum zum Austausch in persönlicheren Runden zu Themen, die im eigenen Orchesteralltag immer wieder auftauchen. Trotz oder gerade auf Grund bestimmter polarisierender Statements bleibt der Eindruck einer sehr runden, informativen Veranstaltung.

Am ersten Vormittag stand das Thema Konzertsaal im Mittelpunkt. Diskutiert wurden in ers­ter Linie Praxisbeispiele im Medien-Schatten von Großprojekten wie Hamburg, München und London, die aufgrund dieser kleineren öffentlichen Aufmerksamkeit noch nicht bis ins letzte Detail ausdiskutiert sind und so frischen Erkenntnisgewinn bereithalten, etwa Bochum, Konstanz und Katowice (Polen). Einig war man sich, dass es nicht die eine Lösung geben kann und wird; einig aber auch, dass heutzutage eine exzellente Akustik eine Orchester-Überlebensgarantie für knapp ein halbes Jahrhundert bedeuten kann.

Auch hält bei Neubauten eine neue architektonische und städteplanerische Überzeugung Einzug: Der moderne Konzertsaal ist kein beeindruckend-pompöses Bauwerk, das mehr abweisend als einladend wirkt und den Klang hermetisch und vehement gegen äußere Einwirkungen zu verteidigen sucht. Vielmehr möchte er offen und öffnend sein, das Mysterium hinter beziehungsweise vor der Abendveranstaltung aufbrechen: Gläserne, in den Vorplatz hineinragende Probenräume sind en vogue, tageslichtdurchflutet möglichst der ganze Bau, unter dem selben Dach befinden sich Cafés, Lounges, Bibliotheken und Musikschulteile. Der Konzertsaal möchte wahrgenommen werden und sich so Berechtigung verschaffen als dauerbelebtes und vielfältiges Gebäude, als Teil der Alltagswirklichkeit aller Bürger einer Stadt.

Der zweite Teil des Tages war durch moderierte Gesprächsrunden in kleineren Gruppen, sogenannten Roundtables, strukturiert. Die Teilnehmer rotierten zwischen fünf vorgegebenen Themen-Standorten und entwickelten die Gedanken der Gruppen weiter, die zuvor hier gearbeitet hatten: Bewerbungsprozesse, Führungskraftentwicklung im Kultursektor, Qualitätsmanagement, Markenbildung im Nicht-Konsumgütersegment und als Vertiefung das heiß diskutierte Thema Konzertsaal.

Das in diesem Jahr zum ersten Mal verwendete Format war leider noch nicht ganz ausgereift in der Umsetzung: Anfängliche Irritationen bei den Teilnehmenden bezüglich des Vorgehens, zu wenig Zeit für die einzelnen Diskussionen, eine Raumakustik, die nicht für fünf gleichzeitig stattfindende Kleinst-Veranstaltungen ausgelegt ist und wechselhafte Qualität und Tiefe der Moderations-Inputs sorgten für ein gemischtes Fazit.

Orchester ohne Musiker – Traumberuf Kulturmanager

Am zweiten Konferenztag widmete man sich unter anderem dem TVK, aktuellen rechtlichen Fragen dazu und seiner Um- beziehungsweise Durchsetzung. Juristisches muss nicht trocken und spröde sein, im Gegenteil: Die beiden Vertreter des Deutschen Bühnenvereins sind ein eingespieltes und zu Scherzen aufgelegtes Team und damit ein Must-see unter Kennern des Orchestertages. Einzig die ab und an durchblitzende Meinung, Orchestermanagement wäre ein schönes Berufsfeld, wenn es denn diese Musiker nicht gäbe, trübte das Gesamtbild ein wenig. Unter den weiteren Workshops im Angebot seien noch zwei erwähnt: „Das gute Programm“ war eine breit angenommene Chance, einmal mit Gleichgesinnten und etwas Abstand zum Geschäft im eigenen Haus Konzertdramaturgie im Allgemeinen und Qualitäten und Problematiken bei der täglichen Programmgestaltung detaillierter unter die Lupe zu nehmen und neues Selbstbewusstsein zu tanken: „Wir sind Geisteswissenschaftler. Wir sollten den Anspruch haben, das künstlerische Leben in der eigenen Stadt zu formen und zu fördern“, war eine der gemeinsamen Erkenntnisse. Der Workshop „Abo“ wurde von einem skandinavischen Dienstleis­ter durchgeführt und bot einiges an Diskussionsstoff und Anlass zu kritischen Nachfragen. Verlockend zunächst, dass von ihm beratene Orchester die Abozahlen teilweise innerhalb eines Jahres um erstaunliche 50 Prozent steigern konnten und dem mancherorts bereits zu Grabe getragenen Abo so zu einer Renaissance verholfen wurde. Problematisch – vor allem hier im Datenschutzbedenken-Musterland – aber, dass dazu viel Wissen über die eigenen Kunden vonnöten ist und man sich nicht scheuen darf, anhand dieser Daten „Zwillinge“ (identische Kaufkraft, Alter, Wohnort etc.) bei externen Dienstleistern einzukaufen. Personalisierte Werbung – in der freien Wirtschaft bereits gängig, im Kultursektor ein Tabuthema. Wie lange kann, wie lange darf man sich das noch leisten?
 

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