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Missbrauchte Berater ?

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Drei Fragen an Gerald Mertens, Deutsche Orchestervereinigung
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neue musikzeitung: Sind Kulturberater nicht häufig verkappte Insolvenzverwalter?

Gerald Mertens: Insbesondere in den 1990er Jahren  konnte man in der Tat den Eindruck gewinnen, dass Kulturberatungsunternehmen von der öffentlichen Hand als Abwicklungshelfer gerufen wurden. Dies war vor allen Dingen in den östlichen Bundesländern der Fall, wo eine oftmals noch unerfahrene öffentliche Verwaltung auch dem einen oder anderen Scharlatan aufgesessen war. In den letzten 15 Jahren jedoch hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Die größeren Beratungsunternehmen im Kulturbereich arbeiten zumindest qualitativ so, dass man mit ihren Empfehlungen in der Regel etwas anfangen kann, wenn man auch nicht immer ihrer Meinung sein muss. Auch hier gilt es natürlich, im Einzelfall genau hinzuschauen und sich als öffentliche Verwaltung, als politisches Entscheidungsgremium, als Interessenverband oder als Kultureinrichtung nicht ein X für ein U vormachen zu lassen. Wenn ein Kulturberatungsunternehmen suboptimale Ergebnisse abliefert, die den relativ hohen finanziellen Aufwand am Ende nicht rechtfertigen, spricht sich das in der Szene in der Regel sehr schnell herum. Auch das führt am Ende zu einer gewissen Marktbereinigung.

nmz: Was spricht für externe Kulturberatung? Was dagegen?

Mertens: Für die Beauftragung einer externe Kulturberatungsfirma spricht, dass diese in der Regel bereits Erfahrungen für Strukturanalysen aus anderen Orten/Bundesländern mitbringt, die der Auftraggeber, beispielsweise eine Stadtverwaltung oder ein Ministerium, so naturgemäß nicht haben kann. Gegen die Beauftragung Externer spricht häufig der Umstand, dass die Beschäftigten innerhalb eines Kulturbetriebes in der Regel sehr wohl wissen, wo es Defizite und Verbesserungspotenziale gibt. Da Kulturbetriebe aber meistens stark von künstlerischen Führungspersonen geprägt sind, die ihr eigenes Leitungspersonal mitbringen, wird das kritische Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel zu selten abgefragt. Würde dies durch die im Hintergrund verantwortliche öffentliche Kulturverwaltung besser gesteuert werden, würde sich mancher Gutachtenauftrag erledigen. Ist diese Bereitschaft bzw. dieses Know-how in der öffentlichen Kulturverwaltung nicht vorhanden, liegt es nahe, externe Berater anzufragen.

Noch komplexer sind die Verhältnisse, wenn es um mehrere Kulturbetriebe, zum Beispiel innerhalb eines Bundeslandes, geht, da hier dann auch oftmals widerstreitende kommunal- und landespolitische Interessen sowie ganz massiv finanzielle Interessen (innerhalb öffentlicher Haushalte) eine wesentliche Rolle spielen. Um hier als Entscheider eine halbwegs objektive Beurteilung verschiedener Handlungsszenarien zu erhalten, kann der Einsatz externer Beratungsunternehmen sinnvoll sein. Die Frage ist aber immer, ob es einen ernsthaften Willen der öffentlichen Hand zur sachgerechten und zukunftsfähigen Gestaltung kultureller Angebote gibt oder ob das externe Beratungsunternehmen letztlich dazu „missbraucht“ werden soll, Kürzungen und Einschnitte zu legitimieren. Hier stellen sich dann auch moralische Fragen, die jedes Beratungsunternehmen vor Annahme eines Auftrages – und sei er auch noch so lukrativ – für sich beantworten muss. Einen wirklich guten Job macht die externe Kulturberatung dann, wenn es ihr gelingt, ein finanziell, organisatorisch oder künstlerisch angeschlagenes Unternehmen durch ihre Beratungsleistung auf Kurs zu bringen und zukunftsfest aufzustellen. Auch hierfür gibt es einige Beispiele.

nmz: Ist die Macht der Kulturberater nicht zu groß geworden?

Mertens: Kulturberater haben immer nur so viel „Macht“ wie sie ihnen vom Auftraggeber verliehen wird. Ein seriös arbeitendes Kulturberatungsunternehmen wird seinem Auftraggeber immer nur Handlungsalternativen und -szenarien aufzeigen, über die dieser dann autonom entscheiden muss. Die Frage bleibt allerdings immer, wie ehrlich und ergebnisoffen hier agiert wird. Bei vielen Aufträgen in der Vergangenheit war es so, dass letztlich Kürzungen der öffentlichen Hand durch entsprechende Gutachtenaufträge kaschiert werden sollten. Wenn es aber nicht um Kürzungen, sondern um Optimierung von Betriebsabläufen und Qualitätsentwicklung eines kulturellen Angebots geht (Verbesserung des Ressourceneinsatzes, Stabilisierung des Abonnementspublikums, Profil- und Markenentwicklung sowie Marketing), dann können externe Berater und Fachleute wesentliche Hilfestellungen geben. Diese besonderen Kompetenzen kann eine öffentliche Kulturverwaltung mit ihrer aktuellen Personalausstattung nicht ständig vorhalten.

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